Kreis Wesel. Weckmann oder Stutenkerl – wie heißt das Gebäck denn nun? Im Kreis Wesel gibt es unterschiedliche Namen und eine fließende Grenze.

Sie liegen jetzt wieder in den Bäckereien: Süße Brote, geformt wie die Figur eines Menschen, mit der einen Hand umschließen sie gerne eine Pfeife aus Ton, die andere steckt lässig in der Tasche. Die Rede ist? Na klar, von Weckmännern – oder doch von Stutenkerlen? Die Frage lässt sich gar nicht so einfach beantworten, denn im gesamten Rheinland hat (oder hatte) das Gebäck mehr als 50 unterschiedliche Bezeichnungen, das haben Sprachwissenschaftler ermittelt. Durch den Kreis Wesel verläuft dabei eine fließende Grenze in der Namensgebung.

Grundsätzlich ist Nordrhein-Westfalen beim süßen Gebäck, das in der Martins- und Adventszeit beliebt ist, ein geteiltes Land mit historischen Grenzen: Im Rheinland dominiert der Weckmann – in Westfalen ist der Stutenkerl am weitesten verbreitet. Zwischen den beiden sprachlichen Dominatoren existieren bis heute viele Bezeichnungen, die ausschließlich in bestimmten Regionen verwendet werden. „Die Wörter stammen aus Dialekten, die nur sehr regional begrenzt gesprochen worden sind. Deshalb haben sie sich auch nur sehr kleinräumig verbreitet“, hat der Wissenschaftler Georg Cornelissen, der viele Jahre die Abteilung Sprachforschung beim LVR-Institut für rheinische Landeskunde und Regionalgeschichte geleitet hat, einmal herausgefunden. Vor einigen Jahren haben er und sein Team eine Umfrage im Rheinland gemacht und nach Namensvarianten für das Hefegebäck gefragt. Die Sammlung umfasst eine Vielzahl von Variationen.

Durch den Kreis Wesel verläuft eine Sprachgrenze

Für Sprachforscher wie Cornelissen ist das Gebäck ein spannendes Feld – daran lassen sich Sprachwandel und Sprachgrenzen wunderbar aufzeigen. Deswegen hat der Landschaftsverband Rheinland der beliebten Süßspeise auch einen eigenen Eintrag in seinem Online-Wörterbuch „Dat Portal“ gewidmet, samt einer Karte mit den bei der Umfrage festgestellten Namensvarianten.

Dabei fällt die verschwimmende Grenze genau auf, die durch den Kreis Wesel verläuft. So dominiert auf der linken Rheinseite ganz klar der Weckmann: Er ist beispielsweise in Rheinberg, Kamp-Lintfort und Moers demnach die am häufigsten genannte Bezeichnung für das Gebäck, in Sonsbeck dominiert er sogar durchgehend. In Alpen findet sich sogar noch eine weitere Bezeichnung, die sonst nirgendwo im Kreis geläufig ist: Hier gibt es Menschen, die den Weckmann auch als Kloskerl kennen. Der Blick auf die andere Rheinseite offenbart: In Dinslaken, Voerde, Hünxe, Schermbeck und Hamminkeln dominiert der Stutenkerl – hier macht sich also schon der Einfluss des nahen Westfalen bemerkbar. In Wesel ist die Alltagssprache geteilt, der Weckmann kommt den Ergebnissen zufolge etwas häufiger vor.

Stutenkerl oder Weckmann: Die Grenzen verschwimmen

In den vergangenen Jahren haben es die sprachlichen Eigenheiten immer schwieriger, viele regionale Bezeichnungen drohen zu verschwinden – am Ende könnten nur noch Weckmann und Stutenkerl übrig bleiben. Und die Grenze zwischen Rheinland und Westfalen weiter verwischen, das liegt auch an den Marktentwicklungen der Branche. So ist der ur-westfälische Stutenkerl bereits tief ins Rheinland vorgedrungen, etwa weil eine Großbäckerei dort eine Filiale betreibt, ihren Sitz aber in Westfalen hat. Gar von einer „Invasion“ der Stutenkerle war schon einmal die Rede.

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Und nicht nur die Sprache verändert sich, wie Johannes Gerhards, Obermeister der Bäckerinnung im Kreis Wesel festgestellt hat. „Der Weckmann hat traditionell eine Pfeife, die wollten viele Kunden aber gar nicht mehr haben“, sagt Gerhards, der viele Jahrzehnte eine Bäckerei in Kamp-Lintfort betrieben hat. Dort sind zu den Martinszügen eher Brezeln im Umlauf, noch so eine regionale Tradition. Weil das beispielsweise auch in Essen so ist, vermutet Gerhards einen Zusammenhang mit der Bergmannsgeschichte.

Geschmacklich gibt es übrigens keinen generellen Unterschied zwischen Weckmann und Stutenkerl. Allerdings habe jede Bäckerei ihr eigenes Rezept, einheitliche Vorgaben für das Gebäck sind nicht vorhanden, so Gerhards. „Manchmal wird es auch mit Rosinen angeboten.“ Hauptsache süß.

Hintergrund: Diese Namen für das Gebäck gibt es noch

  • Die Karte des Landschaftsverbandes Rheinland basiert auf einer Fragebogenaktion, bei der es um das regionale Alltagsdeutsch oder um den „Regiolekt“, also nicht um den Dialekt, ging. Es tauchen auch einige seltene Begriffe auf, die nur regional begrenzt vorkommen. Neben dem Kloskerl sind das etwa der Buckmann (Kreis Viersen), der Hirzemann (in der Region bei Bonn), der Klosmann (bei Kleve) oder der Puhmann (ausschließlich in Mülheim an der Ruhr).