Kreis Wesel/Kreis Kleve. Die Telefonseelsorge Niederrhein ist seit 40 Jahren für die Menschen im Kreis Wesel in Notsituationen da. Was sich in dieser Zeit verändert hat.

Zu erreichen, dass sich der verzweifelte Anrufer oder die Anruferin verstanden fühlt und es trotz der Not gelingt, einen Kontakt zum Hilfesuchenden herzustellen – das sind so besondere Momente für eine ehrenamtliche Mitarbeiterin in der Telefonseelsorge Niederrhein-Westmünsterland. Die Weselerin möchte anonym bleiben. Pfarrer Dirk Meyer, er leitet die Seelsorge, macht deutlich: Die Anonymität ist eine wichtige Leitlinie – auf beiden Seiten.

Wer ein Beratungs- oder Seelsorgegespräch in dieser Region sucht, muss seinen Namen nicht nennen, auch die Angerufenen am anderen Ende der Leitung bleiben anonym, genauso wie der Ort an dem sie sich aufhalten. „Der Schutz der einzelnen Personen steht an erster Stelle“, so Meyer. Seit 40 Jahren leisten sie an diesem Ort ehrenamtliche Seelsorgearbeit für Menschen in den Kreisen Wesel, Kleve und Borken. Kürzlich hat die Telefonseelsorge mit rund 100 ehrenamtlich Mitarbeitenden ein Jubiläum gefeiert. Mehr als 18.000 Anrufe aus der Region gehen hier im Jahr ein.

Inzwischen geht es nicht nur um die telefonische Seelsorge, auch der geschriebene Austausch rückt in den Fokus. Seit 17 Jahren ist der Kontakt auch per E-Mail möglich, im kommenden Jahr soll eine Chat-Funktion eingeführt werden, sagt Dirk Meyer. Am Anfang habe es auch mal nur zwei Anrufe innerhalb eines vierstündigen Dienstes gegeben, berichtet die Seelsorgerin aus Wesel, die seit 26 Jahren dabei ist. Doch dann kam das Mobiltelefon. Die Zahl der Anrufe stieg.

Telefonseelsorge: Themen wie Corona und der Ukraine-Krieg wirken sich aus

Und gibt es auch thematisch Unterschiede zu früher? Einsamkeit, Zukunftsängste, Beziehungsprobleme: „Die Sorgen und Nöte der Menschen haben sich nicht wesentlich geändert“, weiß Dirk Meyer. Allerdings machen sich auch aktuelle Themen bemerkbar. War es zuletzt die Corona-Pandemie, die Isolation oder auch die Sorge vor der Impfung, so sind es jetzt die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine – mit der Energiearmut und den wirtschaftlichen Folgen. „Finanzielle Sorgen oder Existenzängste nehmen zu. Das ist jetzt schon spürbar.“

Ein wichtiger Teil der Arbeit – wenn auch nicht der überwiegende – ist und bleibt die Suizidprävention. Aus ihr heraus sei die Telefonseelsorge einst gegründet worden, sagt die stellvertretende Leiterin Karin Hante. Die Seelsorger würden bei bestimmten Signalen das Thema direkt ansprechen, berichten die Leiter der Telefonseelsorge. „Um es aus dem Tabu herauszuholen, es sprachfähig zu machen“, sagt Hante. Das schaffe auch Entlastung, zumal es nicht im Familien- oder Bekanntenkreis angesprochen werde, sondern bei einer neutralen Person.

Es sei kein Telefon, das sich nur an bestimmte Gruppen oder Konfessionen richtet, betont Dirk Meyer. Jeder könne sich an die Telefonseelsorge wenden. Priorisiert gehen Anrufe aus der Region ein. Im Sinne der Erreichbarkeit werde aber mitunter an Kooperationspartner aus dem Ruhrgebiet weitergeleitet. Trotzdem könne es schon mal etwas dauern, Dirk Meyer bittet daher um etwas Geduld, wenn jemand das Angebot wahrnehmen möchte.

Ausbildung bei der Telefonseelsorge dauert 15 Monate

Die Mitarbeitenden der Telefonseelsorge durchlaufen eine rund 15-monatige Ausbildung. Dabei gehe es um verschiedene Themenbereiche wie Gesprächsführung, Spiritualität, Selbstreflexion, die Einführung in psychische Erkrankungen oder eben das Thema Suizid. Wertvoll sei die Hospitationszeit bei anderen Mitarbeitenden in der Telefonseelsorge, betont die Seelsorgerin aus Wesel.

Begleitet werde die Tätigkeit – in der Regel sind es drei Dienste à vier Stunden im Monat – von einer verpflichtenden Supervision und entsprechenden Fortbildungen, auch für die psychische Hygiene der Ehrenamtlichen. Denn es gehöre auch zur Arbeit eines Seelsorgers, sich zurückzunehmen und auszuhalten, dass sich bei dem Hilfesuchenden auch mal nichts oder nur ganz wenig verändert.

Die Seelsorger nehmen ihre ehrenamtliche Tätigkeit als bereichernd wahr: „Ich habe mindestens so viel bekommen, wie ich an ehrenamtlicher Tätigkeit mitgegeben habe“, sagt die Weselerin.

Telefonseelsorge Niederrhein-Westmünsterland – hier gibt es Infos:

  • „Aus Worten können Wege werden“ – so lautet der Leitsatz der Telefonseelsorge Niederrhein-Westmünsterland: Rund um die Uhr, an 24 Stunden, 365 Tage im Jahr, ist sie kostenfrei erreichbar für alle: 0800/1110111 oder 0800/1110222. Wer hier anruft, kann mit einer unbefangenen, qualifizierten und verschwiegenen Person sprechen, sich über weitere Hilfsangebote und -möglichkeiten informieren. Weitere Infos etwa zur Mailberatung gibt es online: www.telefonseelsorge-niederrhein.de.
  • Die Telefonseelsorge sucht auch ehrenamtlich Tätige. Jedes Jahr im September beginnen dafür die Ausbildungsgruppen. Wer sich dafür interessiert, kann sich informieren und bewerben: 0281/156 141 oder info@telefonseelsorge-niederrhein.de