Essen. Das Haus im Einkaufscenter schloss am Samstag nach der Betriebsversammlung – und vielleicht für immer Ende August. OB Kufen hofft noch.
Eine geschlagene Stunde hat sie gebraucht, um von Hagen nach Düsseldorf zu kommen, doch an diesem Samstag steht die ältere Dame vor verschlossener Pforte: „Aufgrund einer Mitarbeiterversammlung öffnet unsere GALERIA-Filiale heute erst um 11:00 Uhr“, so steht es auf den Zetteln an der Glastür, aber dann wird es elf, und zwei Mitarbeiterinnen tauschen von innen nur kurzerhand den Zettel aus. Geschlossen bis Montag, steht da jetzt, eine Betriebsrätin verrät, warum: „Wer verkauft schon gern mit verheulten Augen?“
Schon Ende August könnte die Filiale im Limbecker Platz endgültig dicht machen
Denn wieder steht das Haus mit seinen 20.000 Quadratmetern Verkaufsfläche auf der Schließungsliste, gemeinsam mit 15 anderen Filialen. Keine neue Erfahrung für die an Kummer gewöhnte Belegschaft im Limbecker Platz, es ist schließlich schon das dritte Mal in vier Jahren, und bislang gelang es ja stets, in letzter Minute von der Schüppe zu springen. Dieses Mal aber ist es womöglich anders: „Es sieht schlecht aus“, sagen informierte Kreise.
Und dieser milde Samstag im April, er könnte gleich in zweifacher Hinsicht den Schlussstrich unter eine langjährige Kaufhaus-Tradition in Essen bedeuten: mit dem Aus für die letzte Karstadt-Filiale und dem endgültig beschlossenen Wegzug der Hauptverwaltung von Essen nach Düsseldorf. Und wenn das Aus kommt, dann kommt es schnell: Für Montag hat die Chefetage in der Zentrale in Bredeney die Arbeit im Homeoffice abgeblasen und um Anwesenheit gebeten. Dann sollen, so heißt es aus Betriebsrats-Kreisen, 450 von gut 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erfahren, wer gehen muss und wer bleiben darf.
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Und auch in der Filiale könnte es flugs gehen: Ende August will Galeria die 16 ausgesuchten Filialen dichtmachen. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort betroffen wären, ist nicht bekannt. Bei der vorangegangenen Insolvenz vor etwa einem Jahr waren es noch rund 120 Beschäftigte.
Noch spricht der Essener Oberbürgermeister von einer „Zitterpartie“ für die letzte Galeria-Filiale Essens
Während der Umzug der Hauptverwaltung – hausintern „Service-Center“ genannt – von der Essener Theodor-Althoff-Straße an die Düsseldorf Schadowstraße nach den Worten des Insolvenzverwalters feststeht, verbreitet Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen beim Bestand der Filiale noch ein Fünkchen Zuversicht. Er spricht nach wie vor von einer „Zitterpartie“, wo andere schon abwinken: „Wir geben im Interesse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Hoffnung nicht auf, dass es noch zu einer Einigung der Vertragspartner kommt und die Schließung abgewendet werden kann.“
Immerhin, eine solche Rettung in letzter Minute hatte auch einer der Mit-Investoren, Bernd Beetz von der BB Kapital SA, vor einigen Wochen nicht ausgeschlossen, als er formulierte, nach dem ersten großen Wurf mit gut 70 geretteten Filialen könnten durchaus noch einige „im Nachklapp“ folgen.
Allerdings wäre dazu im Falle von Essen eine Einigung auf eine womöglich noch einmal spürbar gesenkte Mietzahlungen nötig. Schon bei der ersten Insolvenz vor fast vier Jahren war der Vermieter dem angeschlagenen Unternehmen Galeria deutlich entgegengekommen. Damals hieß es, dass die Miete um etwa die Hälfte reduziert wurde. So rutschte das Essener Haus damals doch wieder von der Schließungsliste.
Auch jetzt soll der Warenhauskonzern nochmals um eine deutlich niedrigere Miete verhandelt haben. Offenbar gab es dafür aber keinen weiteren Spielraum mehr. Auch der OB räumt ein, dass die Vermieter des Einkaufszentrums, Union Investment und die ECE Group, dem Unternehmen Galeria Karstadt Kaufhof „in den vergangenen Jahren bereits erhebliche Zugeständnisse machten“. Echte Zuversicht, dass da noch mehr passiert, klingt anders.
Die Karstadt-Umsätze sackten deutlich ab, und auch für die Zukunft sind die Aussichten wohl mau
Erst recht beim Blick auf die Zahlen, die man sich über die Filiale im Limbecker zuraunt. Nach Informationen dieser Redaktion sollen die Umsätze dort in den vergangenen fünf Jahren deutlich, und zwar im zweistelligen Prozentbereich zurückgegangen sein. Und das Haus gehört wohl auch zu denjenigen, die auf absehbare Zeit nicht profitabel geführt werden können. Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus sagte am Samstag dazu: „Jede der fortzuführenden Filialen muss das Potenzial haben, bereits heute oder in absehbarer Zeit die notwendige Profitabilität zu erzielen.“
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Bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi geht man angesichts solcher Hinweise steil: „Tausende Beschäftigte haben die letzten Jahre auf erhebliche Gehaltsbestandteile verzichtet, um den Konzern zu retten“, sagte das für den Handel zuständige Verdi-Bundesvorstandsmitglied Silke Zimmer am Samstag in Berlin. „Was sie auszuhalten haben, geht weit über das Maß des Erträglichen hinaus.“ Es entstehe wieder einmal der Eindruck, dass die Beschäftigten zum Spielball eines Mietpokers werden.
Dass wirklich auskömmliche Erlöse von Galeria im Limbecker zuletzt eher nicht erzielt wurden, bestätigen auch Skeptiker im eigenen Hause selbstkritisch: Viel Verkaufsfläche, ein großes Sortiment, wenig Kundschaft – „das war zuletzt doch Totentanz“, heißt es sarkastisch.
Betreiber des Limbecker Platzes zum Karstadt-Aus: Haben Alternativszenarien
Kein Wunder, dass die ECE-Gruppe aus Hamburg, die das Einkaufscenter managt, mit Blick auf die Schieflage von Galeria schon seit längerem an Alternativen arbeitet, um die Verkaufsfläche von 20.000 Quadratmetern auf drei Etagen zu beleben. Details dazu gibt man allerdings nicht preis. Center-Manager Anastasios Meliopoulos sagte auf Anfrage lediglich, es gebe „drei bis vier Szenarien, an denen wir sehr konkret arbeiten“. Die Verhandlungen dazu seien sehr weit fortgeschritten.
Für den Fall, dass Karstadt dicht macht, ist jedoch klar, dass die Fläche radikal aufgeteilt werden müsste. Die Investitionskosten dafür dürften in die Millionen gehen. Und einstweilen müsse man eh abwarten: „Noch haben wir keine Kündigung von Galeria vorliegen.“
So oder so endet mit dem Weggang der Hauptverwaltung von Galeria Karstadt Kaufhof eine Essener Tradition. Eine, „die wir gemeinsam mit unserer Wirtschaftsförderung eng begleitet und unterstützt haben“, betonte am Samstag Essens Oberbürgermeister. Mülheim, Oberhausen, Bochum – die Häuser dort bleiben bestehen, nur die Einkaufsstadt Essen geht wohl leer aus. Für den anstehenden deutlichen Abbau von Arbeitsplätzen bot Kufen erneut die „tatkräftige Unterstützung“ der Stadt an, die schon in der Vergangenheit eine ganze Reihe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Warenhaus-Konzerns übernommen hatte.
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Für die betroffenen Beschäftigten hat Galeria mit dem Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan vereinbart. Dort ist unter anderem festgelegt, dass alle Betroffenen für acht Monate in eine Transfergesellschaft wechseln können. Insgesamt werden bei Galeria 1400 Stellen von heute noch 12.800 wegfallen.
Geht es nach Arbeitsmarktexpertin Annina Hering von der Jobseite „Indeed“, sind die Aussichten der Galeria-Belegschaft, neue Jobs zu finden, nicht gar so schlecht: Die Nachfrage in diesem Bereich sei aktuell „trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage Deutschlands vergleichsweise hoch”.
Aber was wird mit der Kundschaft, seufzt die alte Dame aus Hagen. Sie fährt wieder unverrichteter Dinge nach Hause. Eine Stunde mit Bus und Bahn, ein Auto hat sie nicht, online ist nichts für sie, und die Kaufhäuser machen dicht. „Wo soll man sonst noch hingehen?“
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