Kleve. . Beim Studium Generale der Hochschule Rhein-Waal wurde intensiv über die jüngsten Ergebnisse der Nutztier-Forscherin Steffi Wiedemann diskutiert. Sind Hochleistungskühe die besseren Klimaschützer?
Die Ergebnisse haben viele im Hörsaal überrascht: Intensiv gefütterte Hochleistungskühe stoßen je produziertem Liter Milch weniger klimaschädliche Gase aus als Kühe, die extensiv gehalten werden. Dr. Steffi Wiedemann, Professorin für Nutztierwissenschaften und Umweltwirkungen an der Hochschule Rhein-Waal, verblüffte mit ihrer Aussage, dass „effiziente Kühe“ besser fürs Klima sind: „Je höher die Leistung, desto geringer die Treibhausgas-Emission pro Einheit Milch“, so Wiedemann. Daher müsse das Ziel einer nachhaltigen Nutztierhaltung sein, die „Leistung pro Lebenstag zu verbessern“.
Vielen Zuhörern des Studium Generale mag es schwer gefallen sein, dieses Fazit zu akzeptieren. Wiedemann erklärte, dass bei der Verwertung der Gräser im Pansen die Fasern mittels Bakterien in kurzkettige Fettsäuren umgewandelt werden. Dabei entsteht das klimaschädliche Gas Methan, welches die Kuh beim Widerkäuen immer wieder ausstößt. So produziert eine Kuh zwischen 200 bis 600 Liter Methan pro Tag. Die neuesten Forschungsergebnisse zeigen, dass Hochleistungsmilchkühe im Verhältnis zur Milchleistung deutlich weniger Methan ausstoßen. Denn: Mit weniger Milchkühen könnte man die gleiche Milchleistung erzielen.
Das Tierwohl im Auge behalten
Wichtig sei jedoch, so Wiedemann, dass die Tiere gesund sind. Daher könne es nicht darum gehen, auf Deubel komm heraus Hochleistungskühe zu produzieren, sondern man müsse das Tierwohl im Auge behalten. Denn kranke Tier geben weniger Milch und damit fällt das Verhältnis zwischen Methan-Ausstoß und Milchproduktion in sich zusammen.
Seit Längerem wird in der Landwirtschaft darüber diskutiert, wie schädlich die Haltung von Milchkühen und Rindern für unser Klima ist. Steffi Wiedemann erklärte, dass die Landwirschaft für zehn Prozent aller Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich ist. Ein sehr hoher Anteil stammt aus der Rinderhaltung.
Viele kritische Fragen aus dem Publikum
Franz-Josef Stork, Leiter der Forschungseinrichtung Haus Riswick, erklärt, dass die Zahl der Milchkühe im Kreis Kleve innerhalb von sechs Jahren von 46.715 (in 2010) auf 52.000 Tiere im vergangenen Jahr angestiegen sei. Von einem weiteren Wachstum der Herden geht er nicht aus, da schlichtweg keine Böden mehr zur Verfügung stünden.
Problematisch sei der Stickstoffeintrag. Die Gülle der Tiere wird von den Landwirten ausgetragen. Der Kreis Kleve liege mit 176 Kilogramm Stickstoff je Hektar deutlich über dem Landesdurchschnitt. 27 Kilogramm je Hektar werden aus den Niederlanden importiert.
Aus dem Publikum kamen viele kritische Fragen zur mangelhaften Weidehaltung, zu Mega-Kuhställen, Überproduktion und Milchpreis-Krise. Wichtig seien doch veränderte Förderungsanreize durch die Europäische Union, die ökologische Aspekte bei der Milchviehhaltung stärker in den Blickpunkt rücken. Aus Sicht des Tierwohls sei eine Massentierhaltung im Großstall nicht problematisch, sagte Steffi Wiedemann. Die Tier habe da genauso viel Auslauf wie auf der Weide: „Es gibt keine Mängel bei der Bewegung“, so Weidemann. Bei der Weidehaltung ginge es lediglich um kulturelle Aspekte.
>>>>>>KOMMENTAR
Das kritische Stirnrunzeln der Zuhörer war nicht zu übersehen. Mehr Klimaschutz durch intensive Milchviehhaltung? Für viele eine komische Conclusio. Und in der Tat mag auch nicht jeder auf Anhieb verstanden haben, was die Professorin eigentlich sagen wollte: Denn der Rückschluss, dass intensiv gehaltene Hochleistungsmilchkühe weniger Methan ausstoßen als extensiv gehaltene Weidekühe, ist auch so nicht korrekt. Vermutlich stoßen Hochleistungskühe sogar mehr Methan aus als Kühe, die extensiv beweidet werden – nur letztere geben weniger Milch.
Bei Wiedemanns Rechnung kommt es aber entscheidend auf die Milchleistung an. Der Methanausstoß einer Kuh reduziert sich je Milcheinheit, wenn sie mehr Milch gibt. Die Klimafreundlichkeit bleibt nur ein Rechenspielchen auf dem Papier, wenn die Zahl der Kühe nicht reduziert wird.
Und genau das ist bislang nicht geschehen. Im Gegenteil: Die Zahl der Milchkühe hat sich in den vergangenen Jahren deutlich erhöht im Kreis Kleve. Die Hochleistungskühe haben nicht dazu geführt, dass eine gleichbleibende Milchmenge mit weniger Tieren erzielt wird, sondern die Milchmenge wurde ausgeweitet. Die Folge ist ein Teufelskreis: Denn mehr Milch bedeutet auch mehr Angebot und damit ein geringerer Milchpreis. Es wäre wichtig gewesen, dies aus deutlich so zu benennen.
(Andreas Gebbink)