Kleve. In Sachen Radverkehr gibt es in Kleve noch eine Menge zu tun. Die Verwaltung ist gewillt, dem Radfahrer mehr Komfort zu bescheren.
Es wird lebhaft diskutiert: Wie soll der Radverkehr der Zukunft in Kleve aussehen? Das hatte die NRZ die Stadtverwaltung gefragt. Und Bürgermeister Wolfgang Gebing lud zu einem munteren Gespräch mit Fahrradexpertin Pascale van Koeverden, dem neuen Klima-Fachbereichsleiter Dirk Posdena und Klimamanager Christian Bomblat. Fast zwei Stunden schossen die unterschiedlichsten Argumente und Ideen durch den Raum. Fazit: Kleve will deutlich mehr für Radverkehr tun, aber die schwierigen Aufgaben stellen sich erst jetzt.
Bessere Abstellmöglichkeiten für Fahrräder sind wichtig
Das Mobilitätskonzept
Das Mobilitätskonzept der Stadt Kleve soll Ende 2022 vorliegen. Doch die Verwaltung möchte ungern so lange warten, bis sich im Straßenraum etwas ändert. Man könne mit konkreten Projekten beginnen und dabei für den Radverkehr sichtbare Erfolge erzielen. Das sei auch wichtig, so Fachbereichsleiter Dirk Posdena.
Es gibt zig Ideen und zahlreiche Vorstellungen, wie es in Kleve mit dem Radverkehr besser laufen könnte und immer im Hinterkopf die Gewissheit: Jeder Schritt erfordert eine Menge Arbeit, Austausch und Koordination mit anderen Behörden. Bürgermeister Wolfgang Gebing will deutliche Fortschritte sehen und möchte das Pferd quasi von hinten aufzäumen: „Ganz am Ende des Radfahrens steht das Abstellen. Und wir brauchen in Kleve bessere Abstellmöglichkeiten, damit die Bürger mit ihren teuren E-Bikes auch gerne und sicher in die Stadt fahren“, sagt er.
Auch die Neuordnung des städtischen Verkehrs ist für Gebing kein Tabu. Mit Hilfe von deutlichen Markierungen und der Verwendung roter Farbe müsse man den Radfahrern ein klares System zur Erkennung geben. Kleve stehe vor dem Punkt, klare Entscheidungen für den Verkehr treffen zu müssen. Radachsen müssten in der Stadt angelegt werden – und dies werde vermutlich auch zulasten des Autoverkehrs gehen müssen. Denn: Der Straßenraum ist endlich.
Die Stadt will Angebote schaffen, um Bedarfe zu erzeugen
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Dirk Posdena, Leiter des neuen Fachbereichs für Klima und Umwelt, möchte das Thema „Mobilität“ breiter fassen. „Das Fahrrad ist ein Baustein“, sagt er. Denn: „Wir müssen die gesamte Mobilität anders aufbauen. Die Verbindungen zwischen Auto, Fahrrad und ÖPNV müssen fließender werden. Wir müssen Angebote schaffen, um Bedarfe zu erzeugen“, sagt Posdena. Die Europa-Radbahn habe gezeigt: „Wenn das Angebot da ist, wird es auch angenommen.“
Dabei sei es wichtig, im Vorfeld die wichtigsten Verkehrsziele der Stadt zu kennen und dort dann die Angebote zu schaffen. Etwa das Aufstellen von Fahrradabstellboxen. Die gibt es zwar jetzt schon am Bahnhof, dürften aber niemanden dazu verleiten, den Weg in die Stadt anzutreten, vermutet Bürgermeister Gebing: „Da sind die Wege schon zu weit.“
Mehr Abstellmöglichkeiten in der Stadt schaffen
Also müssen Abstellmöglichkeiten in der Stadt geschaffen werden. Im Gespräch war mal eine Freifläche an der Straße An der Münze, am Parkplatz Linde, an der Sparkasse oder an der Lohstätte. Sogar ein Fahrradparkhaus könne man sich denken, wenn denn die Tiefgarage unter dem Minoritenplatz irgendwann mal Realität wird.
Auch Christian Bomblat sieht einen steigenden Bedarf an Abstellflächen: „Wer mit dem Fahrrad Urlaub macht, und das machen immer mehr Menschen, der muss es auch sicher abstellen können.“
Große Potenziale auf den Kurzstrecken
Rad-Expertin Pascale van Koeverden arbeitet bereits seit vielen Jahren das Klever Radverkehrskonzept ab und kennt mittlerweile die Fallstricke der Planung und das mühsame Geschäft der Umsetzung sehr gut. Sie sieht im Bereich der Fünf-Kilometer-Verbindungen die meisten Potenziale. Die Zielsetzung müsse sein, in Kleve politische Entscheidungen zu treffen und Prioritäten zu setzen: „Das Problem sind die innerstädtischen Strecken“, sagt sie. Hier müsse man zum Teil Straßen umbauen und auch anders einrichten. Hilfreich könne hierbei ein digitales Stadtmodell sein, um die Wirkungen von Straßenumbauten besser abschätzen zu können. „Alles was wir jetzt machen, kostet anderen Verkehrsteilnehmer Fläche“, verdeutlicht Dirk Posdena.
„Es gibt kein Grundrecht auf einen Parkplatz vor der Haustür“
Ein wichtiges Thema wird dann auch der Parkraum. „Es gibt kein Grundrecht auf einen Parkplatz vor der Haustür“, sagt Bürgermeister Gebing. Wenn man Straßen künftig neu gestalten muss, gehe das zwangsläufig nur mit einer Neuordnung des ruhenden Verkehrs. Eine erste Kostprobe wird man mit der Einrichtung von neuen Radstreifen an der Ringstraße bekommen, die vom Rat der Stadt beschlossen worden sind. Die Umsetzung erfolgt durch Straßen NRW.
Aber dies ist nur eine Maßnahme. Kleve benötigt ein schlüssiges Radverkehrssystem. Und hier ist für Bürgermeister Gebing die Sichtbarkeit ein wichtiger Faktor. „Wir müssen die Verkehre stärker trennen und die Flächen für Radfahrer deutlich mit roten Flächen ausweisen. Für den Autofahrer muss, wie in den Niederlanden auch, klar sein, dass – wenn er auf einer roten Fläche fährt – diese für den Radfahrer gedacht ist.“ Wenn Kleve künftig Straßen großflächig renoviert, dann soll direkt die farbliche Umgestaltung mitgedacht werden. Auch Piktogramme seien denkbar. Das Straßenverkehrsrecht gebe hier mittlerweile Spielräume.
Kreuzungen müssen verbessert werden
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Für Pascale van Koeverden sind sichere Querungshilfen ein wichtiger Punkt. Die Kreuzungen der Emmericher Straße mit dem Klever Ring oder der Kreuzhofstraße seien unbefriedigend. Denn nicht an jeder Seite könne man die Straße queren. Im ungünstigsten Fall muss der Radfahrer drei Mal die Straße kreuzen, um seinen Weg geradeaus fortsetzen zu können. Die Kreuzung Triftstraße/Albersallee werde daher jetzt auch umgebaut.
Mit Blick in die Zukunft schaut Bürgermeister Gebing auch auf das neue Konrad-Adenauer-Gymnasium an der van-den-Bergh-Straße: „Wie können die Kinder künftig sicher den Klever Ring kreuzen?“, fragt er sich. Hier müsse man sich jetzt Gedanken machen.
Die Verwaltung benötigt für die Umsetzung mehr Personal
All die Ideen und Projekte erfordern Personal, welches diese umsetzen kann. Gebing zeigt eine klare Haltung: „Im Ergebnis ist es so: Wenn die Politik uns Aufgaben stellt, dann muss auch das Personal dafür zur Verfügung gestellt werden. Wenn der politische Wille da ist, dann wird dies auch geschehen.“ So ist die Rede von einem Mobilitätsmanager und einem weiteren Verkehrsplaner für das Tiefbauamt. Dirk Posdena: „Das Thema Mobilität ist ressortübergreifend, und letztendlich muss das Thema Klimaschutz künftig in allen Fachbereichen gedacht werden.“
Wichtig ist den Gesprächsteilnehmern, dass der Klimaschutz nicht zu einem Synonym für Verbote verkommt. „Der Bürger muss bei allem einen Benefit spüren. Eine Grünzone schafft mehr Lebensqualität, weniger Autos in der Straße auch. Davon hat der Bürger auch Vorteile“, sagt Gebing.
Alle erschienenen Beiträge des NRZ-Umweltchecks lesen Sie unter nrz.de/umweltcheck.
>> Was sollte die Kommune tun, um den Radverkehr zu stärken?
NRZ-Umweltcheck für alle lesbar
Wie wichtig Umwelt- und Klimaschutz ist, hat uns die Flutkatastrophe in NRW wieder gezeigt. Auch wir als NRZ finden das Thema sehr wichtig und beschäftigen uns in den nächsten Wochen intensiv damit in unserem Umweltcheck für den Kreis Kleve. Natürlich geht der Klimawandel alle Menschen an. Als besonderes Sommer-Bonbon macht die NRZ die Artikel auch ohne Abo zugänglich. Alles zum Thema auf nrz.de/umweltcheck
Wie kann man den Radverkehr stärken? 76 Prozent sind der Meinung, dass man die Abstellmöglichkeiten verbessern muss. Teure E-Bikes will man sicher abgestellt wissen. 72 Prozent plädieren dafür, dass es an allen Hauptverkehrsstraßen auch einen Radweg geben muss.
Für Radschnellwege sprechen sich weitere 67 Prozent aus, und 54 Prozent sind der Meinung, dass die Ampelschaltungen zugunsten der Radfahrer verbessert werden müssen.
Dass für Radfahrer die Einbahnstraßen aufgehoben werden sollen, finden nur 31 Prozent gut, 41 Prozent sprechen sich dagegen aus.
Erstaunlich ist, dass 49 Prozent der Befragten sagen, dass Fahrradstraßen auch zulasten des Autoverkehrs eingerichtet werden sollen. Und mehr Aufstellmöglichkeiten an Ampeln können sich 44 Prozent vorstellen.