Goch. Hintergründe zum Polizeieinsatz auf Kloster Graefenthal: Staatsanwaltschaft spricht von „Sekte“. Chef der Eventfirma wehrt sich gegen Vorwürfe.

In der Dunkelheit stand plötzlich ein massives Aufgebot vor Kloster Graefenthal. Ab 3.30 Uhr am frühen Mittwoch durchsuchte die Kreispolizei Kleve mit Unterstützung eines Spezialeinsatzkommandos und einer Hundertschaft die Räume und das Außengelände der ADG Management Group, die das Kloster im Gocher Stadtteil Asperden als Eventlocation vermarktet.

Der schwerwiegende Verdacht, der sich laut Polizei und Staatsanwaltschaft Kleve gegen Verantwortliche des Unternehmens richtete: Freiheitsberaubung und Verstoß gegen das Waffengesetz. Ein Zeuge hatte der Polizei den Hinweis gegeben, dass eine Frau gegen ihren Willen auf Kloster Graefenthal festgehalten werde. Die Einsatzkräfte trafen die 25-jährige Niederländerin in einem der Wohnhäuser an. „Es war keine Geiselnahme“, betonte Polizeisprecherin Corinna Sacorra. Es habe keine Verletzten gegeben.

Auch Oberstaatsanwalt Günter Neifer, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Kleve, bezeichnete den Zugriff als „unspektakulär“. Ein 58-jähriger Mann, der ebenfalls niederländischer Staatsbürger ist, wurde vorläufig festgenommen. Die Frau wurde genauso wie weitere Personen noch am Mittwoch vernommen. Laut Oberstaatsanwalt Günter Neifer ist der „Orden der Transformanten“ auf Kloster Graefenthal beheimatet. „Man kann es auch Sekte nennen. Der vorläufig festgenommene Mann soll sich selbst als Prophet bezeichnen“, sagte Neifer.

Ob und inwiefern der Vorwurf der Freiheitsberaubung, die Eventfirma und die Glaubensgemeinschaft miteinander verquickt sind, sei Gegenstand der laufenden Ermittlungen. „Auf Grundlage der Erkenntnisse aus den Vernehmungen wird die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob sie einen Haftbefehl beantragt oder der vorläufig festgenommene Mann entlassen wird“, erklärte Neifer. Dies soll spätestens am Donnerstag der Fall sein.

Camiel Engelen, Geschäftsführer der ADG Management Group, zeigte sich im Gespräch mit der NRZ „total schockiert“ über die Durchsuchungen auf Kloster Graefenthal. Er trat dem Vorwurf der Freiheitsberaubung entschieden entgegen und behauptete: „Die Leute leben und arbeiten gerne hier. Vielmehr wurde die Frau von der Polizei gegen ihren Willen mitgenommen. Die Polizisten sind mit ihr an mir vorbei gegangen.“ Es seien surreale und unfassbare Szenen gewesen, sagte der Niederländer.

Verdacht auf Waffen in Goch hat sich nicht erhärtet

Er könne auch nicht verstehen, warum eine Verbindung zum „Orden der Transformanten“ gezogen werde. Er selbst sei darin Mitglied. „Wir sind eine Glaubensgemeinschaft wie jede andere auch“, meinte Engelen. Die Mitarbeiter seiner Eventfirma suche er nicht nach ihrer Religion aus. „Es arbeiten hier viele Leute mit vielen unterschiedlichen Hintergründen“, so der Geschäftsführer.

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Der Verdacht, dass auf dem Gelände von Kloster Graefenthal Waffen gelagert werden könnten, erhärtete sich unterdessen nicht. Laut Oberstaatsanwalt Günter Neifer seien zwei Schreckschusspistolen und eine Langwaffe gefunden worden, die jedoch nicht erlaubnispflichtig seien. Der Vorwurf des Verstoßes gegen das Waffengesetz war einer der Gründe für die massive Größe des Einsatzes, bei dem auch das THW die Polizei unterstützte. „Die Kräfte sind allerdings äußerst behutsam vorgegangen, weil bekannt war, dass auch Kinder vor Ort sein würden“, so Günter Neifer.

Insgesamt hatte die Polizei 54 Personen, davon zehn Kinder, auf Kloster Graefenthal angetroffen. Nach rund fünf Stunden rückten die Einsatzkräfte in zahlreichen Polizeiautos im strömenden Regen wieder ab. Die Polizei stellte zahlreiche Beweismittel sicher, darunter Datenträger, die nun ausgewertet werden. Dem Einsatz waren Ermittlungen und ein Durchsuchungsbeschluss vorausgegangen. Camiel Engelen machte sich nach der aufsehenerregenden Aktion in den frühen Morgenstunden Sorgen um das ohnehin durch Corona gebeutelte Event-Geschäft auf Kloster Graefenthal. „Ich hoffe, dass der Schaden nicht zu groß wird und die Leute uns weiter treu bleiben“, sagte er.

Förderverein des Klosters Graefenthal von Razzia überrascht

Auch der Förderverein des Klosters Graefenthal wurde am Mittwochmorgen von der Razzia überrascht. „Natürlich mache ich mir Sorgen um den Ruf angesichts der im Raum stehenden Vorwürfe“, sagte Michael Urban, 2. Vorsitzender und Geschäftsführer des Fördervereins, im Gespräch mit der NRZ. Es gelte nun, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abzuwarten.

„Danach müssen wir uns gegebenenfalls neu positionieren. Zunächst gilt aber die Unschuldsvermutung“, betonte Urban. „Ich kann nur über meine eigenen Erfahrungen mit den Menschen auf Kloster Graefenthal sprechen: Ich habe dort freundliche, junge und sehr arbeitsame Menschen kennengelernt, die für mich nicht gezwungen aussahen“, stellte Michael Urban fest. Auch die Zusammenarbeit mit der ADG Management Group sei gut. „Und dies obwohl wir ja eigentlich unterschiedliche Interessen verfolgen: Wir wollen den Platz des Klosters in der Geschichte bewahren, während die Firma die Immobilie nutzt. Beides haben wir bislang aber gut zusammengebracht“, meinte Urban