Goch. Die Stadtwerke Goch setzen mit Interessengemeinschaften zwei Dorfautos auf die Straße. Die E-Autos sind auch der Start eines Carsharing-Systems.
Dieses Projekt ist weit und breit einzigartig. „Vor zwei Jahren kam uns die Idee, die Elektromobilität im ländlichen Raum zu fördern und gleichzeitig das Thema Carsharing voranzutreiben“, sagt Carlo Marks. Vor allem die Corona-Pandemie hat den Eifer des Geschäftsführers der Stadtwerke Goch und seiner Mitarbeiter zwischenzeitlich ausgebremst, doch nun endlich rollt das Vorhaben: Die Stadtwerke haben ihr mit 15 E-Rollern gestartetes „Goch’n’Roll“-System um zwei Elektroautos erweitert.
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Dorfautos: Als Dorfautos stehen die rein elektrischen Hyundai-Ioniq-Modelle den Einwohnern in den Ortsteilen Hassum, Hommersum und Kessel an drei Tagen in der Woche mitsamt Fahrern kostenlos zunächst für einen Probezeitraum von sechs Monaten zur Verfügung (siehe Box). „Wir wollen damit die Dörfer ein gutes Stück sozialer machen“, sagt Marks.
Zeiten, Kontakte und Kosten
Die Dorfautos stehen den beiden Interessengemeinschaften montags von 7 bis 18 Uhr, mittwochs von 7 bis 14.30 Uhr und freitags von 7 bis 16.30 Uhr zur Verfügung.
Buchungen sind montags bis freitags von 8.30 bis 16 Uhr möglich. Das Team der IG aus Hassum/Hommersum ist unter 02823/9310304 erreichbar. Willi Reichardt von der IG Kessel nimmt Fahrtwünsche unter 02823/9310305 entgegen.
Das Carsharing der E-Autos ist über die „Goch’n’Roll“-App der Stadtwerke möglich, die es bei Google Play und im App Store zum Download gibt.
Die Registrierung in der App, mit der man auch die 15 E-Roller buchen kann, kostet einmalig 19,95 Euro. Das Fahren mit dem E-Auto kostet 30 Cent pro Minute, Parken schlägt mit 15 Cent pro Minute zu Buche. Wer das Auto für einen ganzen Tag nutzt, zahlt 69,99 Euro.
In den Ortsteilen haben sich zwei Interessengemeinschaften gebildet, die das Projekt ehrenamtlich tragen. Koordinatoren erstellen aus den Fahrtwünschen einen Plan, und Fahrer bringen die Menschen zum Einkaufen in die Gocher Innenstadt, zum Arzttermin oder zu Besuch bei Bekannten und holen sie auch wieder ab.
Carlo Marks: „Organisierte Nachbarschaftshilfe“
„Der demografische Wandel macht auch vor unseren Dörfern nicht Halt. Es gibt viele alleinstehende Leute, die Probleme mit der Mobilität haben“, stellt Heinz van Baal, Sprecher der IG Dorfauto aus Kessel, fest. „Unsere Fahrer kommen aus dem Dorf und sind hier bekannt. Niemand braucht Scheu zu haben einzusteigen“, meint van Baal. Zum Start engagieren sich zehn Kesseler beim Projekt, weitere Unterstützung ist gerne gesehen. Das gilt auch für die IG Hassum/Hommersum, in der 15 Ehrenamtliche dabei sind.
„Das ist organisierte Nachbarschaftshilfe“, betont Stadtwerke-Chef Carlo Marks, der keinen Konflikt mit Taxiunternehmen sieht: „Das Projekt ist eine Ergänzung zum bestehenden ÖPNV und den Taxis.“ Er könne sich auch vorstellen, die beiden Elektroautos komplett für die Interessengemeinschaften zu reservieren. „Dann müssen wir uns aber etwas anderes für unser Carsharing überlegen“, so Marks. Denn mit diesem Angebot meinen es die Gocher Stadtwerke ebenfalls sehr ernst. „Wir wollen uns bewusst im ländlichen Raum nicht abhängen lassen und den Carsharing-Ansatz ins platte Land tragen“, sagt der Geschäftsführer.
Carsharing: In der nicht von den Dorfgemeinschaften geblockten Zeit können die E-Autos gegen Bezahlung gebucht werden (siehe Box). Sie stehen an festen Standorten: in Kessel an der Turnhalle und in Hassum am Dorfhaus. Nur dort können die Fahrzeuge abgeholt und wieder abgegeben werden. Einen Schlüssel gibt es nicht, das Öffnen und Verschließung erfolgt über die App. Ein Ladechip für die Stromladesäulen der Stadtwerke Goch ist im Handschuhfach.
E-Autos haben durchschnittliche Reichweite von 220 Kilometern
Carsharing sei für Menschen interessant, die nur ausnahmsweise ein Auto nutzen möchten oder manchmal ein zweites Auto benötigen, so Marks. Zudem hätten die Stadtwerke die jüngere Generation im Blick, die das Auto nicht mehr unbedingt als Statussymbol betrachte. Nicht zuletzt der Klimawandel verändert das Mobilitätsverhalten der Menschen. Die Stadtwerke wollen mit ihren beiden neuen Elektroautos, die im Schnitt über eine Reichweite von 220 Kilometern verfügen, diesem Wandel Rechnung tragen.
Das Pilotprojekt soll zeigen, ob es in Goch Bedarf für Carsharing gibt. „Wir könnten es relativ schnell ausdehnen und mit anderen Stadtwerken verschränken“, kündigt Marks an. Wenn es das Angebot in mehreren Städten geben würde, könnten die Nutzer die Autos an verschiedenen Stellen zurückgeben. „Wir könnten auch die Fixkosten deutlich nach unten drücken, wenn wir die Autos in größeren Stückzahlen abnehmen“, so Carlo Marks. Davon würden wiederum die Kunden profitieren, denn die aktuelle Tagesgebühr von rund 70 Euro „liegt am oberen Rand“, räumt der Stadtwerke-Chef ein. Die Gespräche mit seinen Kollegen aus den umliegenden Städten liefen. „Ich bin guten Mutes, dass wir das hinbekommen“, sagt Marks zum regionalen Carsharing-Netz.