Kreis Wesel. Bringt das Deutschlandticket die Verkehrswende im Kreis Wesel voran? Angesichts der vielen Probleme bei den Zugstrecken ist das zweifelhaft.
Wenn in dieser Woche das Deutschlandticket an den Start geht, könnten sich viele Menschen im Kreis Wesel die Frage stellen: Mit welchem Zug soll ich denn eigentlich fahren? Die Strecke auf der rechten Rheinseite ist eine Dauerbaustelle und wird es noch über Jahre bleiben – und zwischen Moers, Rheinberg und Xanten kann man als Pendlerin oder Pendler froh sein, wenn alle Stellwerke besetzt sind. Denn seit Monaten kommt es deswegen immer wieder zu Ausfällen bei der Regionalbahn RB 31.
Deutschlandticket im Kreis Wesel: Wie viele Menschen haben es bestellt?
Wird das Ticket am Niederrhein also seine erhoffte Wirkung verfehlen? Wie viele Interessierte aus dem Kreis Wesel bisher gekauft haben, lässt sich kaum abschätzen – schließlich kann das Angebot über viele verschiedene Anbieter erworben werden. Die Niederrheinischen Verkehrsbetriebe (Niag) sprechen von rund 1000 neuen Abonnentinnen und Abonnenten, die sich seit dem Verkaufsstart registriert haben.
Eine von ihnen ist Doris Beer, die verkehrspolitische Sprecherin der SPD im Kreistag. „Das Deutschlandticket ist eine gute Sache, ich habe mir schon eins besorgt“, berichtet sie und hofft, dass möglichst viele Menschen es ihr gleichtun. Klar ist für die Sozialdemokratin aber auch, dass es nicht reicht, nur eine einigermaßen günstige Monatsfahrkarte anzubieten, um mehr Menschen für den öffentlichen Nahverkehr zu begeistern – ganz besonders in ländlichen Regionen.
„Die Verkehrswende muss an allen Enden angegangen werden“, sagt Beer. Konkret meint sie damit im Kreis Wesel zum Beispiel die bessere Anbindungen von kleineren Ortschaften an das Nahverkehrsnetz, die Vernetzung von Fahrrad und ÖPNV oder die Aufenthaltsqualität an Bus- oder Zughaltestellen. Große Erwartungen setzt die SPD-Vertreterin dabei in den neuen Nahverkehrsplan für den Kreis Wesel, der gerade erarbeitet wird. „Ich hoffe, dass der ein echter Gewinn sein wird“, sagt Beer.
Dass für viele Menschen im Kreis Wesel der Öffentliche Nahverkehr kaum eine Rolle im Alltag spielt, zeigte im vergangenen Jahr auch eine repräsentative Umfrage dieser Redaktion. Demnach gaben rund 50 Prozent der Befragten an, den ÖPNV nie zu benutzen. Gut jeder Dritte ist demnach unregelmäßig mit Bus und Bahn unterwegs, zwischen 15 (Raum Wesel) und 22 Prozent (Moers) fahren hingegen regelmäßig mit.
Für Frank Berger, Fraktionsvorsitzender der CDU im Kreistag und Verkehrspolitiker, ist das Deutschlandticket die große Chance, mehr Menschen von den Angeboten zu überzeugen. „Wir sind aber auch zu einem Erfolg verdammt“, sagt Berger. Der Christdemokrat geht davon aus, dass schon nach den Sommerferien die Debatten um die zukünftige Finanzierung des Tickets beginnen werden. Je mehr Menschen in Bus und Bahn einsteigen, desto höher werde der Druck auf die Entscheidungsträger in Bund und Ländern. „Das wird eine Abstimmung mit den Füßen“, sagt Berger, der massiv davor warnt, die Kosten auf die Kommunen umzulegen oder unrentable Verbindungen einzustellen, weil das Deutschlandticket sonst nicht dauerhaft finanziert werden kann. „Die Städte und Gemeinden können das nicht schultern.“
Klar ist für Berger auch: Das Nahverkehrsangebot im Kreis Wesel muss mittel- bis langfristig deutlich verbessert werden. Ein erster Schritt in die richtige Richtung sei der Start der neuen X-Bus-Linien gewesen, auch die Reaktivierung von Zugstrecken wie nach Kamp-Lintfort, Neukirchen-Vluyn und zwischen Dinslaken und Wesel (Walsumbahn) werden die Attraktivität des ÖPNV deutlich erhöhen. Nicht zuletzt müsse die Qualität und die Zuverlässigkeit erhöht werden – das geht aber nicht ohne weitere Baustellen. „Auf der linken Rheinseite wird zum Teil auf 100 Jahre alter Infrastruktur gefahren“, so Berger.