Kreis Wesel. Genaue Technik, härtere Strafen: Überhöhte Geschwindigkeit ist eine der Hauptunfallursachen. Die Polizei im Kreis Wesel berichtet aus der Praxis.
Das Videobild zeigt ein vorausfahrendes Motorrad, das gelegentlich ein Fahrzeug überholt. Es ist kein Ton zu hören. Wer allein dieses Bild sieht, würde nicht ahnen, was klein unten rechts eingeblendet steht: 190 Stundenkilometer. Der Motorradfahrer lehnt sich in der Kurve zur Seite. Gefilmt wird allerdings keine Rennsituation, auch keine Autobahnfahrt, sondern eine Szene auf einer Landstraße in Hamminkeln. Verfolgt hat sie Ramon Lange, der bei der Polizei seit 2006 Teil einer Einheit ist, die mit einem sogenannten ProVida-Fahrzeug im Kreisgebiet Verkehrsteilnehmer mit besonders hoher Geschwindigkeit im Fokus hat.
Kreispolizei: „Wir fahren nicht um jeden Preis hinterher“
„ProVida“ steht für Proof Video Data System, eine Technik, die beweissichere Videoaufnahmen machen kann. Eingesetzt wird sie bei der Kreispolizei Wesel, um schwerwiegende Verstöße im Straßenverkehr zu ahnden, wie Polizeihauptkommissar Ramon Lange erläutert. Mit ihr kann die Polizei den genauen Abstand, die Durchschnittsgeschwindigkeit oder riskante Überholmanöver dokumentieren – „alles, was zu schweren Verkehrsunfällen führen kann.“ Neu ist diese Technik nicht, sie wurde zunächst auf Autobahnen eingeführt. Später kam sie dann auch auf Landstraßen zum Einsatz – zunächst vor allem mit einem Fokus auf Motorradfahrer. Seit 2002 setzt die Kreispolizei diese Technik ein, inzwischen in einem Auto und einem Motorrad. Rund 3000 Verstöße könne die Polizei jährlich damit ahnden, überschlägt Lange.
Gefilmt werde nur anlassbezogen. Ramon Lange stellt dabei heraus: „Das Fahrzeug allein nützt aber nicht, taktisches Fahren ist das A und O.“ Ortskenntnis und Erfahrung seien wichtig. Denn die Polizei ist bei ihrer Verfolgung ebenfalls mit extrem hohen Geschwindigkeiten unterwegs, die eigene Geschwindigkeit werde auf das vorausfahrende Fahrzeug mit Hilfe der Videobilder projiziert. Der Polizeihauptkommissar betont: „Wir fahren nicht um jeden Preis hinterher.“ In dem Video auf der Landstraße in Hamminkeln ist später zu sehen, dass sich das filmende Fahrzeug zurückfallen lässt. Staub wird durch einen vorbeifahrenden Traktor aufgewirbelt, Fahrradfahrer sind an der Seite zu sehen, die Situation ist unübersichtlich. „Zur Not zieht er halt weg“, so Lange, der auf das jährliche Hochgeschwindigkeitstraining verweist, dem er und seine Kollegen sich unterziehen, um das Fahrzeug sicher bewegen zu können. Die höchste Messgeschwindigkeit, die er je erlebt hat? 237 Stundenkilometer auf einer Bundesstraße.
Inzwischen gibt es härtere Urteile und Strafen
Der Großteil des Klientels, das Lange und sein Team verfolgen, gehöre nicht zur Raser- oder Autotuner- und Poser-Szene. „Eine etablierte Raserszene gibt es hier nicht“, sagt Bastian Ufermann, Leiter der Verkehrsdirektion. Zu illegalen Autorennen kam es in der Vergangenheit aber dennoch wie etwa der tödliche Unfall in Moers 2019 auf tragische Weise gezeigt hat, oder wie auch Videoaufnahmen aus 2017 dokumentieren. Zu sehen sind zwei nebeneinanderstehende Fahrzeuge an einer roten Ampel. Das Spielen mit dem Gas sei zu hören gewesen, erinnert sich Lange, dann lieferten sich die beiden Pkw ein Rennen von der B8 kommend stadteinwärts nach Wesel – innerorts zeitweise mit mehr als 125 Stundenkilometern.
Die Sanktionsmöglichkeiten waren für Ramon Lange 2017 in Wesel noch begrenzt. Ahnden konnte er das Verhalten der Fahrer damals nur mit einem Ordnungswidrigkeitsverfahren. Inzwischen seien die Strafen und Urteile härter geworden, wie auch Pressesprecher Reuters sagt. Die Polizeibeamten verweisen auf das Einführen des Verbotenen Kraftfahrzeugrennens im Paragrafen 315d im Strafgesetzbuch. Auch der Motorradfahrer aus Hamminkeln hat die härteren Strafen zu spüren bekommen. Ihn konnte die Polizei später an der Wohnadresse stellen: Der Führerschein war für 18 Monate weg, das Fahrzeug wurde später nach Richterentscheid versteigert. Mit Geldstrafe habe den Motorradfahrer die Raserei so rund 15.000 Euro gekostet, führen die Polizeibeamten aus. Das soll abschrecken.
Poser- und Tunerszene im Kreis Wesel
- Wie berichtet, kontrollierte die Kreispolizei kürzlich wieder die Poser- und Tunerszene im Kreisgebiet. Zwar geht es vordergründlich hierbei nicht ums Rasen. Einige Fahrer wollen ihre veredelten Fahrzeuge vor allem zur Schau stellen, andere sind mit hochpreisigen Fahrzeugen mit leistungsstarken Motoren unterwegs.
- Beliebte Treffpunkte sind in der Vergangenheit etwa an der Dinslakener Trabrennbahn, an der alten Rheinbrücke in Wesel, am Parkplatz der Hochschule in Kamp-Lintfort sowie am Neuen Wall in Moers zu beobachten gewesen, heißt es von der Polizei.
- Durch Kontrollaktionen habe diese Szene allerdings zurückgedrängt werden können, so Ramon Lange.