Essen. Ein geprellter Geldgeber hat gegen die Verantwortlichen einer der Fakt-Firmen Strafanzeige erstattet. Der Vorwurf: Betrug bei einem Kredit-Deal.

Ein Firmengeflecht, das wie ein Kartenhaus zusammenfällt, Millionen-Kredite, die nicht bedient werden, Bürgschaften, die unverhofft ins Leere laufen – es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Pleite des Essener Immobilien- und Finanz-Konzerns Fakt und mehrere seiner Tochterfirmen auch die Frage aufwirft, ob da wirklich immer alles mit rechten Dingen zuging. Ging es nicht, behauptet jetzt einer der zahllosen Kreditgeber und wittert kriminelle Energie bei einem der Deals: Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

„Ich kann bestätigen, dass hier aufgrund einer Strafanzeige ein Ermittlungsverfahren gegen mehrere Verantwortliche einer Gesellschaft der Fakt-Gruppe anhängig ist“, so bestätigte auf Nachfrage jetzt Staatsanwalt Florian Pawig, der stellvertretende Pressesprecher der Behörde, die seit ein paar Wochen laufenden Ermittlungen. Tatvorwurf sei Betrug im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Darlehensvertrages.

Schon einmal erhob ein Geldgeber Vorwürfe und beklagte ein „Schneeballsystem“

Es ist nicht die erste Anschuldigung dieses Kalibers: Schon vor einigen Monaten warf ein vermögender Hamburger Unternehmer der Fakt AG vor, ein millionenschweres Darlehen zu stattlichen Zinssätzen in Anspruch genommen zu haben, als im Hause schon Feuer unterm Dach herrschte: Der Geldgeber ließ über seine Anwaltskanzlei mitteilen, er fühle sich „arglistig getäuscht“, weil das Unternehmen bereits bei Vertragsschluss weder rückzahlungsfähig noch rückzahlungswillig gewesen sei.

Geschäftspartner schon seit Hypothekenbank-Zeiten: Fakt-Gründer Hubert Schulte-Kemper (rechts) und Norbert Boddenberg, der sich nun staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ausgesetzt sieht.
Geschäftspartner schon seit Hypothekenbank-Zeiten: Fakt-Gründer Hubert Schulte-Kemper (rechts) und Norbert Boddenberg, der sich nun staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ausgesetzt sieht. © FUNKE Foto Services | Heinrich Jung

Finanziert worden seien mit dem Geld auch nicht die abgesprochenen Projekte, sondern entstandene Lücken bei der Bedienung anderer Kredite – ein „Schneeballsystem“ als Geschäftsmodell, „vorsätzlich und sittenwidrig“.

Die Essener Staatsanwaltschaft hält sich mit Namensnennungen einstweilen zurück

Während der Hamburger Unternehmer sich aber mit der Aussicht auf bessere Zeiten offenbar ruhigstellen ließ, platzte einem anderen Kreditfinanzierer der Kragen. Welches Unternehmen da die Strafanzeige erstattete, mag die Staatsanwaltschaft allerdings ebenso wenig verraten wie den Namen der betroffenen Fakt-Tochter und ihrer Verantwortlichen.

Nach Recherchen dieser Zeitung handelt es sich um das Unternehmen Swiss M Capital AG aus Zug in der Schweiz, das der Fakt Liegenschaften Bochum GmbH im vergangenen Jahr mehr als fünf Millionen Euro lieh, um damit den früheren Firmensitz des Wohnungskonzerns Vonovia zu entwickeln – eine fast 24.000 Quadratmeter große Immobilie in Bochum.

Man sieht sich vor Gericht: Im Januar geht es um nicht weniger als 5,9 Millionen Euro

Der Kredit, gedacht als Brücken-Finanzierung für gut ein Jahr zum stattlichen Zinssatz von 15 Prozent, wurde Ende Mai 2022 eingestielt. Zu einer Zeit also, als im Fakt-Konzern aus finanziellen Gründen schon alle Warnlampen glühten: mit verzögerten Gehaltszahlungen und dramatischen Bettelbriefen des Vorstands an die Landesregierung. Im Nachhinein wundert es deshalb nicht, dass auch beim Bochumer Projekt zugesagte Unterlagen nach Behauptungen der Finanziers nicht ausgehändigt wurden und Rückzahlungsforderungen ins Leere gingen.

Täuschte die Fakt-Tochter, die das ehemalige Vonovia-Gelände an der Philippstraße in Bochum entwickelte, über die Finanzlage des Unternehmens hinweg? Ein Darlehens-Geber schürt genau diesen Verdacht.
Täuschte die Fakt-Tochter, die das ehemalige Vonovia-Gelände an der Philippstraße in Bochum entwickelte, über die Finanzlage des Unternehmens hinweg? Ein Darlehens-Geber schürt genau diesen Verdacht. © FUNKE Foto Services GmbH | Manfred Sander

Damit das Geld doch noch kommt, dafür trifft man sich demnächst vor dem Kadi wieder: Im Januar kommenden Jahres sollen zwei Vermögensgesellschaften des Fakt-Gründers Hubert Schulte-Kemper („HSK“), die HSK Finanzmanagement GmbH und die SK Activ GmbH, über 5,9 Millionen Euro für den Bochumer Immobilien-Deal locker machen. Denn sie bürgten einst für das Darlehen.

Knatsch um Finanzen gab es oft, doch erstmals geht es um die strafrechtliche Seite

Derlei Bürgschaften gab es im Fakt-Konzern viele, auch schon einen Bürgschafts-Prozess, doch zum ersten Mal wird jetzt auch die strafrechtliche Seite beleuchtet. Dem Betrugsvorwurf ausgesetzt sehen sich nach Informationen dieser Zeitung der langjährige Fakt-Geschäftspartner Schulte-Kempers, Norbert Boddenberg, sowie die Tochter von Fakt-Frontmann „HSK“, Kirsten Schulte-Kemper. Beide waren im Mai vergangenen Jahres Geschäftsführer der mittlerweile ebenfalls insolventen Fakt Liegenschaften Bochum GmbH. „HSK“ selbst steht dagegen nicht im Fokus der Ermittler.

Die geplante Wohnbau-Offensive von Fakt liegt auf Eis, die im Mai vergangenen Jahres medienwirksam mit Ministerin Ina Scharrenbach unterzeichnete Absichtserklärung darf nicht ohne weiteres weitergereicht werden. lm Hintergrund (von links) Hubert Schulte-Kemper, Kirsten Schulte-Kemper und die Stadt-Vertreter Werner Arndt (Marl), Karlheinz Friedrichs (Herne), Sören Link (Duisburg), Thomas Palotz (Oberhausen) und Michaela Eislöffel (Dinslaken).
Die geplante Wohnbau-Offensive von Fakt liegt auf Eis, die im Mai vergangenen Jahres medienwirksam mit Ministerin Ina Scharrenbach unterzeichnete Absichtserklärung darf nicht ohne weiteres weitergereicht werden. lm Hintergrund (von links) Hubert Schulte-Kemper, Kirsten Schulte-Kemper und die Stadt-Vertreter Werner Arndt (Marl), Karlheinz Friedrichs (Herne), Sören Link (Duisburg), Thomas Palotz (Oberhausen) und Michaela Eislöffel (Dinslaken). © Fakt AG

Und doch kommen die Nachforschungen für ihn und seine Familie zur Unzeit, denn Pleite hin, Pleite her: Aufgeben kommt für die Schulte-Kempers offenbar nicht in Frage. Erst vor wenigen Wochen gründeten sie gemeinsam mit Partnern ein Wohnungsbau-Unternehmen namens Fortunus Living GmbH, mit dem man ganz groß im darniederliegenden Wohnungsmarkt mitmischen will. Die Hälfte der Gesellschaftsanteile zeichnete Schulte-Kempers Frau, mit in der Geschäftsführung sitzt die Tochter.

Die großen Wohnbau-Pläne mit dem Land und sieben Revierstädten liegen auf Eis

Dass diese sich nun staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ausgesetzt sieht, dürfte gleichwohl nicht die einzige Hürde für die erhofften lukrativen Geschäfte mit öffentlich geförderten Wohnungen sein. Denn seit die Fakt AG in die Insolvenz rutschte, ruht die einst mit dem Land und sieben Ruhrgebiets-Städten verfasste Absichtserklärung („Letter of intent“, LOI) für eine Wohnbau-Offensive. Dies teilte das NRW-Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung jüngst auf Anfrage mit.

Nicht weniger als 4000 Wohnungen und ein Investitionsvolumen von rund 1,5 Milliarden Euro waren da einst avisiert worden, doch weil die Fakt Wohnungsbau AG seit ein paar Tagen ebenfalls pleite ist und den LOI nicht ohne weiteres an andere Unternehmen weiterreichen darf, kommt der gut Wille erst einmal nicht von der Stelle. Ohnehin, so heißt es aus dem Ministerium spürbar unterkühlt, möge man doch bitte erst dann wieder anklingeln, wenn projektreife Vorhaben vorliegen.