Kreis Wesel. Einige Faktoren machen den Händlern am Niederrhein derzeit das Leben schwer, wie die Geschäftsführerin des Handelsverband im Interview erläutert.

Die Adventszeit ist für die Händlerinnen und Händler im Kreis Wesel wichtig: Wenn die Menschen in den Innenstädten nach Weihnachtsgeschenken Ausschau halten, erhoffen sie sich zum Jahresendspurt wichtige Umsatzimpulse. Doch zugleich stellen anhaltende Krisen, allen voran die Folgen der Inflation, die Geschäftsinhaber vor große Herausforderungen. Darüber haben wir vor dem dritten Adventswochenende mit Doris Lewitzky gesprochen, sie ist Geschäftsführerin des Handelsverbands Niederrhein, der neben dem Kreis Wesel auch für Duisburg zuständig ist.

Wie blicken Sie auf den Start des Weihnachtsgeschäfts? Weihnachtsmarkthändler in Moers zeigten sich zuletzt beispielsweise sehr unzufrieden.

Es lassen sich einige Abhängigkeiten feststellen. Weihnachtsmärkte sind schon auch Frequenzbringer und wenn die Menschen aufgrund des Wetters dort fernbleiben, dann gehen sie auch nicht in die Stadt. Da wäre zuletzt trockenes Wetter und blauer Himmel besser gewesen. Das vergangene Wochenende war wetterbedingt durchwachsener als gehofft. Auch eine A40-Sperrung am zweiten Adventswochenende ist unglücklich. Das schneidet Verkehrswege ab, die sonst dazu führen, dass die Menschen über den Rhein zum Einkaufen kommen.

Wie machen sich die Inflationsfolgen bemerkbar?

Die einzelnen Bons sind in der Regel kleiner. Die Kundinnen und Kunden sind sehr überlegt bei dem, was sie kaufen. Wir haben das Gefühl, dass sie bei spontanen Einkäufen eher auf der Bremse sitzen. Der deutsche Konsument tendiert dazu, etwas vorsichtiger zu sein, zu schauen, was habe ich noch für Ausgaben, was erwartet mich im nächsten Jahr und was bürdet mir die Politik auf. Das merken wir auch bei uns in den Kassen.

Und vorher haben Internetriesen noch zur Black Week getrommelt.

Ja, diese Aktionen im Vorfeld sind auch zu spüren. Viele Kunden machen dann im Internet den Rundumschlag und decken sich mit Weihnachtsgeschenken ein. Jetzt beginnen die Preisreduzierungen schon im November, früher waren sie immer erst ab Januar. Zudem spürt der stationäre Handel auch eine gewisse Übersättigung des Kunden. Manche Bereiche, die Bekleidungs- oder Schuhbranche etwa, tun sich sowieso schwer, weil das stark vom Online-Handel dominierte Branchen sind. Trotzdem ist das Weihnachtsgeschäft wichtig und es ist nicht so, dass der Kunde komplett fernbleibt.

Lohnt sich für den Verbraucher der Blick auf die Internetseiten der lokalen Händler?

Die Unternehmen sind inzwischen digital sichtbar. Sie sagen dem Kunden, wo, wann und wie sie erreichbar sind, aber den richtigen Online-Shop sehen wir eher noch unterrepräsentiert – auch zurecht. Der Aufwand für ein kleines Unternehmen, einen solchen Shop zu betreiben, für Retouren aufzukommen, ist immens – meistens führt das dazu, dass Versuche früher oder später wieder eingestellt werden. Eine aktuelle Umfrage, wie viel Umsatz mit dem Online-Handel gemacht wird, hat ergeben, dass 85 Prozent der Händler weniger als zehn Prozent online umsetzen. Eins zu eins in Konkurrenz zu den großen Anbietern zu gehen, das klappt nicht. Und wenn ich das einmal anfange, dann muss ich auch Personal haben, um den Online-Shop konsequent zu pflegen.

Rabattaktionen im November statt zum Jahresanfang: Insbesondere Internetriesen sind eine große Konkurrenz für den stationären Handel.
Rabattaktionen im November statt zum Jahresanfang: Insbesondere Internetriesen sind eine große Konkurrenz für den stationären Handel. © Moers | Volker Herold

Da sind wir bei der nächsten Herausforderung. Wie steht es um den Fachkräftemangel und die Nachwuchsgewinnung?

Das ist ein krasses Thema, das uns die nächsten Jahre oder Jahrzehnte begleiten wird. Es fehlen einfach Köpfe. Wie in allen Ausbildungsberufen, hat auch der Handel Schwierigkeiten, Nachwuchs zu finden. Einerseits ist sowohl der Verkäufer/in als auch der Einzelhandelskaufmann/die Einzelhandelskauffrau einer der meistgefragten Ausbildungsberufe. Es gibt sehr gute Aufstiegsmöglichkeiten und zum Beispiel die Fortbildung zum Handelsassistenten. Genauso kann man es aber auch mit der reinen Arbeitstätigkeit in Führungspositionen schaffen. Man merkt allerdings, dass die Jugend mit den Arbeitszeiten fremdelt: mit der Sechs-Tage-Woche, den frühen Öffnungszeiten. Es wird uns auch gespiegelt, dass die Belastbarkeit nachlässt und die Anspruchshaltung steigt. Der Einzelhandel ist halt immer noch ein Dienstleistungsbereich.

Womit kann der Handel punkten?

Wir haben ja viele Branchen und ein Interessensgebiet, dass sich jemand aussucht und in dem derjenige dem Kunden dann gerne die Ware präsentiert, das macht Spaß und die individuelle Beratung ist ja der Pluspunkt des stationären Handels. Und bei den Arbeitszeiten sind die Betriebe auch bereit, entgegenzukommen und Modelle zu schaffen, die passen. Wir sind auch im Teilzeitbereich immer schon attraktiv gewesen.

Doris Lewitzky, Geschäftsführerin des Einzelhandelsverbandes Niederrhein.
Doris Lewitzky, Geschäftsführerin des Einzelhandelsverbandes Niederrhein. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) hat in diesem Jahr Werte zur Einzelhandelszentralität veröffentlicht. Ein zu erwartender Wert von mehr als 100 Prozent würde bedeuten, dass von Kaufkraftzufluss auszugehen ist. Der Kreis Wesel kommt hier auf 92,1 Prozent, der Nachbarkreis Kleve sowie die Stadt Duisburg liegen hier mit 110,2 sowie 108,2 Prozent schon deutlich höher. Wie können insbesondere kleinere Städte in der Region punkten?

Man muss etwas haben, worauf der Kunde aufmerksam wird. Warum soll ich in die kleinere Stadt fahren statt in die größere? Hier lässt sich natürlich sagen, dass es vielleicht noch mehr Inhaber geführte Geschäfte, mehr Nähe zum Kunden gibt, mit dem ganz speziellen Angebot, den regionalen Produkten. Städte und Gemeinden müssen versuchen, das herauszustellen und schauen, wie sie Gastronomie, Tourismus und Handel verquicken und ein schönes Paket schnüren können. Das ist eine echte Herausforderung, welche die Städte auch viel Geld kostet. Da sehen wir viel Bewegung, aber es braucht einen langen Atem. Das muss beim Kunden auch ankommen und sich verstetigen.

Welche Forderungen haben Sie aktuell an die Politik?

Wie immer ein Thema: dass sich die Gewerbesteuern nicht erhöhen. Und, dass der Kunde durch politische Entscheidungen nicht abgeschreckt wird, in die Städte zu kommen. Hier ist die Erreichbarkeit der Städte wichtig und auch die Höhe der Parkplatzgebühren. Und bei Veranstaltungen ist dies zum Beispiel die Höhe der Standmieten für die Händler. Genauso geht es um Kriminalitätsvorbeugung und Sicherheit. Und bestehende kriminelle Aktivitäten, ob Drogenkonsum oder Diebstahl, die müssen aktiv bekämpft werden.