Essen. Ein Kredit-Deal um die alte Vonovia-Zentrale in Bochum und hohe Bürgschaften bringen Firmen des Fakt-Gründers vor den Kadi. Und in Not.
Als erstes kamen die Steuerfahnder. Mit ihnen und einer Autovermietung, mit der Autobahn GmbH und dem örtlichen Job-Center schien damals der Neuanfang in der einstigen Vonovia-Zentrale in Bochum perfekt. Die Immobilie an einen luxemburgischen Spezialfonds zu verkaufen – für die Essener Fakt AG oder besser: für ihre Bochumer Liegenschafts-Tochter war das ein Leichtes, auch wenn der Käufer einen Teil des Kaufpreises zunächst für die Beseitigung von Mängeln einbehielt. Wozu gibt es schließlich Kreditfinanzierer, die solche kurzfristigen Finanzlücken überbrücken? Doch um im Bild zu bleiben: Die Brücke ist eingestürzt, und vor dem Essener Landgericht entscheidet sich in diesen Tagen, ob sie zwei Familien-Firmen des Fakt-Gründers Hubert Schulte-Kemper mit in die Tiefe reißt.
Statt der angeforderten Projektunterlagen kam irgendwann die Information von der Insolvenz
Denn für das inzwischen aufgekündigte, aber nicht zurückgezahlte Millionen-Darlehen der Swiss M Capital aus dem schweizerischen Zug bürgten damals gleich zwei Firmen des Ex-Bänkers, der allseits nur unter „HSK“ firmiert: seine HSK Finanzmanagement GmbH und die SK Activ GmbH. Geschäftsführer hier wie dort: HSK (78) und seine Tochter Kirsten Schulte-Kemper (49). Nicht weniger als 5.912.500 Euro nebst Zinsen will Swiss M Capital aus den Bürgschaften erlösen, Geld, das auch ein Multimillionen-Jongleur wie Schulte-Kemper nicht in der Schublade liegen hat, schon gar nicht, seit seine Immobilien-Gruppe Fakt im November 2022 in die Insolvenz rutschte.
Gut möglich, dass dort auch der Streit mit dem Kurzfristfinanzierer Swiss M Capital seinen Anfang nahm. Als die Schweizer im Mai 2022 aus einem ihrer luxemburgischen Fonds das Darlehen über 5,5 Millionen Euro zu einem Jahreszins von 15 Prozent auszahlten, da ahnten sie offenbar nichts von intern längst kriselnden Fakt-Finanzen. Erst als im November darauf die angeforderten Projektunterlagen trotz mehrfacher Aufforderung nicht in der Post landeten, dämmerte es den Geldgebern, aber da war es auch schon zu spät: Wenige Tage später musste die Bochumer Liegenschafts-Tochter von Fakt Insolvenz anmelden.
Seit eineinhalb Jahren laufen die Schweizer ihrem Geld hinterher – jetzt auch vor Gericht
Seitdem sind eineinhalb Jahre vergangen, und die Schweizer laufen, wenn auch um die Illusion einer schnellen Abwicklung ärmer, immer noch ihrem Geld hinterher. Am Freitag (24. Mai) zur Mittagszeit traf man sich vor der 17. Zivilkammer des Essener Landgerichts, um die Frage zu erörtern, wer denn nun die besseren Karten hat. Kirsten Schulte-Kemper, die ohne ihren krankheitsbedingt entschuldigten Vater die Stellung halten musste, ließ als Geschäftsführerin der beiden Familien-Firmen durchblicken, dass hier alles auf dem Spiel steht: „Es geht um existenzbedrohende Größen“, sagt ihr Anwalt Christian Kranenfeld.
Will wohl sagen: Sollte das Urteil zugunsten der Swiss M Capital ausfallen, bleibt den beiden Schulte-Kemperschen Firmen HSK Finanzmanagement und SK Activ womöglich nichts anderes übrig, als den zahlreichen Fakt-Firmen in die Insolvenz zu folgen. Und deshalb nimmt es nicht wunder, dass man sich in Saal N 305 des Landgerichts argumentativ krümmt und windet, um der Bürgschaft samt Zahlungsverpflichtung zu entkommen. Alles wird aufgefahren, von vermeintlich nicht erhaltenen E-Mails bis zur Corona-Erkrankung der Geschäftsführerin, von der unwirksamen Darlehens-Kündigung bis zum vertraglichen „Wirrwarr und Durcheinander“, das die Kläger geschaffen hätten. Und war die Bürgschaft vielleicht sittenwidrig? Der Unterzeichner überhaupt unterzeichnungsberechtigt? Die falsche Firma genannt? Der falsche Ort? Und fehlte nicht eigentlich so ein richtiger Darlehnsvertrag?
Ein Vergleich wurde erwogen und wieder zu den Akten gelegt: „Nicht ansatzweise akzeptabel“
Alles „Nebelkerzen“, kontert Peter Fath, der Anwalt der Kreditgeber. Als er Schulte-Kempers Anwalt Kranenfeld vorwirft, der trage „hier falsch vor“, wird es für einen Moment giftig: „Vorsicht an der Bahnsteigkante“, sagt dieser mit warnendem Unterton, aber der Vorsitzende Richter Jacobs geht rechtzeitig dazwischen. Mehr als nur zwischen den Zeilen signalisiert dieser allerdings auch, dass er in vielen Punkten offenbar die Position der Schweizer teilt.
Doch was nützt es, wenn diese am Ende zwar Recht bekommen sollten, aber kein Geld, weil in den Schulte-Kemperschen Firmen mutmaßlich nichts zu holen ist? Ob man denn den Vergleich gesucht habe? Ja, man hat, heißt es auf beiden Seiten, aber der Vorschlag sei „nicht ansatzweise akzeptabel“, sondern „null werthaltig“ gewesen, sagen die Kläger. Und mehr sei auch nicht zu holen, bedauert Beklagten-Anwalt Kranenfeld. Zwei Schriftsätze wird es noch geben, einen von jeder Seite, und dann ein Urteil der 17. Zivilkammer. Es wird für Anfang Juli erwartet.
Ein anderes Nachspiel winkt zudem, denn nach Informationen dieser Redaktion steckt die Swiss M Capital hinter jener Strafanzeige, die sich dem Kredit-Deal von seiner strafrechtlichen Seite nähert. Ermittelt wird seit einigen Monaten wegen des Vorwurfs des Kreditbetrugs. Die Fahnder, sie stehen bei diesem Deal offenbar nicht nur am Anfang.
Sondern auch am Ende.