Kreis Wesel. Nur jede fünfte offene Lehrerstelle im Kreis Wesel konnte zum zweiten Halbjahr besetzt werden. Welche Schulformen die meisten Probleme haben.
Die Personallage in den Schulen im Kreis Wesel ist weiterhin kritisch. Und laut Fachleuten wird sie es über Jahre bleiben. Dazu passt das letzte Einstellungsverfahren für Lehrkräfte. 109 Stellen waren bis zum 1. Februar an Schulen im Kreis Wesel ausgeschrieben. Besetzt wurden laut Bezirksregierung Düsseldorf lediglich 22. Macht eine Quote von gerade einmal 20,2 Prozent. Zu Beginn des Schuljahres hatte sie noch bei 54 Prozent gelegen.
Die besten Besetzungsquoten zum zweiten Halbjahr erzielten Gymnasien, Berufskollegs und Sekundarschulen. Einige Schulformen gingen aber erneut komplett leer aus. Wie etwa die Realschulen. Zehn Stellen waren dort kreisweit ausgeschrieben, besetzt wurde keine davon. Betroffen ist auch die Heinrich-Pattberg-Realschule in Moers. Zwei Stellen habe man ausschreiben dürfen, „für die sich aber niemand interessiert hat“, sagt Schulleiter Thomas Urner im Gespräch mit der Redaktion. Dazu habe man noch zwei Lehrkräfte in den Ruhestand verabschiedet. Der Mangel gehört an der Realschule zur Normalität. Was das bedeutet? „Wir kratzen alles an Goodies zusammen, was wir haben“, sagt Urner. Heißt, Stundenplan straffen, etwa durch Zusammenlegen von Förderkursen für Schülerinnen und Schüler mit erhöhtem Bedarf.
Lehrkräfte im Kreis Wesel sehen Vorschläge der Expertenkommission kritisch
Außerdem hätten Kolleginnen und Kollegen ihre Stundenzahlen wieder erhöht, so der Schulleiter weiter, von 20 auf 24 Unterrichtsstunden. Drei Lehrkräfte haben das laut Urner bislang aus freien Stücken getan.
Damit haben sie bereits das umgesetzt, was in der vergangenen Woche eine Expertenkommission unter anderem gefordert hat, um den Lehrkräftemangel in der Bundesrepublik kompensieren zu können. Ein Vorstoß, den Urner kritisch sieht. Die Kolleginnen und Kollegen, die in Teilzeit arbeiteten, „tun das ja nicht ohne Grund“.
Thomas Urner setzt nun auf den 1. Mai. Der Grund: Am 30. April beenden die nächsten Lehramtsanwärterinnen und -anwärter ihr Referendariat. Der Leiter der Heinrich-Pattberg-Realschule hofft dann, „vier bis fünf Stellen“ ausschreiben zu können. Ob sie tatsächlich besetzt werden können, ist die Frage.
Auf dieses Datum müssen auch die Grundschulen im Kreis setzen. Von 48 kreisweit ausgeschriebenen Stellen konnten laut Bezirksregierung lediglich sechs besetzt werden. „Und nur eine davon mit einer ausgebildeten Grundschullehrerin, die anderen fünf Stellen wurden mit Seiteneinsteigern besetzt“, sagt die Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) im Kreis Wesel, Sabrina Niehoff.
Lehrermangel im Kreis Wesel: „Man kann in den nächsten zehn Jahren nicht mit einer Verbesserung rechnen“
„Der Lehrermangel ist eklatant“, so Niehoff. Ausnahme seien die Gymnasien. Dort gebe es noch eine Art „Komfortzone“. Im Kreis Wesel waren an den Gymnasien insgesamt drei Stellen ausgeschrieben, die zum 1. Februar auch besetzt wurden. Alle anderen Schulformen buhlen um Personal. Dabei sei der Kreis Wesel sogar noch besser aufgestellt als zum Beispiel die Städte Duisburg, Essen oder Oberhausen. „Und das Schulamt im Kreis macht einen guten Job“, sagt die VBE-Vorsitzende. Es könne aber auch nur den Mangel verwalten – „zu Lasten der Kinder“.
Dass Quereinsteigerinnen und -einsteiger die Situation verbessern, glaubt Niehoff nur zum Teil. „Es ist ja ein Trugschluss, zu glauben, man schmeißt die einfach vor die Klasse und lässt sie unterrichten – in vielen Fällen hätte das ja dann eher was von ,Fack ju Göhte’“. Entsprechend hoch sei der Betreuungsbedarf, da nur wenige pädagogische Erfahrung hätten. Die Belastung bei den etablierten Lehrkräften sei aber bereits jetzt groß.
„Wir haben nach wie vor einen hohen Krankenstand“, sagt Sabrina Niehoff, ohne Zahlen zu nennen. Aber sicher sei: „Die Kolleginnen und Kollegen können nicht einfach noch mehr arbeiten.“ Insofern habe die Expertenkommission mit ihrer Studie nur Verunsicherung geschaffen, anstatt Lösungsansätze zu liefern.
Zumal Niehoff nicht glaubt, dass sich in nächster Zeit etwas zum Guten wenden wird. Auch, wenn man jetzt die Voraussetzungen dafür schaffe: „Man kann in den nächsten zehn Jahren nicht mit einer Verbesserung rechnen.“
<<< Stellenbesetzungen zum 1. Februar im Kreis Wesel>>>
Grundschule: 48 ausgeschriebene Stellen, sechs besetzt (Quote 12,5%)
Förderschule: 13 ausgeschriebene Stellen, zwei besetzt (15,4%)
Hauptschule: Eine ausgeschriebene Stelle, nicht besetzt 1 (0%)
Realschule: zehn ausgeschriebene Stellen, keine besetzt (0%)
Gymnasium: drei ausgeschriebene Stellen, alle besetzt (100,0%)
Gesamtschule: 29 ausgeschriebene Stellen, acht besetzt (27,6%)
Sekundarschule: zwei ausgeschriebene Stellen, eine besetzt (50,0%)
Berufskolleg: drei ausgeschriebene Stellen, zwei besetzt (66,7%)
Insgesamt: 109 ausgeschriebene Stellen, davon 22 besetzt (20,2%)