Millingen/Kranenburg. Stickstoffkrise, Nitratbelastung, Umweltschutz - ein deutscher und ein niederländischer Bauer vergleichen ihre Arbeitsbedingungen.

Tom Coerwinkel (29) aus Millingen aan de Rijn und Stephan van de Sand (31) aus Kranenburg-Niel sind zwei Landwirte, die seit vielen Jahren beiderseits der Grenze arbeiten. Sie machen sich Sorgen über die Entwicklungen im Agrarsektor und über die zunehmenden Beschränkungen. „In 20 Jahren wird es nur noch die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebe geben“, sagt Tom Coerwinkel.

Die Höfe der Landwirte liegen nicht weit auseinander, beide Bauern bewirtschaften Milchkühe und Hühner und auch ihre Betriebsgröße ist vergleichbar. Die beiden kennen sich seit vielen Jahren, treffen sich regelmäßig, um sich auszutauschen und ein Bierchen zu trinken – zum Beispiel auf der Kirmes in Wyler.

Andere Grenzwerte für Stickstoff

„So habe ich von Stephan gelernt, dass man den Kühen am Besten jeden Tag frisches Gras geben sollte“, erzählt Coerwinkel. „Frisches Gras ist besser als Silage und viel günstiger als Kraftfutter. Ich mache dies allerdings nicht mehr, weil es für mich zu arbeitsintensiv ist.“ Niederländische Landwirte seien mehr gestresst, arbeiten aber effizienter als die deutschen Kollegen, findet Coerwinkel.

Bauernproteste in den Niederlanden

In den Niederlanden gibt es heute große Proteste der Landwirte zu den angekündigten, strengen Stickstoff-Auflagen der Regierung in Den Haag (wir berichteten).

Die Bauern blockierten in der Provinz Gelderland die Verteilzentren von großen Supermarktketten und drohten, diese auch mehrere Tage lang besetzen zu wollen. Die Supermarktkette Albert Heijn hat bereits den Auslieferungsservice eingestellt.

In Deutschland sei das Stickstoffproblem weniger akut, sagt Stephan van de Sand. „Die Grenzwerte, die wir ausstoßen dürfen, sind 150 mal höher als in den Niederlanden: 0,05 in den Niederlanden, 7,1 in Deutschland.“ Im Kreis Kleve werde hingegen Weideland von der Naturschutzorganisation Nabu aufgekauft, die das Geld vom Bundesland NRW und von Brüssel erhalte. „Diese Weiden dürfen dann nur noch extensiv bewirtschaftet werden. Wir dürfen also ab dem 15. Juni nicht mehr mähen und keine Gülle mehr fahren. Von solchen Flächen hat ein Landwirt eigentlich nichts mehr. Und das alles geschieht, um die Uferschnepfe zu schützen, aber zurzeit profitieren die Tiere davon absolut nicht.“

Stickstoff ist das Hauptproblem für niederländische Landwirte

Stickstoff ist allerdings das Hauptproblem von Tom Coerwinkel. „Es gibt zwei Natura-2000-Gebiete in unserer Nähe: die Millingerwaard und die Rijnstrangen. Wir haben die Stickstoffkarten der Regierung uns schon zigmal angesehen, aber es ist uns immer noch nicht klar, welche Folgen die neuen Auflagen für uns haben werden. Im schlechtesten Fall müssen wir unseren Stickstoffausstoß um 75 Prozent reduzieren und das ist völlig unrealistisch. Den Stickstoffausstoß der Hühner haben wir in den vergangenen Jahren bereits stark reduzieren, indem wir den Mist getrocknet haben.“

Zwei Kühe je Hektar

Die Einschränkungen durch die Millingerwaard sind für die Coerwinkels eine echte Belastung: „Unsere Kühe haben einst im Deichvorland gegrast. Bei einer Flurbereinigung in den 90er Jahren wurden diese Ländereien getauscht gegen Weideflächen im Deichhinterland. Aber jetzt holt uns der Naturschutz doch wieder ein.“

Die Regeln für Landwirte in Deutschland und in den Niederlanden würden sich deutlich unterscheiden. In den Niederlanden gibt es Milchquoten und Phosphatrechte. Van de Sand: „Bei uns gilt, dass man landwirtschaftlich arbeiten darf, wenn man Land besitzt. Natürlich benötigt man Genehmigungen. Auf jedem Hektar darf man zwei Kühe halten. Aber bei uns gibt es bald auch neue Auflagen für Gülle- und Futtermittel-Lagerung. Aber die Niederlande sind Spitzenreiter mit ihren Regeln, die später meist auch bei uns angewendet werden.“

Aufhören möchte keiner gern

Tom Coerwinkel möchte in Kürze gerne den niederländischen Landwirtschaftsminister und die Ministerin für Natur und Stickstoff in Millingen begrüßen, um ihnen zu zeigen, wie unterschiedlich die Regeln in der deutsch-niederländischen Grenzregion mittlerweile sind. Der bekannte niederländische Parlamentsabgeordnete Pieter Omtzigt möchte sich in der Parlamentsdebatte am Dienstag dafür einsetzen: „Sie sind hier alle willkommen. Dann lade ich Stephan auch noch einmal ein“, sagt Coerwinkel.

In den vergangenen Jahren hätten viele niederländische Landwirte in der Düffel aufgehört. „Das waren meistens Bauern über 50, die keinen Nachfolger gefunden haben“, erzählt der 29-Jährige. „Als Bauern kann man genauso viel verdienen, wenn man seinen Grund und Boden verpachtet und Sonnenkollektoren auf die Dächer montiert. Die Bauernsöhne machen lieber etwas anderes.“

Landwirte wollen nicht aufgeben

Dennoch wollen beide Landwirte ihren Betrieb nicht aufgeben. „Ich bin der älteste von drei Söhnen. Ich wollte immer Bauer werden“, sagt Coerwinkel. „In 20 Jahren bin ich noch immer Landwirt, aber dann bin ich auch schon 50. Hoffentlich finde ich einen Nachfolger.“ Und nein, er wird jetzt nicht bei „Bauer sucht Frau“ auftreten. „Ich habe eine Freundin, die von einem Ackerbaubetrieb in Ooij stammt. Sie hilft aber nicht mit im Betrieb, sie hat ihre eigene Arbeit“, erzählt er.

„Ich hoffe auch, dass ich in 20 Jahren noch Landwirt bin“, sagt Stephan van de Sand. „Aber dann muss alles gut laufen und man muss auch Geld damit verdienen können. Das funktioniert nicht, wenn man uns ständig neue Hindernisse in den Weg stellt.“ Vor drei Jahren gab es bereits Bauernproteste in Deutschland: „Ich bin damals mit dem Trecker nach Kleve gefahren.“

Am Montag demonstrierten die Landwirte in den Niederlanden.

Dieser Text ist in der niederländischen Tageszeitung De Gelderlander erschienen und wurde für die NRZ übersetzt.