Kreis Wesel. Svenja Reinert: Die neue Dezernentin fürs Immobilienmanagement im Kreis Wesel erklärt, wie sie den Investitionsstau in den Griff bekommen möchte.
Svenja Reinert ist neu im Verwaltungsvorstand des Kreises. Die Dezernentin soll neben der Polizeiverwaltung auch das Immobilienmanagement des Kreises übernehmen. Damit trägt sie die Verantwortung für den Abbau des immensen Investitionsstaus in Höhe von rund 91 Millionen Euro. Wir haben zum Start ihrer Amtszeit mit ihr gesprochen.
Mit welcher Ehrfurcht sind Sie in Ihr neues Amt gestartet?
Ich habe Respekt. Aber das ist ja nicht grundsätzlich etwas Schlechtes, im Gegenteil. Man geht feinfühlig und aufmerksam an die Aufgabe. Und ich freue mich darauf.
Warum glauben Sie, dass Sie für diese Aufgabe geeignet sind?
Ich kann gut mit Menschen umgehen und sie motivieren, bestimmte Sachen auch gut umzusetzen. Ich kann gut organisieren, strukturieren, bin weitsichtig, behalte den Überblick und vor allem behalte ich die Ruhe. Ich glaube, die Gelassenheit wird ausschlaggebend sein in Anbetracht all dessen, was auf uns zukommen wird. Wenn man den Kopf verliert, ist keinem geholfen.
Sie sind neben dem Fachbereich 65 auch für die Polizeiverwaltung zuständig. Im Grunde ist Ihre neue Aufgabe also ein 50-Prozent-Job. Wie wollen Sie das schaffen, angesichts eines Investitionsstaus von 91 Millionen Euro?
Man bereitet sich ja vor. Natürlich haben im Vorfeld Gespräche auch im Bereich der Polizeiverwaltung darüber stattgefunden, wie die Aufgabe ohne Qualitätseinbußen bewerkstelligt werden kann. Ich habe hier aber sehr gute Mitarbeitende und Führungskräfte im Bereich der Polizeiverwaltung. Und im Grunde bedeutet die neue Aufgabe ja 100 Prozent zusätzliche Arbeit, nicht nur 50. Mit der Übernahme des FD 65 werde ich mich natürlich einarbeiten müssen und einen Schwerpunkt auf den Fachbereich 65 legen, weiß aber, dass die Polizeiarbeit weiterhin gut läuft.
Was ist die erste Amtshandlung gewesen und was ist kurzfristig das Wichtigste bei Ihrer neuen Aufgabe?
Mit den Menschen zu sprechen, mit denen ich zusammenarbeite.
Und strukturell? Haben Sie sich schon angesehen, wie sich die 91 Millionen Euro zusammensetzen und welche Bereiche besonders gebeutelt sind?
Es geht um die vier großen Projekte (Moers, Dinslaken, Wesel und die Förderschulen). Moers (Berufsschulcampus) steht im Fokus. Da wird man jetzt keine großen Anpassungen im Sinne einer Kehrtwende mehr vornehmen können. Die erste kurzfristige Aufgabe ist, sich mit allen Beteiligten zusammenzusetzen und Informationen darüber zu auszutauschen, was zu Verzögerungen geführt hat und was wir ändern können, strukturell und organisatorisch.
Wann ist das Treffen geplant?
In dieser Woche. Zunächst haben die Gespräche mit den Koordinatoren und der Fachdienstleitung stattgefunden, um mir einen Überblick darüber zu verschaffen, mit wem ich es zu tun habe. Der erste Eindruck von den Menschen in den Fachdiensten ist gut, auch dies hat meine Entscheidung erleichtert, mich an die neue Aufgabe heranzutrauen.
Wenn alle so gut sind, wie kann dann der Investitionsstau von 91 Millionen Euro zustandekommen?
Der Ukraine-Krieg, die Stellen die nicht nachbesetzt werden konnten, Handwerker, die schwer zu bekommen sind - das sind alles Faktoren, die zu einem Investitionsstau geführt haben. Aber man muss ja nicht sagen, das ist so, das bleibt so. Man muss nach Verbesserungsmöglichkeiten in der eigenen Organisationsstruktur schauen. Dazu muss man mit den Menschen sprechen. Was läuft gut, was kann man optimieren, ändern? Die Probleme bei den Lieferketten werden wir aber nicht beheben können.
Sie stellen die Kommunikation heraus. Wie wollen Sie mit den Kreiskommunen sprechen, die ja angesichts des erwartbar großen Personalbedarfs in Ihrem Fachbereich zahlen werden müssen?
Da darf man nicht hinterm Berg halten. Das Schlechteste wäre, wenn ich erzähle, wie günstig es in Zukunft mit mir werde. Da müssen die Tatsachen schon auf den Tisch, da müssen wir ehrlich sein. Wenn Personal notwendig ist, um Bauvorhaben umzusetzen, muss das angesprochen werden. Das ist es ja auch bereits im Entwicklungs- und Sanierungspfad. Es brauchen alle auch alle Informationen, um Entscheidungen nachvollziehen zu können. Damit meine ich Kreiskommunen, Schulleitungen und die Politik.
Mit wie vielen zusätzlichen Stellen rechnen Sie konkret?
In der Verwaltungsvorlage stehen 30 neue Stellen. Aber klar ist auch, dass ich nicht von heute auf morgen 30 neue Stellen haben werde, erst recht nicht neue Köpfe. Die muss man ja auch erstmal bekommen. Das wird ein Prozess sein, was auch ganz gut ist, weil ich mir erst ein eigenes Bild machen möchte. Und wenn ich danach sage, dass ich 30 neue Stellen brauche, werde ich das angehen. Aber das wird dieses Jahr nichts werden. Zumal ein Personalzuwachs ja auch immer dazu führt, dass sich ein Team neu finden muss. Da muss man auch schauen, wann es zeitlich Sinn ergibt, neue Leute dazu zu holen.
Welche Fachkräfte werden gesucht?
Ingenieurinnen und Ingenieure der Fachrichtungen Architektur und Bauingenieurswesen, die solch großen Projekte begleiten können.
Wie attraktiv ist der Kreis Wesel für solch hoch qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
Ich finde, dass er sehr attraktiv ist. Es ist ein sicherer Arbeitsplatz. Die Verwaltungen legen heute schon viel mehr Wert auf eine größere Attraktivität. Zumal man nicht mit den großen Geldsummen in der freien Wirtschaft konkurrieren kann. Deshalb muss man mit anderen Dingen punkten, zum Beispiel der Krisensicherheit. Der Öffentliche Dienst hat bereits festgestellt, dass er mehr tun muss, um Beschäftigte zu halten.
Haben Sie für sich einen Zeitplan vorgenommen, um das massive finanzielle Problem in den Griff zu kriegen?
Ich habe erstmal einen Zeitplan aufgestellt, bis wann ich den absoluten Durchblick haben werde. Damit fange ich jetzt an. Dazu gehört unter anderem auch zu wissen, wo sich ein Rückstau gebildet hat, wie dieser aufgelöst werden kann und wie sich z.B. die 91 Millionen aufteilen. Was davon ist dem Investitionsstau zuzuordnen und was bezieht sich beispielsweise auf Instandhaltung und Wartung.
Sie nennen vier große Projekte, die ganz oben auf der Liste stehen. Moers, Dinslaken, Wesel und die Förderschulen.
Ja, aber man darf sich nicht nur die großen Projekte, sondern muss sich alles ansehen. Es gibt ja auch neben den Projekten Bestandsgebäude – jede Menge z.B. weitere Förderschulen, auch eigene Bestandsgebäude in Moers etc. Da dürfen wir nicht die gleichen Versäumnisse machen wie in den Bestandsgebäuden insgesamt. Es steht ja auch im Entwicklungsplan, dass es nichts bringt, die Augen zu verschließen, sondern dass man auch in Bestandsgebäude investieren muss. Auch an das Kreishaus muss man ran. Irgendwann muss man investieren, ansonsten muss man eines Tages alles neu machen. Und das wird mit Sicherheit teurer
Ein Diskussionspunkt im Vorfeld Ihrer Benennung war, dass Sie fachfremd sind.
Das ist richtig. Ich habe kein technisches Studium.
Wie wollen Sie diese Vorbehalte ausmerzen?
Ich bin da nicht naiv oder blauäugig. Aber ich konnte in den letzten zehn Jahren meiner Führungstätigkeit auch Erfahrung sammeln und habe Bauvorhaben und Sanierungsmaßnahmen begleitet, zuletzt die Dienststelle in Voerde. Wichtig ist, dass man die richtigen Fragen stellt.
Was müssen Sie jetzt als allererstes tun?
Der Entwicklungs- und Sanierungspfad ist ein großes Paket. Die erste Aufgabe besteht darin, dieses Paket zu öffnen und in kleinere Pakete zu zerlegen. Dann muss man mit den beteiligten Personen festlegen, wie man vorgeht, z.B. was priorisiert wird, wer welche Aufgabe und Funktion bei Abarbeitung der Pakete haben wird. Für mich ist wichtig, dass wir eine Struktur und auch Klarheit bekommen. Für jedes Projekt. Das wird die Hauptaufgabe sein.
Gab es denn bislang keine Strukturen?
Strukturen sind natürlich gegeben. Aber ich habe eine andere Herangehensweise an Organisation, an Kommunikation und damit letztlich an die Strukturen. Und natürlich möchte ich bei Übernahme einer solchen Aufgabe auch meine Handschrift hinterlassen.