Kreis Wesel. Ein Kiesunternehmen will große Solaranlagen auf Kiesseen im Kreis Wesel bauen. Viele Haushalte könnten so versorgt werden, es gibt aber Kritik.
Die Energieversorgung der Zukunft könnte auf Baggerseen schwimmen. Zumindest ein nicht zu unterschätzender Teil davon. Denn im Kreis Wesel bieten viele durch den Kiesabbau entstandenen Gewässer ein großes Potenzial für schwimmende Photovoltaik-Anlagen. Im Sommer wird eine erste solche Anlage im Kreisgebiet auf dem Ellerdonksee in Wesel-Bislich entstehen, sie versorgt dann aber vor allem das dortige Kieswerk mit Strom – darüber gehen die Überlegungen jedoch längst hinaus.
Warum sollten die Solarmodule ihre Energie nur für eine Abgrabungsanlage produzieren – und nicht einen Beitrag zur Stromversorgung der privaten Haushalte leisten? Genau mit diesen Überlegungen beschäftigt sich Lutz van der Kuil intensiv. Der Ingenieur, der ursprünglich aus dem Schiffbau kommt, ist beim Kiesunternehmen Hülskens für das Energiemanagement zuständig.
Hülskens würde gerne eine solche Anlage auf dem Kiessee „Pettenkaul“ zwischen den Weseler Ortsteilen Büderich und Ginderich errichten. Die Pläne sehen den Bau von Solarmodulen über eine Fläche von ungefähr 10 Hektar vor, das Gewässer ist insgesamt 67 Hektar groß. Laut den Berechnungen des Unternehmens könnten damit pro Jahr etwa 12,75 Millionen Kilowattstunden Energie erzeugt werden. „Damit könnten ungefähr 3190 Haushalte versorgt werden“, rechnet van der Kuil vor.
Die Dimensionen dieses Projektes gehen weit über bestehende Anlagen hinaus. So betreibt Hülskens bisher Solarmodule auf einem Kiessee bei Weeze, dort werden pro Jahr etwa eine Million Kilowattstunden Strom erzeugt, das Unternehmen Holemans plant in Bislich mit etwa 4,9 Millionen Kilowattstunden und einer Fläche von etwas mehr als drei Hektar. Ein weiterer großer Unterschied: Die Anlagen sind direkt an ein Kieswerk angeschlossen – das wäre bei Pettenkaul anders, denn dort wird nicht mehr abgegraben.
Das Problem: Die rechtlichen Rahmenbedingungen würden das bisher gar nicht zulassen. Denn die Genehmigung ist an den Betrieb einer Abgrabungsanlage gebunden, wenn die Betriebserlaubnis ausläuft, müssen die Solarmodule wieder zurückgebaut werden. Für Unternehmen ist das ein riesiges Hemmnis, denn die Investitionen spielt eine Photovoltaik-Anlage erst nach einigen Jahren ein – und laufen könnte sie mindestens 20 Jahre, wenn nicht länger.
Kiesunternehmen sieht große Potenziale im Kreis Wesel
Ändern könnte diese Vorgaben die Landesregierung. Charlotte Quik, Landtagsabgeordnete und CDU-Kreisvorsitzende, weiß genau um die Möglichkeiten in ihrer Region. „Für den Kreis Wesel ist das Thema von besonderer Bedeutung“, sagt Quik. „Ich bin der festen Überzeugung, dass eine Erleichterung kommen muss. Es steht auf meiner persönlichen politischen Agenda, das voranzutreiben.“ Allerdings sei die Gesetzeslage hochgradig komplex – und nicht in allen Regionen in NRW stehe das Thema so im Fokus.
„Wir haben ein großes Potenzial direkt vor unserer Haustür“, betont Lutz van der Kuil. Theoretisch eignet sich jedes künstliche Gewässer für eine schwimmende PV-Anlage, allerdings kommen stark im Freizeitbereich genutzte Seen, wie zum Beispiel die Xantener Nord- und Südsee, nicht in Frage – ebenso raus sind solche mit einem hohen ökologischen Wert, spätestens dann, wenn sie sich in einem Naturschutzgebiet befinden. Viele andere Gewässer kämen aber in Frage, auch wenn Hülskens da erstmal nicht weiter konkret werden will und sich als Pilotprojekt auf den See bei Büderich konzentriert.
Die Auswirkungen der Solarmodule auf die Umwelt sind allerdings noch nicht vollständig untersucht. Die Kiesunternehmen berufen sich aber auch auf Studien aus den Niederlanden, wo es die schwimmenden Stromerzeuger schon länger gibt – demnach gebe es keine negativen Einflüsse auf Flora und Fauna.
Photovoltaik auf Kiesseen im Kreis Wesel: Umweltschützer haben Bedenken
Einen genauen Blick auf die ökologischen Folgen dürften die Umweltverbände werfen. Dabei befindet zum Beispiel Günther Rinke, der Vorsitzende des BUND im Kreis Wesel, die Ideen der Kiesindustrie grundsätzlich für gut: „Auf schon bestehenden Seen ist das sinnvoll, wir brauchen mehr Strom aus erneuerbaren Energien“. Doch der Umweltschützer hat auch Bedenken. „Das ist für die Firmen eine gute Möglichkeit, sich ein grüneres Image zu geben“, meint Rinke. „Dabei kann Kiesabbau nie nachhaltig sein.“
Die Gefahr des sogenannten Greenwashing der Kiesfirmen sieht auch René Schneider, Landtagsabgeordneter und Kreisvorsitzender der SPD. „Wir brauchen keine neuen Kiesseen, um den Ausbau von Photovoltaik voranzutreiben“, so Schneider. Es dürfe nicht passieren, dass neue Abgrabungen damit gerechtfertigt werden, das dort auch Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen wird.
Schwimmende Anlagen auf bereits bestehenden See befürwortet Schneider jedoch ebenfalls. „Das hilft, die negativen Auswirkungen der Abgrabungen zu lindern.“ Der Sozialdemokrat spricht sich ebenfalls dafür aus, dass in Zukunft PV-Module auch unabhängig von Kieswerken betrieben werden können. So könnten die Unternehmen den Anwohnern in gewisser Weise auch etwas zurückgeben – grünen Strom.