Essen. Im Modelager an der Hafenstraße war am Freitag der letzte Arbeitstag. Für die verbliebenen 200 Beschäftigten war es ein emotionaler Abschied.

Udo Neumann steht vor dem Werkstor und kramt sein Handy aus der Hosentasche. Auf den Fotos, die er am Morgen gemacht hat, ist eine leere Halle zu sehen, sein leerer Arbeitsplatz, Kollegen, die das letzte Mal in der Kantine frühstücken. „Als ich die große Halle heute Morgen völlig leer gesehen habe, da hatte ich Tränen in den Augen“, sagt der 55-Jährige.

Udo Neumann (55) arbeitete über elf Jahre im Modelager. Einen neuen Job hat er noch nicht.
Udo Neumann (55) arbeitete über elf Jahre im Modelager. Einen neuen Job hat er noch nicht. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Über elf Jahre hat Udo Neumann im Karstadt-Warenlager an der Hafenstraße gearbeitet. Für ihn wie auch für rund 200 weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter war am Freitag (7. Juni) der letzte Arbeitstag. 7 Uhr morgens begann die Schicht, und um 9 Uhr war auch schon der Rest der anstehenden Aufräumarbeiten erledigt.

Trotzdem blieben viele, saßen zusammen auf den Bierbänken auf dem Betriebshof in der wärmenden Sonne und warteten auf den Food Truck, der für den frühen Mittag von der Niederlassungsleitung bestellt worden war. Ein letzter Plausch mit den Kollegen.

Galeria-Warenlager in Essen: Mitarbeiter wissen seit über einem Jahr von der Schließung

Den 20. April 2023 haben alle noch gut in Erinnerung. An dem Tag erfuhren sie, dass das Lager Ende Juni 2024 geschlossen wird. Das Lager wurde früher von DHL, seit 2021 vom Logistikunternehmen Fiege und vom Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof gemeinsam betrieben. Von dort aus wurden über viele Jahre die Kaufhäuser mit Mode beliefert.

Kornelia Kusenberg arbeitete über 30 Jahre im Lager an der Hafenstraße. Auch die 62-Jährige muss sich nun noch einen neuen Job suchen.
Kornelia Kusenberg arbeitete über 30 Jahre im Lager an der Hafenstraße. Auch die 62-Jährige muss sich nun noch einen neuen Job suchen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Als das Aus des Standortes verkündet wurde, waren alle erschrocken. „Keiner hatte damit gerechnet“, sagt Udo Neumann. Zu dem Zeitpunkt gab das Lager noch über 600 Leuten Arbeit. Viele hatten dort ihr halbes Leben verbracht, waren 20, 30 und mehr Jahre an der Hafenstraße beschäftigt. Die ersten Kündigungen kamen dann im Herbst vergangenen Jahres. Spätestens da war klar: Es ist Ernst mit der Schließung.

Kornelia Kusenberg ist am Freitag mit keinem guten Gefühl an die Hafenstraße gefahren. Auch andere berichten von Bauchschmerzen und einer unruhigen Nacht. Der letzte Arbeitstag „fühlt sich komisch an“, meint Kornelia Kusenberg. Wie sie sind viele ihrer Kolleginnen und Kollegen ab 1. Juli arbeitslos, haben noch keine berufliche Alternative.

Kornelia Kusenberg ist 62 Jahre, hat nur noch wenige Jahre bis zur Rente. „Ich muss sehen, ob ich noch einen Job finde.“ Fälle wie ihren gibt es einige, bestätigt die Betriebsratsvorsitzende Diana Richter.

Das Luftbild zeigt in der Mitte das Sation an der Hafenstraße von Rot-Weiss Essen. Rechts daneben ist das Warenlager von Fiege und Galeria zu sehen.
Das Luftbild zeigt in der Mitte das Sation an der Hafenstraße von Rot-Weiss Essen. Rechts daneben ist das Warenlager von Fiege und Galeria zu sehen. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Kritik an der Geschäftsausrichtung: „Schlecht, wenn man nur einen Kunden hat“

Die Arbeitsagentur ist schon seit Monaten im Betrieb, hat Coachings und Stellen angeboten. Viele sind jedoch zurückhaltend bis skeptisch. Von Kollegen, die bereits ausgeschieden sind, haben sie wenig Gutes gehört. „Viele mussten wieder von vorn anfangen, arbeiten zum Mindestlohn und haben weniger Urlaub. Hier bei Fiege haben wir ja nicht schlecht verdient“, sagt Udo Neumann. Und obwohl es heißt, der Arbeitsmarkt sei immer noch gut, haben gerade die Älteren auch die Erfahrung gemacht, dass es auf ihre Bewerbungen bislang nur Absagen gab.

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Und so mischt sich auch Wut an diesem Tag in die Traurigkeit. „Es ist eben schlecht, wenn man nur einen Kunden hat“, sagt Neumann zur Geschäftsausrichtung. Denn ausgerechnet der eine Kunde, der kriselnde Galeria-Konzern, hat drei Insolvenzen in fast vier Jahren hinter sich. In dieser Zeit trennte er sich von dutzenden seiner Häuser. Vor der ersten Insolvenz 2020 hatte das Unternehmen noch über 170 Standorte, heute sind es 92 und auch davon stehen zehn aktuell vor der Schließung. Dem Warenlager in Essen ging damit schlicht mehr und mehr die Arbeit aus, zumal sich das nächste nahe gelegen in Unna befindet.

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Ende des Monats endet der Betrieb offiziell. Bis dahin sind die verbliebenen Beschäftigten freigestellt, bekommen noch bis zum Monatsende ihren Lohn. „Vielen wird sicher erst heute Abend zu Hause richtig bewusst, was das für ein Tag heute war“, verabschiedet sich Udo Neumann am Werkstor.

Karstadt-Tradition in Essen geht zu Ende

Mit der Schließung des Lagers endet das erste Kapitel von Karstadt in Essen. Das nächste endet mit dem Aus für das Warenhaus am Limbecker Platz. Dort läuft bereits der Räumungsverkauf. Letzter Tag ist der 31. August. Und schließlich zieht die dann ebenfalls deutlich geschrumpfte Mannschaft aus der Zentrale von Essen-Bredeney Anfang kommenden Jahres nach Düsseldorf. Dann ist die lange Karstadt-Tradition in Essen nur noch Geschichte.

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