Kreis Wesel. Stefanie Werner leitet nun die Fachstelle Frau und Beruf im Kreis Wesel. Was sich aus ihrer Sicht beim Thema Chancengleichheit ändern muss.

Traditionelle Rollenbilder, ungleiche Bezahlung, viel Teilzeit: Seit 1. August hat Stefanie Werner die Leitung der Fachstelle Frau und Beruf im Kreis Wesel übernommen und setzt sich nun kreisweit mit diesen Themen auseinander. Die Weselerin war zuvor Gleichstellungsbeauftragte in Hamminkeln. Sie folgt auf Monika Seibel, die bei ihrem Abschied gesagt hat: „Mein Ziel zu Beginn meiner Karriere vor mittlerweile 23 Jahren war es, überflüssig zu werden. Dieses Ziel habe ich leider nicht erreicht, denn berufliche Chancengleichheit existiert nach wie vor nicht.“ Wir haben mit Stefanie Werner über die Herausforderungen ihrer neuen Position gesprochen.

Gibt es eine Zahl, die Sie hoffen durch Ihre Arbeit in den kommenden Jahren positiv verändern zu können?

Stefanie Werner: Wir haben einen hohen Anteil an Frauen, die in Teilzeit arbeiten. Im Kreis Wesel liegt er derzeit bei knapp über 80 Prozent. Das ist zum Beispiel eine realistische Stellschraube, an der ich drehen möchte. Denn diese Frauen sind in Arbeit, sie sind bereits versicherungspflichtig beschäftigt. Wenn da nur ein paar Stunden aufgestockt werden könnten, haben wir schon viel erreicht..

Inwiefern unterscheidet sich die Arbeit als Gleichstellungsbeauftragte von Ihrer neuen Aufgabe?

Bei meiner Arbeit als Gleichstellungsbeauftragte habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Unabhängigkeit von Frauen immer mit ihrer Berufstätigkeit in Verbindung steht. Gerade auch in dem Punkt Gewalt gegen Frauen habe ich ganz oft diese wirtschaftliche Abhängigkeit von Frauen kennengelernt. Das hat mir gezeigt: Es führt letztendlich immer wieder zur Existenzsicherung. Das ist meine Motivation. In der Fachstelle Frau und Beruf habe ich natürlich den Fokus genau auf dieses Themenfeld und kann hier gezielt daran mitwirken, Strukturen zu verbessern. Förderlich ist dabei die Anbindung an die Entwicklungsagentur Wirtschaft (EAW) hier im Haus, da es nun mal auch ein Wirtschaftsthema ist.

An welchen Stellschrauben muss gedreht werden, damit es tatsächlich berufliche Chancengleichheit für Frauen gibt?

Erstmal muss generell ein Umdenken stattfinden. Erst wenn das da ist und der Respekt vor den vielfältigen Aufgaben, die uns im Lebensalltag beschäftigen, dann können auch entsprechend Strukturen implementiert werden, sodass Frauen und Männer sich beruflich gleich entwickeln können. Im Moment sind wir da noch längst nicht angelangt. Wenn wir dann irgendwann bei gleicher Bezahlung für gleichwertige Arbeit angelangt sind, es gleiche Karrieremöglichkeiten gibt und das auch von den Führungsetagen vorgelebt wird, dann haben wir schon mal die richtige Richtung, aber der Weg ist noch sehr lang.

Wie ist das mit der Rollenverteilung, etwa mit Blick auf die Kinderbetreuung?

Auch hier ist ein Umdenken erforderlich. In der Partnerschaft geht es erstmal relativ gleichberechtigt zu, aber sobald Kinder da sind, wird schnell auf die tradierten Rollen zurückgegriffen. Erschwerend kommt der wirtschaftliche Faktor dazu. Von der Frau wird quasi vorausgesetzt, dass sie sich um die Erziehung kümmert. Wenn sie frühzeitig wieder arbeiten gehen will, kommt selbst im persönlichen Umfeld schnell das Klischee der Rabenmutter auf. Andersherum wird es bei Männern ja noch als besonders herausragende Leistung angesehen, dass sie Erziehungszeiten übernehmen.

Wie ließe sich das ändern?

Es wäre eine Möglichkeit, dass beide einen gewissen Stundensatz reduzieren. So bleibt nicht ein Partner beruflich auf der Strecke. Skandinavische Länder machen das ja teilweise vor und da funktioniert es. Es macht Sinn sich, im Vorfeld damit zu beschäftigen, das einmal durchzurechnen. Da ist die Fachstelle eine gute Ansprechpartnerin.

Sie haben zum Start in der Fachstelle auch die Selbstständigkeit als einen Schlüssel zur beruflichen Weiterentwicklung für Frauen genannt. Wie könnte das gefördert werden?

Eine gute Stellschraube wäre es, sich in Ausbildung oder Studium beim Thema Existenzgründung auszuprobieren. Damit man das als Möglichkeit für das spätere Berufsleben vor Augen hat. Und es wäre gut, wenn Frauen das gleiche Startkapital erhalten wie Männer. Im Moment ist es noch eher so, dass bei der Vergabe von Krediten oder Förderprogrammen Frauen deutlich weniger gefördert werden. Das könnte man durch gezielten Kompetenzaufbau beim Erkennen und Bewältigen von Diskriminierungsmustern abbauen.

Die Selbstständigkeit kann ein Dreh- und Angelpunkt für Frauen sein, um Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen und sich beruflich weiterzuentwickeln. Dabei ist es aber wichtig, dass das gut begleitet wird, man sich nicht nur vorab, sondern auch im Fortgang Expertise einholt. Da kommen die Schwierigkeiten auf. Und genau dort können wir helfen: Meine Kolleginnen und Kollegen bei der Entwicklungsagentur Wirtschaft, Frau Kopatz, Frau Schürmann und Herr Rose (Startercenter NRW), machen die gezielte Existenzgründungsberatung. Ich bin bei der Fachstelle in einer Lotsinnenfunktion tätig und vermittle gezielt an die richtigen Stellen.

>>>Informationen und Kontakt<<<
Stefanie Werner ist telefonisch unter 0281/207 – 2201 und per Mail an Stefanie.Werner@Kreis-Wesel.de erreichbar. Weitere Informationen: www.kreis-wesel.de/frauundberuf