Essen. Seit über sieben Jahren verfolgt die Leitstelle der Essener Polizei Live-Bilder aus dem Nordviertel. Daran wird sich so bald auch nichts ändern.
Die Kameras der Videobeobachtung gegen die Kriminalität in der Essener Innenstadt sind aus Sicht der Polizei neben anderen taktischen Maßnahmen eine zusätzliche Möglichkeit im Kampf gegen die Straßenkriminalität, aber kein Allheilmittel zur Lösung der Probleme mit der Drogenszene samt ihrer Begleiterscheinungen. An dieser Einschätzung der Behörde hat sich auch nach über sieben Jahren der Überwachung rund um den Rheinischen Platz nichts Grundlegendes geändert.
Obwohl die Rauschgiftdealer als auch ihre Kunden unter dem Druck verstärkter Polizeieinsätze von dort verdrängt worden sind und nach Zwischenstationen auf dem Grünstreifen an der Schützenbahn, am Viehofer Platz und auf dem Uni-Campus nun von sechs mobilen Polizeikameras an der Marktkirche ins Visier genommen werden, gilt das Nordviertel „immer noch als Kriminalitätsschwerpunkt“, sagt Polizeisprecher René Bäuml.
Das von den stationären Kameras an Monitoren auf der Leitstelle beobachtete Gebiet zwischen Rheinischer Platz, Viehofer Platz und Pferdemarkt samt der dortigen U-Bahn Haltestelle sei zwar vergleichsweise klein. Jedoch seien dort im vergangenen Jahr und in 2022 im Schnitt rund zwei Prozent aller im Stadtkern festgestellten Drogendelikte registriert worden. Wobei die Dunkelziffer allerdings deutlich höher sei, betont Bäuml.
Zu viele Straftaten für die letzte Klappe
788 Straftaten mit Betäubungsmitteln und 217 Raubüberfälle wurden der Polizei im vergangenen Jahr in der City bekannt. Im Jahr zuvor waren es 884 beziehungsweise 134. Im gesamten Zeitraum zählte die Behörde 33 Drogendelikte und vier Raubstraftaten in dem von Leitstellen-Kräften beobachteten Sprengel. Aus Sicht der Polizei sind das nach wie vor zu viele, um die letzte Klappe am Rheinischen Platz fallen zu lassen. Was als Momentaufnahme zu verstehen sei. Man evaluiere die Erkenntnisse allerdings immer wieder aufs Neue, um zu schauen, wie sich die Zahlen entwickeln, so Bäuml. Insgesamt wurden 51 Einsätze in 2023 aufgrund der in Echtzeit übertragenen Live-Bilder ausgelöst. Das waren 18 mehr als im Jahr zuvor.
Nicht nur bei Straftaten, sondern auch in Notsituationen oder bei Streitigkeiten auf der Straße schnell reagieren und einen Streifenwagen an den Ort des Geschehens schicken zu können, ist nach Überzeugung der Polizei der große Vorteil der Videobeobachtung gegenüber einer -überwachung. Bei der werden die Bilder schlicht aufgezeichnet, was im besten Fall zur nachträglichen Aufklärung einer Straftat beitragen, aber keine einzige durch möglichst sofortiges Eingreifen verhindern kann. Allerdings ist die praktizierte Art der Kriminalitätsbekämpfung eine sehr zeitintensive: An den Monitoren in der Leitstelle sind pro Jahr auch schon über 7000 Arbeitsstunden zusammengekommen.
Die Szene suchte sich andere Standorte
Bereits ein halbes Jahr nachdem die Kameras am Rheinischen Platz scharf gestellt worden waren, sprach die Polizei von einer deutlichen Tendenz: Die Straftaten gingen um mehr als ein Drittel zurück und die Bürgerbeschwerden rissen nahezu ab. Mit einem Mal waren es nicht länger die Innenstadtbesucher, sondern die Rauschgiftdealer, die sich nicht mehr sicher fühlten. Die kriminellen Händler suchten sich andere Standorte rund um die City oder wichen gleich ganz in andere Städte aus. Dass die Welle offenbar nach Essen zurückschwappte und sich rund um die Porschekanzel eine Drogenszene mit vielen Auswärtigen etablieren konnte, ist inzwischen der Grund für die mobilen Polizei-Kameras vor der Marktkirche. Vier Wochen soll die Anlage dort zunächst stehen, danach wird die Lage neu bewertet.