Kleve. . Luxus in der Beletage: Musik- und Billardsaal, Ventilatoren in den Decken. Wo Könige mit Wasser kurten, trifft sich heute die Kunstgemeinde.

„Der milde Westwind … trägt dabei fröhliche Geräusche entfernter Walzermelodien herüber. Sie kommen aus den Anlagen des Kurparkes in der Lindenallee am Fuße der Stadt. Im grünen Tal, geschützt von schattigen Wäldern und Bäumen, die die neuen malerischen Kurgebäude umgeben. Hier ist das zentrale Hotel und das Kurhaus mit den üppigen Salons und den kunstvollen und umfangreichen Bädern.“

So beschreibt es ein englischer Bade-Tourist des Sommers 1880 im „Chelmsford Chronicle“. Alles im Griff hatte seit Jahrzehnten der „geschickte, beruhigende Dr. (Wilhelm) Arntz“, Kleves Kurarzt, auf den die Initiative für die Verbesserung bzw. Erneuerung der Klever Kurbauten zurückgeht.

Der Stahlbrunnen in Kleve.
Der Stahlbrunnen in Kleve. © Kurhaus Kleve

Kleve hatte sich als Kurstadt seit der Entdeckung der Heilquelle am Amphitheater 1742 vor allem bei niederländischen, belgischen und preußischen Kurwilligen, den Wohlhabenden aus Adel und gehobenem Bürgertum, einen guten Ruf erworben. Wenn auch die heilende Wirkung seines Quellwassers umstritten war – zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren es vier- bis sechstausend Gäste, die allsommerlich Kleves Trinkbrunnen besuchten.

Bau des neuen Badehauses

Mit der Gründung einer Aktiengesellschaft wurde der Bau des neuen Badehauses angegangen. Der Klever Architekt Anton Weinhagen, Schöpfer der Villa Nova (1843) und des Palais des Landschaftsmalers Koekkoek (1848), fertigte den Entwurf. 1846 wurde das „Friedrich-Wilhelms-Bad“ eröffnet. Den Namen erhielt der schmucke Bau nach dem preußischen König, der ein Jahr zuvor auf Badereise in Kleve die Baustelle besichtigt und das Vorhaben gutgeheißen hatte.

Es war Luxus, was den Kurgästen in der oberen, der Beletage geboten wurde: Musik- und Lesesaal, Restauration, Billardsaal, Ventilatoren in den Decken, die oberen Seitensäle öffneten sich auf Terrassen mit schattiger Bestuhlung. Von kulinarischen Spezialitäten über Tanzabende bis hin zum breiten Sortiment von deutschen und niederländischen Zeitungen war alles vorhanden, was das Herz eines kranken Kuristen begehrte.

Im unteren Bereich war das Kerngeschäft untergebracht: 12 Baderäume mit Wannen und Ruheräumen, dazu gehörten auch „russische“ Dampfbäder. Draußen am Amphitheater war die Trinkkur in der gusseisernen Trinkhalle von 1846 einzunehmen, bevor man sich zum Spaziergang durch die einzigartigen Parkanlagen Kleves mit den ebenfalls wiederhergestellten Wasserspielen aufmachte.

20 Heilwässer

20 verschiedene Heilwässer wurden in der Mineralwasseranstalt im Forstgarten verkauft. Gleichzeitig mit den Neubauten an der Tiergartenstraße wurden „Hotel Stirum“ auf der Insel im Moritzkanal und „Hotel Robbers“ in der Seitenachse des Amphitheaters vergrößert.

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Die Zahl der Kurgäste stieg in den folgenden beiden Jahrzehnten stetig, so dass 1868 erstmals Pläne zum Bau einer großen Kurhalle und eines weiteren Hotels geschmiedet wurden. Der rührige Dr. Arntz, bereits Eigentümer des „Hotels Stirum“ und des „Friedrich-Wilhelm-Bades“, gründete abermals eine Aktiengesellschaft zur Erweiterung der Kuranlagen, diesmal mit dem Zweck, ein Kurhotel mit Wandelhalle für schlechtes Wetter direkt neben den Badebauten zu errichten. Der letzte medizinische Schrei: der zum Hang gelegene Teil der Wandelhalle sollte Kabinen und Bäder für eine Kaltwasser-Heilanstalt bieten, mit dem Angebot der Hydrotherapie des Stettiner Arztes Ernst Brand, mit der dieser sogar den Typhus behandelte.

Miniatur-Niagara-Fälle

Der Architekt und Kommunalkreisbaumeister Friedrich Karl Schubert lieferte die Pläne für die Bauten. Im neuen Hotel befanden sich neben vielen Gästezimmern auch einige größere Suiten. Die Wandelhalle stellte die Verbindung zum älteren „Friedrich-Wilhelms-Bad“ her, das ebenfalls umgebaut wurde.

„Es gibt türkische und neue russische Bäder. Es gibt Bäder, in denen das Wasser in einem sanften Strahl wie in einem Märchen aufsteigt und Bäder mit kalten Wasserstrahlen, die, als wären es Miniatur-Niagara-Fälle herunterstürzen. Es gibt Medizin- und Mineralbäder, schmerzhafte passive Anwendungen mit Dampf unter heißen Decken. Bäder, bei denen Sie in einem versunkenen Brunnen stehen und in dem ein heftig wütender Schlauch kreist.“ So weiter der englische Patient des Jahres 1880.

Inzwischen hatte es mit dem vielgelobten Badearzt Arntz und der Stadt Kleve Streit wegen zu wenig Wasser aus den Teichen des Amphitheaters und fehlender Wasserleitungen gegeben. Erst 1878 verfügte die Stadt über die entsprechenden Wasserleitungen und fließendes Wasser.

Dr. Arntz, der seine Ämter niedergelegt hatte, starb verbittert und ruiniert im Jahre 1884.

Methoden des Pfarrers Kneipp

Zu den bereits bestehenden Klever Grandhotels, die nur im Sommer geöffnet hatten, Maywald, Loock, Lafferière, Robbers und Stirum, gehörte seit 1872 nun auch das „Badhotel“. 1886 kam das Hotel Prinzenhof hinzu, hier zogen auch die Methoden des Pfarrer Kneipp am Ende des Jahrhunderts ein: 1897 brachte die auf dem Prinzenhof eingerichtete Kaltwasser-Heilanstalt noch einmal den letzten Aufschwung in den vornehmen Badebetrieb der Stadt.

Bad Cleve warb zu Beginn des 20. Jahrhunderts mehr als Luftkurort denn als Badeort, gerichtet vor allem an die niederländischen Tagestouristen. 1913 waren unter den gut 16 000 Besuchern im Sommer etwa 5000 Badegäste, die den ganzen Sommer hier verbrachten.

„… weilen alle Churgäste sich eine Ehre daraus machen, krank zu sein“, so hatte der erste Klever Brunnenarzt, Johann Heinrich Schütte, 1748 geschrieben. Ruhm und Ehre waren mit dem ausbrechenden Ersten Weltkrieg vorbei, das Ende von Bad Cleve war gekommen – die Gäste blieben aus. Im Frühjahr 1914 ging das inzwischen in „Hotel Kurhaus“ umbenannte Hotel in Konkurs.