Kreis Kleve. Die drei Parteien stimmen für die Unterstützung der Landratskandidatur. Während SPD und Grüne klar votieren, führt die FDP eine harte Diskussion.
Die Anspannung dieses besonderen Tages, vor allem der aufregenden letzten Stunden, löste sich langsam in Peter Driessens Gesicht, als er unter dem Applaus der meisten FDP-Mitglieder im vollen Tagungsraum des Rilano-Hotels in Kleve zum Mikrofon schritt. 54 Ja-Stimmen, 24 Nein-Stimmen, zwei Enthaltung – das gerade verkündete Abstimmungsergebnis nach langer und harter Diskussion ließ den 63-Jährigen durchatmen. Es sicherte dem parteiunabhängigen Kandidaten auch die Unterstützung des liberalen Kreisverbandes bei der Landratswahl im kommenden Jahr.
Euphorie zum Start bei der SPD
Stunden zuvor war nicht Erleichterung, sondern Euphorie das bestimmende Gefühl. Die 120 Delegierten beim Unterbezirksparteitag der SPD Kreis Kleve im komplett gefüllten Tagungsraum im ACC Augenblick Conference Center in Kleve hatten dem aktuellen Bürgermeister von Bedburg-Hau bei zwei Enthaltungen einstimmig ihr Vertrauen ausgesprochen. „Ich habe Gänsehaut“, bekannte Driessen, als er die stehenden Ovationen nach der Bekanntgabe des Ergebnisses sah. Er bedankte sich für diesen „Vertrauensvorschuss“ – und eilte mit dem Blumenstrauß zum Auto, denn nur wenige Minuten später erwarteten ihn die nächsten potenziellen Mitstreiter, beim Versuch 2020 erstmals in der Nachkriegsgeschichte der CDU das Amt des Landrats zu entreißen.
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Auch bei der Mitgliederversammlung der Grünen im Kreis Kleve im SOS-Kinderdorf Niederrhein an der Kalkarer Straße in Kleve erhielt Driessen viel Rückenwind für seine Kandidatur. Von den 48 stimmberechtigten Mitglieder votierten 46 für ihn, zweimal gab es ein Nein. „Ich werde alles daran setzen, dieses Versprechen einzulösen“, sagte der Verwaltungsexperte aus Bedburg-Hau.
Killewald: „System des undemokratischen Verhaltens aufbrechen“
Zuvor hatte er vor den SPD-Delegierten und den Grünen-Mitgliedern angekündigt, bei einem Erfolg bei der Landratswahl in der von ihm angestrebten einen Amtsperiode für „mehr Offenheit und Transparenz“ in der Kreisverwaltung eintreten und ein „anderes, dem Bürger zugewandtes Betriebsklima“ schaffen zu wollen. „Wir brauchen eine Wechselwirkung zwischen Verwaltung und Politik. Was derzeit im Kreis läuft, wird so nicht mehr weitergehen.“
Die aktuelle Kreis-Politik nannte der SPD-Kreisvorsitzende Norbert Killewald „das System Spreen-Ulrich-Suerick“. Eine begrenzte Anzahl von Personen – Killewald zielte auf Landrat Wolfgang Spreen, CDU-Fraktionsvorsitzende Ulrike Ulrich und „Berater“ Wilfried Suerick ab – entscheide, was passiere. „Wir haben jetzt die Chance, dieses Systems des undemokratischen Verhaltens aufzubrechen – mit einem neutralen Kandidaten, der schon bewiesen hat, dass er verschiedene Interessen zusammenbringen kann. Das ist eine seltene Gelegenheit“, sagte der SPD-Kreis-Chef.
Pichlers Vergleich zwischen Kreishaus und Todesstern
Kevelaers SPD-Bürgermeister Dominik Pichler verglich das Kreishaus gar mit dem „Todesstern“ aus Star Wars. „Dort schlurft eine schwarze Gestalt über die Flure und erwürgt jeden, der nicht ihrer Meinung ist.“ Pichler rief den Genossinnen und Genossen zu: „Ich habe keinen Bock auf das Loser-Image.“ Mit Peter Driessen gebe es eine realistische Chance zu gewinnen.
Das Potenzial von Dialog und Streit
Daran glauben auch die Grünen im Kreis Kleve, deren Sprecher Bruno Jöbkes bei einem Wahlsieg des gemeinsamen Kandidaten die Möglichkeit für einen Wandel „zu echter demokratischer Gestaltungspolitik“ sieht. Die Bereitschaft von Peter Driessen anzutreten, nannte der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Kreistagsfraktion Helmut Prior „einen außergewöhnlichen Glücksfall. Diese Konstellation bietet uns nicht nur die Chance, viele Stimmen zu erhalten, sondern auch unsere Politik sichtbarer zu machen“.
Die grünen Mitglieder fühlten etwa bei der Klimapolitik auch inhaltlich dem Bedburg-Hauer Bürgermeister schon auf den Zahn, der auf die Erfolge seiner „bienenfreundlichen Gemeinde“ verwies. Und wie gedenkt er angesichts der Unterschiede zwischen Grünen, SPD und FDP, Mehrheiten im Kreistag zu beschaffen? „Im Dialog und im Streit liegen viel Potenzial“, antwortete Driessen. In Bedburg-Hau seien sich die Parteien auch längst nicht immer einig, doch nach vielen Gesprächen würden 95 Prozent der Ratsbeschlüsse einstimmig oder zumindest mit großer Mehrheit fallen.
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Teile der FDP-Mitglieder kritisieren Vorgehen des eigenen Vorstands
Eine große Mehrheit, die schien für Driessen beim außerordentlichen Parteitag der FDP zu bröckeln. Anders als noch am Vormittag bei SPD und Grünen gab es unter den liberalen Parteimitgliedern zwei klare Lager. Die einen, die dem Vorschlag des FDP-Kreisverbandvorstands folgen und Driessen unterstützen wollten. Und die anderen um das Trio Dietmar Gorißen, Thomas Wittenburg sowie Brigitte Viefers, das mit einem Antrag einen eigenen FDP-Kandidaten für die Landratswahl ins Rennen schicken wollte.
Dieser hätte den enormen Vorteil, dass er das liberale Wahlprogramm in die Öffentlichkeit bringen würde, argumentierte Wittenburg, der wegen der offenkundigen Meinungsunterschiede aus dem FDP-Kreisvorstand ausgeschieden ist. „Wir setzen dagegen auf einen lahmen Gaul“, warnte das Kreistagsmitglied, das Driessen als nur „angeblich unabhängigen Kandidaten“ bezeichnete. Mit einer SPD, die unbedingt an die Macht wolle, und Grünen im Umfragehoch sei die FDP das kleinste Licht auf der Unterstützertorte, so Wittenburg. „Wo bleiben wir dabei?“, fragte er und verließ demonstrativ den Raum, als Driessen einige Minuten später selbst zu Wort kam.
Klapdor: keine Aussage über Koalitionsbildung
Ralf Klapdor, Fraktionsvorsitzender im Kreistag, betonte, dass „wir nicht über eine Koalitionsbildung, sondern über einen Landratskandidaten reden“. Und da die Stichwahl abgeschafft sei, müsse man sich auf eine veränderte Situation mit weniger Kandidaten einstellen. Die Sorge, mit der Unterstützung eines unabhängigen Kandidaten, das eigene Profil zu verlieren, wollte Jürgen van Os seinen kritischen Parteifreunden aus eigener Erfahrung mit Peter Driessen in Bedburg-Hau nehmen. „Er hört auf die kleinen Parteien“, sagte der FDP-Ortsverbandsvorsitzende.
Letztlich stimmten 32 Mitglieder für den Antrag, einen eigenen liberalen Kandidaten aufzustellen, aber 51 dagegen. Und als sich anschließend die Mehrheit für Peter Driessen aussprach, entspannten sich dessen Gesichtszüge. „Das war ein ganz ehrlicher Nachmittag für mich“, sagte er und blickte nach vorne: „Das nächste Jahr wird sehr spannend.“