Kreis Wesel. Es ist heiß und Regen fehlt. Das wirkt sich auf die Gewässer und den Grundwasserspiegel im Kreis Wesel aus. Wie Experten die Lage einschätzen.

Der Blick auf die Wettervorhersage zeigt: Es bleibt trocken – und noch dazu sollen die Temperaturen deutlich ansteigen. Ein typischer niederrheinischer Landregen würde der Natur im Kreis Wesel sehr gut tun. Aber davon ist nichts zu sehen. Im benachbarten Kreis Borken ist es seit einigen Tagen bereits verboten, Wasser aus oberirdischen Gewässern – also Seen, Bächen, Flüssen – zu entnehmen. Der Grund: Niedrige Wasserstände und die Erwärmung bedrohen die Lebensgrundlage von Tieren und Pflanzen, ein Abpumpen wäre eine zusätzliche Belastung, Verstöße werden mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro geahndet,heißt es in einer Pressemitteilung. Auch im Kreis Wesel macht sich die Trockenheit in den Gewässern bemerkbar.

Laut Auskunft der Pressestelle der Emschergenossenschaft/ Lippeverband führt die Lippe aufgrund der Wärme und Trockenheit wenig Wasser. „Aber die Situation ist zurzeit für Pflanzen und Tiere nicht gefährlich, da die Wassertemperatur sich weiter in einem ungefährlichen Bereich bewegt und auch der Sauerstoffgehalt des Flusses weiterhin unbedenklich ist“, heißt es.

Isselverband: „Fischsterben ist nicht auszuschließen“

Anders nimmt das derzeit Hans-Georg Haupt, Vorsitzender des Isselverbands, wahr: Die Issel führe zu wenig Wasser, es stehe an einigen Stellen wie in einer Badewanne, sei sauerstoffarm. Eine besonders gefährliche Situation für die Tiere.„Ein Fischsterben ist nicht auszuschließen“, sagt Haupt. In den vergangenen Jahren waren in Hamminkeln etwa Angler im Einsatz, um die Fische aufgrund der Trockenheit umzusetzen.

Aber nicht nur die Fische leiden und sind eingeschränkt. „Die Verkrautung wächst bei diesen Bedingungen schneller“, so Haupt, der erläutert, dass zugleich aufgrund des niedrigen Wasserstandes schwierig sei, das Mähboot einzusetzen. Die Verkrautung müsse entfernt werden, damit etwa im Falle von Starkregen der Abfluss nicht blockiert werde, erläutert Haupt das Dilemma. Und eine weitere wichtige Aufgabe wird erschwert: die Versorgung der landwirtschaftlichen Flächen. Auch hier helfe die Issel für gewöhnlich durch das Anheben des Grundwassers.

Lineg: Einige Pegel sind bereits trocken gefallen - Zu wenig Niederschlag

Wie stellt sich die Situation auf der linken Rheinseite dar? Noch sei es nicht ganz so kritisch, aber allmählich beginnen die Alarmglocken zu klingeln, sagt Gesa Amstutz, Geschäftsbereichsleiterin Wasserwirtschaft bei der Linksrheinischen Entwässerungs-Genossenschaft (Lineg). Die Trockenheit zeige sich etwa beim Planckendickskendel nördlich von Neukirchen-Vluyn. Einige Gewässerbereiche seien im Zuständigkeitsbereich der Lineg bereits trocken gefallen, Amstutz rechnet mit weiteren Gewässern, bleibt es so trocken wie vorhergesagt.

Das Foto zeigt den Altfeldgraben, ein Gewässer in Kamp-Lintfort.
Das Foto zeigt den Altfeldgraben, ein Gewässer in Kamp-Lintfort. © Lineg

Sie hat Zahlen parat, die den dringend benötigten Regen verdeutlichen: Der mittlere Jahresniederschlagswert im Bereich der Lineg liege bei 780 Millimetern, aktuell gebe es ein Defizit von 120 Millimetern. Schaue man auf die Wert von 2018 bis heute, mache das gar ein Defizit von 370 Millimetern aus – die Jahre 2018 bis 2020 seien extrem trocken gewesen. „Das ist schon einiges“, ordnet Gesa Amstutz ein.

Was hat das für Folgen? „Die Ökologie leidet natürlich, wenn sie das auch eine gewisse Zeit gut verkraften kann.“ In Städten mahcten sich die trockeneren Gewässer durch eine fehlende Kühlung bemerkbar, etwa beim Moersbach. Aber der falle so schnell nicht trocken, sagt die Expertin. Aber auch der Grundwasserspiegel – ebenfalls abhängig vom Regen – beginne wieder zu fallen, sodass Gartenbrunnen austrockneten und das Wasser der Landwirtschaft fehle.

Rhein-Pegel fällt weiter – Schmelzwasser wird bald fehlen

Und der Rhein? Wasserexperten unter anderem aus den Niederlanden warnen bereits vor historisch niedrigen Wasserständen im Spätsommer und den Folgen. Auch beim Messpunkt Wesel zeigt sich ein Absinken des Wasserstandes – von vergangenem Donnerstag 2,28 Meter (Stand 13 Uhr) auf 1,94 Meter am Mittwoch. Die Schifffahrt sei bislang nicht beeinträchtigt, es könne nur weniger beladen werden, heißt es aus dem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt. Damit bewege sich der Pegel noch im normalen, wenn auch unteren Bereich der mittleren Wasserstände der vergangenen Jahre. Doch auch beim Rhein ist damit zu rechnen, dass der Pegel weiter fällt. Noch profitiere der Fluss vom Schmelzwasserabfluss, der bis in die Sommermonate andauere, doch der höre bald auf. Dann ist auch der Rhein auf Niederschlag angewiesen: „Das ist die Natur. Da haben wir keinen Einfluss“, sagt Hydrologe Jan Böhme.

Hintergrund: Niederschlagsdefizit - Kreis Wesel prüft Maßnahmen

Der Kreis Wesel informiert auf Nachfrage, dass die Entnahme von Wasser aus oberirdischen Fließgewässern für die Bewässerung von Feldern und Gärten hier grundsätzlich erlaubt ist, solang sie mit Handschöpfgeräten erfolge. Entnahmen von Wasser aus Oberflächenfließgewässern mittels Pumpen seien nur mit einer gültigen wasserbehördlichen Erlaubnis gestattet. Die Untere Wasserbehörde stimme hier aber aufgrund der Gegebenheiten im Sommer seit einigen Jahren nicht zu.

Der Kreis Borken sei aufgrund regionaler Unterschiede aktuell stärker von Niederschlagsdefiziten betroffen als der Kreis Wesel. Vor diesem Hintergrund sei hier bislang keine Allgemeinverfügung erlassen worden. „Dennoch werden vor dem Hintergrund des aktuellen und gegebenenfalls noch folgenden Niederschlagsdefizites in diesem und den nächsten Jahren eine entsprechende Allgemeinverfügung, andere ordnungsrechtliche Maßnahmen bis hin zu weiteren Aufklärungsgesprächen in Hinblick auf Oberflächengewässer- und Grundwasserentnahmen geprüft und bei Bedarf umgesetzt.“