Kleve. Das Unternehmen Ipsen kündigt für Kleve den Abbau von 160 Stellen an. Betriebsrat und IG Metall sind entsetzt. Das sind die Reaktionen.
Die Ipsen-Mitarbeiter ahnten bereits seit Längerem, dass etwas auf sie zukommen könnte. „Wir warten eigentlich seit einem halben Jahr auf irgendwelche Maßnahmen, denn es lief nicht ganz rund“, sagte Werner Schulte, Betriebsratsvorsitzender beim Maschinenbauunternehmen. „Doch mit einer Entscheidung in dieser Größenordnung haben wir überhaupt nicht gerechnet.“
Ipsen teilte der Belegschaft am Mittwochvormittag mit, dass es am Standort in Kleve einen massiven Stellenabbau geben wird. Voraussichtlich 160 Arbeitsplätze – und damit knapp die Hälfte aller 338 Stellen – gehen laut einer Pressemitteilung des auf Industrieöfen spezialisierten Unternehmens verloren. Die Nachricht erschüttert die Klever Wirtschaft.
„Jeder bangt jetzt um seinen Job. Es geht um sehr viele Schicksale. Die Stimmung unter den Mitarbeitern ist äußerst miserabel, die Betroffenheit geht ins Mark“, schilderte Schulte im Gespräch mit der NRZ die Atmosphäre im Betrieb in den Stunden nach der Verkündung des extremen Einschnitts, den der Maschinenbauer mit „Marktveränderungen“ und „Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie in den für Ipsen wesentlichen Branchen wie der Automobil- und Luftfahrtindustrie“ begründete.
Drei Produktionsstandorte werden geschlossen
Das Unternehmen wird im Zuge des Umbaus drei seiner sechs Produktionsstandorte schließen: in Rumänien, China und Japan. Kleve soll zu einem Exzellenzzentrum für Atmosphärentechnologie umgebaut werden. In Rockford (USA) entsteht wiederum ein Exzellenzzentrum für Vakuumöfen.
Dadurch erhalte Ipsen Kleve einen verstärkten Zugang zu den wichtigen amerikanischen und asiatischen Märkten für die Atmosphärentechnik, heißt es in der Pressemitteilung. „Die Fokussierung auf nur noch eine Produktlinie und die spürbaren Folgen der Corona-Pandemie machen eine Umstrukturierung des Standortes in Kleve erforderlich.“
„Die Weiterentwicklung des Werks in Kleve in ein Exzellenzzentrum für Öfen der Atmosphärentechnik ist ein wichtiges Signal für die Bedeutung des Standortes Kleve innerhalb des Konzerns“, wird Paul van Doesburg, CEO von Ipsen Deutschland, zitiert. „Dass im Gegenzug die Vakuumöfen-Technologie an die amerikanische Tochtergesellschaft in den USA verkauft wird, ist – was den Stellenabbau bei uns angeht – schmerzlich. Dieser Schritt ist aber notwendig, um die verbleibenden Arbeitsplätze und den Standort in Kleve zu sichern und zukunftssicher aufzustellen.“
Kritik von Betriebsrat und IG Metall
„Für den Betriebsrat ist die Entscheidung unverständlich, zumal wir noch keine weiteren Informationen erhalten haben, was genau geplant ist“, so der Vorsitzende Werner Schulte. „Der Zweig, der jetzt in die USA verlagert wird, hat uns in Kleve zuletzt eigentlich über Wasser gehalten.“ Bernd Börgers, Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall, bezeichnete die Vakuumöfen-Sparte als „Filetstück“. Nach der Verlagerung mache er sich umso mehr Sorgen um den Standort.
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„Die Dynamik und Größenordnung der Entscheidung ist abenteuerlich und macht mich ein Stück weit sprachlos“, sagte Börgers, der sich am Donnerstag selbst vor Ort im Betrieb einen Überblick verschaffen möchte. „Ich habe den Eindruck, dass Pflöcke eingeschlagen werden sollen, bevor mit dem Betriebsrat gesprochen wird.“ Er sieht das Handeln der neuen Geschäftsführung und das Gehaltsgefüge in der oberen und mittleren Managementebene sehr kritisch: „Für die Geschäftsführung ist Geld da, für die Arbeitnehmer jedoch nicht.“
Seit April arbeitet die Klever Ipsen-Belegschaft in Kurzarbeit. „Nach drei Monaten schon das Handtuch zu schmeißen ist merkwürdig“, meinte Schulte, der seit 31 Jahren im Unternehmen beschäftigt ist und bereits beim letzten Stellenabbau im Jahr 2009 als damals neuer Betriebsratsvorsitzender am Verhandlungstisch saß.
Daniel Rütter: „Eine bittere Nachricht“
Der Abbau solle möglichst sozialverträglich erfolgen, kündigte Ipsen an. „Wir haben die IG Metall und unsere Anwälte eingeschaltet und werden versuchen, einen möglichst guten Sozialplan und Interessensausgleich zu verhandeln“, sagte Werner Schulte, der die Bedeutung des radikalen Stellenabbaus für die Stadt Kleve herausstellte: „Es wird merklich Einkommenssteuer wegfallen.“
Kleves Kämmerer Willibrord Haas sagte auf NRZ-Anfrage: „Ich bedauere diese Entwicklung sehr und hoffe aber, dass mit den betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sozial verträgliche Regelungen vereinbart werden können. Ebenfalls wünsche ich mir für den Standort Kleve, dass mit den geplanten Veränderungen eine tragfähige Perspektive geschaffen werden kann.“
FDP-Fraktionsvorsitzender und Bürgermeisterkandidat Daniel Rütter nannte den Verlust der 160 Arbeitsplätze „eine bittere Nachricht insbesondere für die Arbeitnehmer und deren Familien bei Ipsen, aber auch für den Wirtschaftsstandort Kleve. Die Corona-Krise mit ihren wirtschaftlichen Folgeschäden werde nach Ansicht Rütters wohl auch noch weitere Hiobsbotschaften bescheren. „Wir müssen daher jetzt schnell aktiv gegensteuern, unsere Wirtschaftsförderung wesentlich verstärken, in Verbindung mit der Hochschule einen Gründungs- und Start-up-Cluster schaffen und auch für eine steuerliche Entlastung unserer Betriebe sorgen.“