Kreis Wesel. Der Klimawandel hat auch am Niederrhein bereits Spuren hinterlassen. Matthias Kleinke von der Hochschule Rhein-Waal erklärt, welche das sind.

Matthias Kleinke ist an der Hochschule Rhein-Waal Professor für Umwelttechnik. Im Gespräch mit der Redaktion erklärt er, welchen Einfluss der Klimawandel bereits auf das Leben am Niederrhein hat und was wir tun müssen.

Wo ist der Klimawandel am Niederrhein bereits besonders sichtbar?

Matthias Kleinke: Grundsätzlich haben wir schon eine Veränderung, die sich nicht mehr aufhalten lässt.

Inwiefern?

Die globale Erwärmung wird weiter voranschreiten. Aber wir müssen den Anstieg beeinflussen, um nicht in die Katastrophe zu laufen. Ich bin zwar weit davon entfernt, die Flinte ins Korn zu werfen, aber wir werden mit den Folgen des Klimawandels leben müssen.

Welche sind das?

In den letzten drei Jahren war es deutlich zu trocken. Auf der anderen Seite haben wir immer mehr Starkregenereignisse. Es sind die Extreme, die uns weiter beschäftigen werden. Die Trockenheit hat Auswirkungen auf die Landwirtschaft, die Erwärmung verlängert die Vegetationsperiode, Flora und Fauna verändern sich. Darauf müssen wir uns einstellen.

56,04 Prozent der Befragten glauben an einen unmittelbaren Einfluss des Klimawandels auf ihr Leben.
56,04 Prozent der Befragten glauben an einen unmittelbaren Einfluss des Klimawandels auf ihr Leben. © funkegrafik nrw | Anda Sinn

Wie?

Nehmen wir zum Beispiel die Wälder. Es gibt Baumarten, die mit der Trockenheit nicht so gut klarkommen. Wenn diese ohnehin schon angeschlagen sind, sind sie empfänglicher für Krankheiten und Schädlinge wie zum Beispiel den Borkenkäfer. Da müssen wir reagieren. Zum Beispiel brauchen wir viel mehr Mischwälder und keine Monokulturen.

Warum?

Weil mehrere Bäume gleicher Art eine hohe Anziehungskraft auf den Borkenkäfer haben. In Mischwäldern kann sich der Borkenkäfer nicht so schnell und weit verbreiten, weil es Baumarten gibt, denen der Schädling weniger zu schaffen macht. Anders als beispielsweise die Fichte, die bekanntlich sehr anfällig für den Borkenkäfer ist.

Wie sieht es mit der Landwirtschaft aus?

Auch da ist die Trockenheit natürlich ein Problem. Die Frage ist, wie man das Wasser besser in der Landschaft hält.

Und wie?

Zum Beispiel beschäftigen sich einige Projekte damit, wie man das im Winter gesammelte Wasser für den Sommer speichern kann. Klar ist aber auch, dass nicht jeder landwirtschaftliche Betrieb dazu in der Lage sein wird. Deshalb brauchen wir individuelle Lösungen. Außerdem wird sich die Landwirtschaft beim Anbau auch auf Sorten konzentrieren müssen, die besser mit der Trockenheit klarkommen. Und da denke ich nicht an Weinanbau am Niederrhein.

Sondern?

Auch bei den klassisch angebauten Pflanzenarten wie Weizen, Zuckerrüben oder Mais gibt es Sorten, die toleranter gegenüber Trockenheit sind. Auch da wird es Veränderungen geben müssen.

82,52 glauben, sie könnten mehr für den Klimaschutz tun.
82,52 glauben, sie könnten mehr für den Klimaschutz tun. © funkegrafik nrw | Anda Sinn

Welche Folgen hat der Klimawandel für die Fauna am Niederrhein?

Hier gibt es verschiedene Einflüsse, als Folge des Klimawandels werden verstärkt Arten auftreten, die wärmere Gegenden bevorzugen. Der Grünspecht ist da ein Beispiel. Die Folgen einer überzogenen intensiven Landnutzung auf das Insektensterben hat bereits die Krefelder Studie aufgezeigt. Das wirkt sich auch auf die Singvogelpopulation aus. Den dramatischen Rückgang der Biodiversität müssen wir unbedingt stoppen. Dafür müssen wir aber unser Verhalten ändern.

Was müssen wir tun?

Wir müssen für uns überlegen, welche Auswirkungen unser Handeln auf die Natur hat und in eine Balance bringen, mit der wir leben können. Wir werden den Niederrhein nicht zu einem Nationalpark machen können. Aber wir können versuchen, einen besseren Ausgleich zwischen der Natur und menschlichen Bedürfnissen zu schaffen. Klar ist aber auch: Unser Leben ist noch lange nicht nachhaltig! Nur weil ich zwischendurch den Bus nehme, bin ich noch lange nicht umweltbewusst. Essen, Fortbewegung, Tourismus, Industrie - alles muss neu gedacht werden.

Haben Sie Hoffnung, dass es gelingt?

Ich glaube, dass es schwierig ist. Der Mensch denkt zunächst einmal an sich. Darum braucht es auch gesamtgesellschaftliche Regelungen, um den Bewusstseinsbildungsprozess zu unterstützen. Und das weltweit. Solange wir aber aufeinander schießen und Kriege führen, hat der Klimaschutz keine Chance. Trotzdem ist es wichtig, dass wir uns bewusst werden, wie der Weg in ein klimabewusstes Leben gelingen kann.