Kreis Wesel. Im Kreis Wesel ist das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern viel größer als im Landesschnitt. Was ein veraltetes Rollenbild damit zu tun hat.

Das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen ist noch immer groß. Im Kreis Wesel ist der Unterschied sogar noch deutlich größer als im Landesschnitt. Mehr als 600 Euro im Monat verdienen hier Frauen in Vollbeschäftigung durchschnittlich weniger als Männer. Auf NRW-Ebene beträgt der Unterschied 380 Euro. Das teilt die Agentur für Arbeit auf Anfrage zum Equal-Pay-Day am heutigen Dienstag mit.

Die Gründe für diesen eklatanten Unterschied sind laut Arbeitsagentur vielfältig, und sie haben weniger mit mangelnder beruflicher Qualifikation an sich als vielmehr mit der Berufswahl zu tun. Im Kreis Wesel seien 61,3 Prozent der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen auf Fachkraftniveau tätig, bei Männern seien es 57,6 Prozent.

Geringere Bezahlung von Frauen im Kreis Wesel: Das sind die Gründe

„Allerdings sind Männer stärker bei höher qualifizierten Tätigkeiten vertreten, die in der Regel mit einem höheren Verdienst einhergehen. Dies sind Tätigkeiten, die komplexer sind, mit Spezialkenntnissen verbunden und häufig eine Meister- oder Technikerausbildung oder ein Bachelorstudium voraussetzen“, schreibt Agentur-Pressesprecherin Sabine Hanzen-Paprotta. Auch auf der Experten-Ebene, die in der Regel ein mindestens vierjähriges Studium voraussetze, seien Männer häufiger vertreten. Der Anteil der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen in den zumeist besser bezahlten MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) liegt im Agenturbezirk laut Pressesprecherin lediglich bei 14,3 Prozent, bei den Männern sind es 85,7 Prozent.

Hinzu kommt laut Hanzen-Paprotta, dass Frauen häufiger in Berufen arbeiten, in denen die Verdienstmöglichkeiten eingeschränkt sind, wie beispielsweise in den Gesundheits- und Sozialberufen. Das beobachtet auch Stefanie Werner von der Fachstelle Frauen und Beruf des Kreises Wesel. Sie fordert eine deutliche Aufwertung der Pflege- und Sozialberufe, sowohl gesellschaftlich als auch finanziell. Außerdem fordert sie Anreize, damit auch Väter verstärkt ihre Stunden reduzieren könnten.

Denn auch und vor allem die noch immer häufig vorherrschende traditionelle Rollenverteilung sei ausschlaggebend. Sie erlebe es ständig, „dass die Frauen zurückstecken, den Haushalt und die Kindererziehung übernehmen und danach beruflich nicht mehr richtig Fuß fassen“, sagt Stefanie Werner.

Das bestätigt auch die Agentur für Arbeit: Bemerkbar machten sich bei dem Lohngefälle unter anderem auch Unterbrechungen durch eine oder mehrere Familienphase(n) „und danach der Einstieg in eine geringfügige Tätigkeit und/oder unterhalb der bisherigen Qualifikation, um Familie und Arbeit besser vereinbaren zu können“. Die Folge unter anderem: ein schlechterer Verdienst.

Dieses Vereinbarkeit besser zu gewährleisten, müsse Hauptaufgabe der Politik sein, sagt Stefanie Werner deutlich, und: „In Zeiten gleicher Bildung muss nicht immer die Frau zu Hause bleiben“, sagt Werner. Zwar sei das Thema mittlerweile deutlich präsenter, allerdings habe es durch Corona wieder einen Rückschritt gegeben, sagt Stefanie Werner und spricht von einer „Retraditionalisierung der familiären Rollen“. Damit aber auch Frauen beruflich erfolgreich sein können und eine Chance auf gerechte Bezahlung haben, müsse sich auch hier das Bewusstsein deutlich ändern.

>>> Wichtiges Etappenziel und Aktionstag<<<

Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts liegt die Lohnlücke bei 18 Prozent. Rechnet man den Prozentwert in Tage um, arbeiten Frauen immer noch 66 Tage ohne Gehalt. Daran erinnern die Fachstelle Frau und Beruf und die Gleichstellungsstelle des Kreises am Equal-Pay-Day mit einem Aktionstag. Für Informationen und Austausch stehen sie mit Infoständen an der Jülicher Straße 4 von 8 bis 10 Uhr, im Foyer des Kreishauses von 11 bis 12 Uhr und in der Außenstelle in Moers, Mühlenstraße 9 – 11, von 13 bis 15 Uhr.

Ein Etappenziel zu mehr Lohngerechtigkeit habe es am 16. Februar gegeben, als das Bundesarbeitsgericht entschieden habe, dass Equal Pay keine Verhandlungssache sei, so der Kreis . Landrat Ingo Brohl will sich dafür einsetzen: „Neben dem Eigeninteresse, ein interessanter Arbeitgeber zu sein, hat die Kreisverwaltung in meinen Augen auch eine gesellschaftliche Vorbildfunktion wahrzunehmen.“

Die beiden Unternehmen Trox und Altana sind tarifgebunden, was die Möglichkeiten zur ungleichen Bezahlung einschränkt, aber dennoch geben sie ein deutliches Bekenntnis zum Equal-Pay-Day. „Eine gleiche und geschlechtsunabhängige Bezahlung ist wichtig und sollte in unserer heutigen Zeit eine Selbstverständlichkeit sein“, sagt Thomas Mosbacher, Geschäftsführer Finanzen und Personal bei der Trox GmbH in Neukirchen-Vluyn. „Arbeitnehmerinnen haben einen Anspruch darauf, für eine gleichwertige Tätigkeit auch das gleiche Entgelt zu erhalten wie ihre männlichen Kollegen.“ Bei TROX sei gleiches Entgelt für gleiche Arbeit daher keine Verhandlungssache.

Genauso sieht es auch die Altana AG aus Wesel. „Fairness ist ein entscheidender Baustein der Altana Unternehmenskultur. Daher ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, alle Beschäftigten entsprechend ihrer Tätigkeit und den dazugehörigen Fähigkeiten zu vergüten. Faire Entlohnung ist maßgeblich, um als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden.“

Weitere Infos gibt es unter www.kreis-wesel.de/frauundberuf und www.equalpayday.de.