Kleve. Anne Gesthuysen ist Autorin und kommt vom Niederrhein. Im Interview spricht sie über die Einstellung zur Heimat und die Ideen für Geschichten.
Schriftstellerin und Fernsehmoderatorin Anne Gesthuysen ist gebürtig vom Niederrhein, verheiratet mit Frank Plasberg und lebt mit ihrer Familie in Köln. Sie ist derzeit mit ihrem Roman „Mädelsabend“, der einige Zeit auf der Spiegel-Bestsellerliste stand, am Niederrhein unterwegs - am Donnerstag, 12. Dezember, auch in Kleve. Zuletzt war sie in Hamminkeln zu Gast. Im Interview spricht sie darüber, wie sie zu ihren Geschichten kommt - und auch das kleine Örtchen Veen spielt eine Rolle.
Frau Gesthuysen, Sie stammen aus Alpen-Veen. Hat der Niederrhein Einfluss auf Ihr Schreiben?
Anne Gesthuysen: Alpen-Veen hatte damals keine 1000 Einwohner. Ich habe da eine wunderbare Kindheit verbracht. Und obwohl ich jetzt schon viel länger in Köln wohne, als ich jemals dort gelebt habe, kann ich nicht sagen, dass ich die Kölner kenne. Am Anfang war mir auch gar nicht bewusst, dass ich einen typischen Menschenschlag beschreibe. Nur waren die Vorbilder für mein erstes Buch meine Großtanten, die nun mal am Niederrhein gelebt haben.
Die Großstadt hat es in Ihre Bücher also bislang nicht geschafft?
Ach, die Großstadt ist oft genug von großen Literaten beschrieben worden. Ich sage immer: Man kriegt das Kind aus Veen raus, aber Veen nicht aus dem Kind. Eigentlich habe ich 30 Jahre dagegen angekämpft, aus einem kleinen niederrheinischen Ort zu stammen. Ich wollte urbaner sein, als ich eigentlich bin. Jetzt bin ich da gelassener.
Woran machen Sie das „Provinzielle“ denn fest?
Zum Beispiel an meinem Verhältnis zur Mode. Ich habe nämlich keins. Wenn mich im Fernsehen nicht immer Profis angezogen hätten, wäre ich unmöglich herumgelaufen.
Wie kommen Sie zu Ihren Geschichten?
Die besten Geschichten erzählt das Leben, und wenn man genau zuhört, findet man immer etwas, das eigentlich unglaublich ist. Mein Buch „Mädelsabend“ ist eine Hommage an meine verstorbene Schwiegermutter. Bei ihren Erzählungen habe ich sie zum Beispiel gefragt, warum sie sich nicht gewehrt hat, wenn es um das seltsame Geschlechterverhältnis zu ihrer Zeit ging. Wenn ich merke: Das ist etwas, das ich gern weitererzähle, dann ist es auch Stoff für einen Roman.
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Aber ein Roman erfordert monatelange Arbeit, während eine Geschichte schnell erzählt ist…
Da ist viel Handwerk dabei. Ich empfinde mich nicht als große Literatin, sondern ich bin Geschichtenerzählerin. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ich gehe auch ziemlich unstrukturiert an die Arbeit. Ich fange an, dann fallen mir Geschichten ein, und irgendwas passiert mit den Figuren. Ich renne ihnen gewissermaßen schreibend hinterher.
Lesungen erfahren zurzeit viel Zuspruch, trotz der vielen neuen Medien. Wie erleben Sie das?
Ich glaube, es gibt da den Wunsch nach Authentizität, nach Realität und Spürbarkeit. Meine Lesungen erlebe ich durchweg positiv. Mir hilft natürlich, dass ich als Moderatorin gelernt habe, frei zu sprechen. Lesen können die Leute ja eigentlich selbst, darum lese ich nur während eines Drittels der Zeit, in der übrigen Zeit erzähle ich, wie es zu der Szene gekommen ist.
Schreiben Sie gerade an einem neuen Buch?
Ja, aber weniger, als ich sollte. Deshalb kann ich auch nicht jede Lesung machen, die mir angeboten wird. Ich habe ja auch noch eine Familie, die will mich auch mal sehen.