Essen-Südostviertel. Kirchenmusikerin aus Essen betont den sozialen Aspekt des Chorgesangs, der Menschen unabhängig von Alter und Herkunft vereint.

„Jeder kann singen“ – das ist die Überzeugung von Kirchenmusikdirektorin Stefanie Westerteicher. „Wenn auch in verschiedenen Abstufungen“, schränkt sie ein. Es müsse ja nicht jeder Berufssänger werden. Sie weiß, wovon sie spricht: Seit fast 30 Jahren leitet sie die Chöre an der Essener Auferstehungskirche, darunter die Jugendkantorei, die jetzt ihr 75-jähriges Bestehen feiert.

Immer wieder erlebt sie Überraschungen: Ein sogenanntes „Brummerkind“, also eines, das den Ton nicht immer trifft, überzeuge nach entsprechender Stimmbildung und viel Übung später durchaus schon mal als Solist.

Essener Chöre bieten nicht nur begabten Sängern eine musikalische Heimat

Stefanie Westerteicher ist seit 1995 für die Kirchenmusik in der evangelischen Auferstehungskirche im Südostviertel zuständig, leitet dort sämtliche Chöre. Derzeit bereitet sie das Jubiläumskonzert zum 75-jährigen Bestehen der Jugendkantorei vor, das am Samstag, 22. Juni, in der Philharmonie stattfindet. Musikalisch hat sie mit ihren Schützlingen viel erreicht, doch die soziale Komponente des Singens ist ihr ebenso wichtig.

Die Jugendkantorei der Auferstehungskirche im Essener Südostviertel feiert ihr 75-jähriges Bestehen.
Die Jugendkantorei der Auferstehungskirche im Essener Südostviertel feiert ihr 75-jähriges Bestehen. © privat

In den 75 Jahren seit ihrer Gründung hat die Jugendkantorei gerade einmal zwei Leiterinnen zu verzeichnen: Ursula von den Busch, die heute fast 95-jährige Gründerin, und die aktuelle Leiterin Stefanie Westerteicher. „Die Jugendkantorei ist die Keimzelle für alle anderen Chöre“, sagt die 58-Jährige, die gemeinsam mit Andy von Oppenkowski, Kantor an der Kreuzeskirche, die Kirchenmusik in der Altstadtgemeinde unter sich hat.

Chorleiterin ist seit fast 30 Jahren an der Essener Auferstehungskirche im Amt

„Ich brenne für das, was ich tue“, sagt Westerteicher, die eigentlich aus Gütersloh kommt und eigentlich überall hin wollte, nur nicht ins Ruhrgebiet. Durch eine Freundin kam sie mit dem Chorgesang in Kontakt und wusste gleich: „Ich will da oben stehen und dirigieren.“ Nach dem Studium der Kirchenmusik in Düsseldorf bewarb sie sich mit Erfolg auf die Stelle an der Auferstehungskirche – und blieb.

Die Erfolgsgeschichte der Jugendkantorei begann mit einer Handvoll Mädchen, die mit Ursula von den Busch für den Gottesdienst mehrstimmige Stücke einübten. Schnell wurde der Kreis größer. Schon früh habe man Chorreisen unternommen, die gerade in der Nachkriegszeit eine gute Möglichkeit waren, dem Alltag kurzzeitig zu entfliehen. Bis heute sind die Chorreisen mit Auftritten in besonderen Kirchen oder Konzertsälen jeweils ein Höhepunkt im Jahresverlauf. In diesem Herbst geht es für die Essener nach Norditalien. Dort stehen unter anderem Konzerte in Venedig, Vincenza und Padua auf dem Programm.

Die Jugendkantorei der Essener Auferstehungskirche gestaltet Gottesdienste und Konzerte.
Die Jugendkantorei der Essener Auferstehungskirche gestaltet Gottesdienste und Konzerte. © Ellen Bischke

Die Bindung, die die jungen Sängerinnen und Sänger zu den Chören entwickelten, sei schon bemerkenswert. „Viele, die irgendwann zum Studium wegziehen, kommen irgendwann wieder, von einigen singen schon wieder die Kinder hier im Chor“, weiß Westerteicher aus Erfahrung. Für viele gibt es zum 75-Jährigen der Jugendkantorei ein Wiedersehen: Allein 500 Einladungen zum Jubiläumskonzert seien an Ehemalige herausgegangen.

Essener Gemeinde hat rund 150 aktive Sängerinnen und Sänger

Heute hat die Jugendkantorei rund 30 Mitglieder, übt anspruchsvolle, meist klassische Werke ein. Dazu kommen 20 Minispatzen (die Jüngsten), 20 Mitglieder des Kinderchores, 30 des Kammerchores und 50 der Kantorei, sodass die evangelische Gemeinde über rund 150 aktive Sängerinnen und Sänger verfügt. Selbst während der schwierigen Coronazeit sei die Arbeit hoch motiviert weitergegangen – wenn auch zeitweise nur online.

Um ein entsprechendes Ergebnis zu erreichen, seien nicht nur Begabung, Motivation und Stimmbildung, um die sich Judith Hoffmann kümmert, erforderlich. Auch die Gemeinschaft sei wichtig, das soziale Gefüge. „Das Singen im Chor macht die Menschen ein bisschen besser“, ist die Kirchenmusikerin überzeugt.

Kirchenmusikerin Stefanie Westerteicher leitet die Chöre an der Auferstehungskirche seit fast 30 Jahren.
Kirchenmusikerin Stefanie Westerteicher leitet die Chöre an der Auferstehungskirche seit fast 30 Jahren. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Denn wer mitsinge, bilde sich nicht nur musikalisch weiter, sondern lerne auch etwas für Leben. Zielstrebigkeit und Ehrgeiz seien wichtig, aber auch Rücksichtnahme, zum Beispiel auf Schwächere. „Nicht alle können Noten lesen, aber das macht nichts“, sagt die Kirchenmusikerin, die bei den Kleinen nach der Probe auch schon mal eine Schüssel mit Gummibärchen herumgehen lässt.

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Die Jugendkantorei ist für Stefanie Westerteicher ein Spiegel des Stadtteils. Die jungen Sängerinnen (die Jungen sind eindeutig in der Unterzahl) zwischen elf und 20 Jahren seien bunt gemischt, auch in Bezug auf ihre Herkunft. Musik sei wie eine gemeinsame Sprache, eine Möglichkeit, sich auszudrücken. „Alle arbeiten für das gemeinsame Ziel, es gibt keine Grüppchenbildung“, sagt Westerteicher. „Es geht darum, mit dem Herzen zu singen.“ Und so ist das Singen für einige auch ein bisschen Lebenshilfe: „Immer, wenn ich singe, vergesse ich all meine Probleme und Sorgen, dadurch geht es mir besser“, beschreibt zum Beispiel Charlotte (12) ihre Gefühle.

Geprobt wird im Gemeindesaal an der Steubenstraße/Manteuffelstraße.
Geprobt wird im Gemeindesaal an der Steubenstraße/Manteuffelstraße. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Aktuell steigt jedenfalls die Aufregung vor dem großen Jubiläumskonzert. Das 75-Jährige der Jugendkantorei wird mit einer Aufführung der Carmina Burana am Samstag, 22. Juni, 19 Uhr, im großen Rahmen in der Philharmonie Essen, begangen. Das sei nur durch die Hilfe von Sponsoren möglich. Für ein solches Konzert, für das ein halbes Jahres geprobt werde, sei die Auferstehungskirche zu klein. „Es wird deshalb bei der einmaligen Aufführung bleiben, das lässt sich nicht wiederholen“, so Stefanie Westerteicher.

Das Jubiläumskonzert in der Essener Philharmonie findet am 22. Juni statt

Mit dabei sind über 200 Sängerinnen und Sänger, neben der Jugendkantorei auch der Kammerchor, die Kantorei und der Kinderchor der Auferstehungskirche, Solisten sowie das Jugend-Symphonie-Orchester. Karten gibt es für 18 Euro, ermäßigt 10 Euro, im Vorverkauf bei der Theater und Philharmonie Essen.

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