Den Haag/An Rhein und Ruhr. Tempo 100 auf den Autobahnen, ein kleinerer Viehbestand und weniger Flüge: So möchten die Niederlande wichtige Naturschutzgebiete schützen.

Wer in den nächsten Ferien an die niederländische Nordseeküste möchte, der wird wohl nur mit Tempo 100 fahren können. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte hat am Dienstag eine schnellstmögliche Geschwindigkeitsreduzierung auf allen Autobahnen von 120 auf 100 km/h angekündigt. Bereits in wenigen Monaten soll das Tempolimit für die Zeit von 6 Uhr morgens bis 19 Uhr abends gelten.

Notwendig wird die drastische Maßnahme, um wichtige Naturschutzgebiete von europäischem Rang („Natura-2000-Gebiete“) vor weiteren Stickstoffeinträgen zu schützen. Eine Regierungskommission hatte errechnet, dass der Stickstoffeintrag durch das Tempolimit um 14 Prozent gesenkt werden könnte.

18.000 Bauprojekte gestoppt

Seit Mai verharren die Niederlande in einer politischen Krise. Das Verwaltungsgericht in Den Haag hatte im Frühjahr geurteilt, dass die bisherige Stickstoffpolitik völlig unzureichend sei. Das Gericht verlangte, dass erst deutliche Stickstoffreduzierungen erfolgen müssen, bevor weitere Baugenehmigungen erteilt werden können.

In der Folge dieses Urteils wurden 18.000 Bauprojekte auf Eis gelegt, unter anderem der Ausbau von Autobahnen, die Genehmigungen von Flughafenerweiterungen oder landwirtschaftlichen Betrieben. Auch kleine Häuslebauer konnten ihr Vorhaben nicht ausführen.

Landwirtschaft als größter Verursacher

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Seit zwei Monaten demonstrieren landauf, landab Vertreter der Bau- und Landwirtschaft. Vor allem die Bauwirtschaft leidet arg unter den richterlichen Vorgaben. Ministerpräsident Mark Rutte hält den jetzt gefassten Beschluss selbst für eine „fürchterliche Maßnahme“, allerdings komme man um diese nicht herum, wenn die Bauwirtschaft wieder angekurbelt werden soll.

Mit den jetzt vorgestellten Maßnahmen ist die Kuh aber noch nicht vom Eis. In den nächsten Wochen soll’s weitere Beschlüsse geben, um die Stickstoffeinträge weiter zu verringern. Der größte Verursacher ist die Landwirtschaft. Hier wurde jüngst über eine deutliche Reduzierung des Viehbestandes diskutiert – Vertreter von Regierungsparteien sprachen gar über eine Halbierung des Viehbestandes.

Auch der Flughafen Schiphol, der etwa das Natura-2000-Gebiet Naardermeer belastet, wird wohl mit Einschränkungen rechnen müssen. Johan Vollenbroek, Vertreter der Umweltorganisation Mobilisation und Klageführer gegen die Regierung, sagte im Gespräch mit der NRZ, dass möglicherweise wichtige Fluggenehmigungen eingezogen werden müssen. Dies könnte eine Reduzierung der Flugbewegungen von 500.000 auf 400.000 bedeuten.