Kreis Wesel. Wie Lebensmittel produziert werden, ist vielen Menschen fremd – die Kreis Weseler Landfrauen möchten das Thema in die Schulen bringen.
Knapp 4000 Frauen sind im Rheinischen Landfrauenverband Kreis Wesel organisiert, es ist der größte Kreisverband im Rheinland. So viele Bäuerinnen? „Nein“, sagt Christa Krebbing, die Vorsitzende, „maximal ein Drittel von uns hat noch einen landwirtschaftlichen Hintergrund. Darum geht es auch nicht. Es geht um die Frauen auf dem Land.“ Sie leben ein anderes Leben als Städterinnen, mit anderen Herausforderungen – und das in jedem Alter. Landfrauen haben mehr drauf als „nur“ lecker kochen und backen, wie die 54-Jährige betont, obschon man zugeben muss: Davon verstehen sie viel und das hat sich herumgesprochen. „Manche verwechseln uns mit einem Cateringverein“, sagt Krebbing und lacht.
Familienküche – lecker, preiswert und gesund
Und doch ist das Thema Lebensmittel zentral. „Viele Menschen haben den Bezug zu dem, was auf ihrem Teller ist, verloren.“ Seit Jahren kämpfen die Landfrauen deshalb darum, das Fach „Alltagskompetenzen“ in die Schulen zu bringen – das wäre die klassische Hauswirtschaft, und zwar für Jungen und Mädchen, aber noch viel mehr, der Umgang mit Geld etwa oder Medienkompetenz.
„Wo kommt unser Essen her, wie verarbeitet und lagert man Lebensmittel richtig?“, nennt Krebbing den ebenso traditionellen wie wichtigen Ansatz. Inzwischen liege das Thema bei jungen Frauen wieder im Trend, Angebote wie die Eintopfbörsen, deren Teilnehmerinnen ihr Gericht samt Rezept mitbringen und tauschen, sind beliebt. Oder Kochkurse, die statt der mediterranen Küche beispielsweise mal die Zubereitung einer klassischen Rindfleischsuppe vermitteln. All das will weit mehr sein als Folklore oder ein Zeitvertreib für Hobbyköche: Gesunde Familienküche, auch mit kleinem Budget, ist oft eine verlorene Fertigkeit. „Es muss nicht die gesamte Woche über Nudeln mit Soße geben. Linsensuppe, Möhreneintopf und viele andere Gerichte sind preiswert, lecker und gesund.“
Auch sei den meisten Kindern der Ursprung ihres Essens unbekannt, nicht wenigen Erwachsenen auch schlicht egal. Das machen die Landfrauen beispielsweise an der Menge weggeworfener Lebensmittel fest. Was vom Schulministerium nicht aufgenommen wird, versuchen sie daher im Kleinen umzusetzen: In einigen Dörfern gehen sie in die Grundschulen, zeigen den Kindern Erdbeerfelder und Kartoffeläcker, Ferkel im Stall und wie Kühe gemolken werden. Und ja: In Wesel-Bislich waren die Landfrauen mit den Grundschulkindern gar beim Metzger. „Sie haben lebende Tiere gesehen und auch, wie sie verarbeitet werden. Das kann man Kindern zumuten“, sagt die Bäuerin. So lernten sie, wie Wurst gemacht wird, „keines war deshalb traumatisiert“, obschon man auf sensiblere Kinder eingehen müsse. Krebbing wünscht sich, dass alle Kinder in der Grundschule wenigstens einmal einen Bauernhof besuchen. Und das Thema auch später seinen Platz im Unterricht hat. Doch sie macht sich wenig Illusionen. „Bei dem Lehrermangel sehe ich da wenig Chancen, sogar der Sportunterricht fällt häufig aus.“
Im Kleinen, sagt die gelernte staatlich geprüfte Wirtschafterin aus Erfahrung, helfe es bereits, mit den Kindern in der Familie zu backen und zu kochen. Im Regionalen setzt sie auf Projekte wie die „Tour de Flur“, ein Angebot für Interessierte, die Höfe per Rad zu besuchen und zu erkunden. Leider ist es mit der Corona-Pandemie ausgelaufen. Dennoch möchte Christa Krebbing das Gespräch mit interessierten Verbrauchern suchen, auch zu umstritteneren Themen wie Tierwohl, Spaltböden oder Subventionen.
Frauenalltag auf dem Land unterscheidet sich von dem in der Stadt
Was treibt Frauen auf dem Land noch um? Es sind Alltagsthemen. „Bei uns halten Bus und Bahn nicht vor der Tür“, sagt Krebbing, „wir leben mit einer anderen Infrastruktur.“ Junge Frauen mit Kindern stellt das vor Herausforderungen, aber auch Seniorinnen und Pflegende. Mal eben vor die Tür treten und mit Nachbarn plauschen? „Da müsste ich 150 Meter laufen“, sagt Christa Krebbing, die auf dem Milchviehbetrieb ihrer Familie im Hamminkelner Stadtteil Töven lebt. Mal krank? „Theoretisch kann man eine Betriebshilfe bekommen“, erläutert sie. „Es gibt einen Betriebshilfedienst.“ Tatsächlich sei die Nachfrage groß, aber es gibt zu wenig Kräfte. Vieles auf dem Land hängt letztlich an Familie und dörflicher Gemeinschaft. Die gilt es zu pflegen.