Kleve. . Am 11. August 1951 demonstrierten 2000 Kellener Bürger gegen die Eingemeindung ihres Ortsteils nach Kleve.

Die Eingemeindung Kellens nimmt in der Stadtgeschichte breiten Raum ein. Vom Ende des 19. bis in die 70er-Jahre des 20. Jahrhunderts hat es immer wieder mehr oder weniger erfolgreiche Versuche seitens der Stadt Kleve gegeben, Kellen oder Teile davon dem Stadtgebiet Kleves zuzuschlagen. Im heutigen Beitrag geht es um die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.

Im Sinne der Militärregierung

Kleve war im Zweiten Weltkrieg fast völlig zerstört worden, in den angrenzenden Gemeinden Bedburg-Hau, Materborn und vor allem Kellen gab es jedoch große unzerstörte Siedlungsbereiche, die die Stadt für ihre aus der Evakuierung zurückkommenden Bürger nutzen wollte, zumindest als vorübergehende Notlösung. Bernhard Baak, 1934 als Erster Beigeordneter der Stadt von den Nazis entlassen und Stadtdirektor von 1946 bis 1954, war schon immer ein Verfechter der Eingemeindung Kellens gewesen. Er bekam im April 1945 Schützenhilfe durch die britische Militärregierung. Diese setzte einen früheren Verwaltungsbeamten aus Heinsberg, Dr. Dr. Janßen, als neuen Landrat im Kreis Kleve ein, ebenfalls ein Befürworter der Eingemeindung.

Kellener Bürger protestierten gegen die Eingemeindung am 12. August 1951.
Kellener Bürger protestierten gegen die Eingemeindung am 12. August 1951. © Fritz Getlinger; Stadtarchiv Kleve

Da es der britischen Militärregierung darauf ankam, möglichst schnell eine halbwegs funktionierende Verwaltung aufzubauen, wurde Kellen schon Ende April 1945 vorläufig eingemeindet, dazu auch Materborn und ein Teil von Bedburg-Hau. Allerdings hätte man nach den Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte durchaus damit rechnen können, dass es Widerstand seitens der Kellener Bürger geben könnte. Dieser kam, schon bevor die Militärregierung die Verfügung ausgesprochen hatte.

Wilhelm Reintjes und Lambert Michels, beide Mitglieder des Kreistages vor 1933, fanden scharfe Worte: „Wir können … in Ihrem einseitigen Vorgehen nur eine Fortsetzung einer Politik sehen, die ohne Hemmungen über Land und Haus des Nachbarn verfügte“. Einige Monate später schrieben sie an den Regierungspräsidenten und verurteilten abermals die Eingemeindung „ohne jede Fühlungnahme mit den Bürgern“ aufs Schärfste. Fast zwei Jahre tat sich gar nichts. 1947 beantragte Kellen die Ausgemeindung, nun schaukelte sich der Streit hoch.

Es gab nur Befürworter

Außerhalb Kellens gab es eigentlich nur Befürworter der Eingemeindung, nicht nur die Stadt Kleve, auch die Industrieverbände und die Gewerkschaften sahen nur Vorteile. Pikanterweise war Wilhelm Reintjes, der 1945 gegen Baak, Stapper und Dr. Dr. Janßen für Kellen seine Stimme erhoben hatte, 1947 Klever Bürgermeister geworden. Er wollte die Kellener nun davon überzeugen, dass Widerstand gegen die Eingemeindung zwecklos sei, was ihm Viele nicht verziehen. Der Kellener Bürgerausschuss schrieb: „Der das ruhig lächelnd und ohne Gewissensbisse als Bürgermeister von Kleve und Kellener Bürger (!) mit angesehen hat, heißt Wilhelm Reintjes.“

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Der Einsatz des Bürgerausschusses führte dazu, dass das Bezirksverwaltungsgericht Düsseldorf die einstweilige Eingemeindung im Juli 1948 tatsächlich aufhob. Die Besatzungsbehörden waren jedoch nicht einverstanden und intervenierten, so dass die Landesregierung in Düsseldorf die Eingemeindung im September 1948 für endgültig erklärte. Der aus Griethausen stammende Theodor van de Sandt, als Verwaltungsrechtsrat in Düsseldorf tätig, strengte gegen diesen Beschluss ein neues Verwaltungsgerichtsverfahren an. Damit war er erfolgreich, so dass das Oberverwaltungsgericht Münster im Mai 1951 die Eingemeindung wieder aufhob.

Nun ging in Kleve und Kellen der Streit weiter, denn es war nicht deutlich, ob Kellen seine volle Unabhängigkeit zurückbekommen hatte, also auch verwaltungstechnisch von Kleve getrennt worden war. Am 11. August 1951 kam es zum großen Demonstrationszug nach Kleve: 2000 Kellener, also mehr als ein Viertel aller damaligen Einwohner, zog mit Plakaten Richtung Kleve, auf denen etwa zu lesen stand: „Demokratie – wo bleibst du nur? Immer noch Diktatur?“

Man kam endlich ins Gespräch

Der Streit ging weiter, jedoch verfügte der Kreis Kleve acht Monate später, dass Kellen wieder vom Amt Griethausen verwaltet werden solle. Ende März 1953 hob der Regierungspräsident die bestehende Verwaltungsgemeinschaft endgültig auf. Zwar stellte die Stadt Kleve in den nachfolgenden Jahren noch mehrere Eingemeindungsanträge an die Landesregierung, Erfolg hatte sie damit aber nicht. Durch Vermittlung des Regierungspräsidenten kam es aber nun zu dem, was die Kellener von Anfang an vermisst hatten: Man kam ins Gespräch und zu Vereinbarungen: Kellen zahlte nun für Leistungen der Stadt Kleve, die auch den Kellenern zugute kamen und am 18. Mai 1960 schloss man sogar einen „Friedensvertrag“. Froh über die Beendigung des langen Konflikts stifteten der Kreis Kleve und die Gemeinde Kellen je 10.000 DM für den Wiederaufbau der Schwanenburg. Dass der Burgfrieden nur wenige Jahre hielt, ist ein anderes Kapitel der Stadtgeschichte.

>> LITERATURHINWEIS

Jürgen Bleisteiner: „Kellen bleibt Kellen“, Der Streit um die Eingemeindung 1945 - 1960, hrsg. von Cellina, Kellener Heimat- und Kulturverein 1988.