Kreis Wesel. Erst die Pandemie, jetzt getrübtes Konsumverhalten: Handelsverbands-Geschäftsführerin im Kreis Wesel über Probleme mit „nie dagewesenen Ausmaß“.
Es war Februar, als der Handel auch im Kreis Wesel wieder aufatmen konnte: Viele Corona-Maßnahmen unter anderem die 2G-Regelung sollten wegfallen, der Frühling stand vor der Tür – man hoffte auf eine Wiederbelebung der Innenstädte. Doch dann griff Russland die Ukraine an. Die Preissteigerungen als Folge treffen die Unternehmen auch im Einzelhandel gepaart mit den Nachwirkungen der Pandemie, Lieferengpässen und dem Fachkräftemangel in einem „nie dagewesenen Ausmaß“, sagt Doris Lewitzky, Geschäftsführerin des Handelsverbands Niederrhein, im Gespräch mit dieser Redaktion. Es sei schlimmer als Corona, die Stimmung sei insgesamt schlecht.
Denn die Sorge wegen der Energiepreise wirke sich auf das Konsumverhalten aus. „Der Kunde ist zurückhaltend“, sagt Lewitzky. Die aktuelle Krise treffe alle Verbraucher, diese seien grundsätzlich vorsichtig. Heißt: Vor allem die nicht dringend notwendigen Artikel oder Luxusartikel fallen hintenüber. Den Online-Handel tangiere das nun gleichermaßen. Selbst der Lebensmittelbereich – laut Lewitzky ein Gewinner der Corona-Pandemie – spüre die Einbußen. Es werde weniger gekauft, der Kunde achte genauer auf den Preis.
Doris Lewitzky: „Unklar ist auch, wie lange das andauert“
Es sei ein Strauß von Herausforderungen, den Lewitzky so in den vielen Jahren, die sie die Branche kennt, laut eigener Aussage noch nicht erlebt hat. Die Kosten steigen, der Kunde kauft weniger – und dazu sind die Rücklagen durch die Corona-Pandemie aufgezehrt. „Unklar ist auch, wie lange das andauert“, so Lewitzky.
Finanzielle Unterstützung sei daher wünschenswert, betont die Geschäftsführerin. Von dem Entlastungspaket – zum Beispiel wird das Bahnfahren durch das 9-Euro-Ticket günstiger – erhofft sie sich zumindest einen kleinen Schub für das Konsumverhalten. Bundesweit seien 16.000 Geschäfte in diesem Jahr von einer Insolvenz bedroht. Genaue Zahlen für den Kreis Wesel kann die Geschäftsführerin des Handelsverbands nicht nennen – die regionale Abfrage der Unternehmen sei dafür nicht aussagekräftig genug.
Schon länger seien die Lieferengpässe ein Problem, so Lewitzky. Vor allem elektronische Waren seien betroffen. Außerdem seien die Preise für Container in die Höhe gestiegen. Der Handel könne die Preise nicht eins-zu-eins an den Kunden weitergeben. Immerhin: Da zumindest Shanghai nun vorsichtig die Corona-Maßnahmen lockert, besteht hier die Hoffnung, dass sich diese Situation zumindest etwas normalisiert, so Lewitzky.
Weitere Herausforderung für Handel im Kreis Wesel: Es fehlen Fachkräfte
Es kommt aber noch eine weitere Herausforderung hinzu: der Fachkräftemangel. Bewerbungen blieben aus oder seien fachlich nicht passend, oft würden Einstellungen auch revidiert, berichtet Lewitzky von dem, was sie von den Händlern am Niederrhein weiß. Dabei könne der stationäre Einzelhandel sich mit der Beratung vor Ort vom Online-Geschäft absetzen – doch dafür braucht es laut Lewitzky Fachkräfte, die für ihre Beruf brennen. Es komme einfach zu wenig nach.
Das wirkt sich auch auf die Ausbildung aus. Auch die Agentur für Arbeit verwies kürzlich auf offene Ausbildungsstellen im Kreis Wesel, darunter auch welche im Handel. Eigentlich sei die Branche immer recht beliebt, so Doris Lewitzky. Aber möglicherweise gebe es nun Bedenken, ob sie wirklich zukunftssicher sei. Dabei würde sie gute Aufstiegsmöglichkeiten in der Praxis bieten, versucht Lewitzky zu werben.