Essen-Katernberg. Wegen der vielen Anmeldungen gibt es im nächsten Schuljahr erstmals wieder drei fünfte Klassen. Wie macht die Glückauf-Schule das?

Noch vor etwa zehn Jahren galt sie als Auslaufmodell, jetzt ist sie beliebt wie keine andere Hauptschule im Stadtgebiet: die Katernberger Glückaufschule. Die Anmeldezahlen steigen schon seit einigen Jahren, im nächsten Schuljahr wird es erstmals wieder drei fünfte Klassen geben. Was macht diese Schule so beliebt?

Am Gebäude jedenfalls dürfte es nicht liegen: Das sieht aus wie in die Jahre gekommene Schulgebäude im Ruhrgebiet eben aussehen. Mit dem hellen Anstrich in Gelb und Orange vielleicht etwas freundlicher als andere, und dennoch keine Schönheit. Immerhin: Die Toiletten sind neu.

Man muss aber noch genauer hinsehen. Dann fallen erste Indizien ins Auge: Da sind zum Beispiel die buntbemalten Bienenkästen auf einer Fläche zwischen Schulgebäude und Katernberger Bach. Ein Paletten-Hochbeet auf einer Brachfläche neben dem Schulhof, daneben eine kleine Boulderwand. Und der Geburtstags-Blumenstrauß, den ein Schüler der stellvertretenden Direktorin Sabine Wiese in die Hand drückt.

Für das neue Schuljahr hat die Essener Glückauf-Schule 61 Anmeldungen erhalten

Ulrich Lenser (1.v.l.) freut sich über die Zusammenarbeit mit dem Imker Hubert Dewenter (3.v.l.). Dank der Kooperation kann die Schule ein weiteres Projekt anbieten.
Ulrich Lenser (1.v.l.) freut sich über die Zusammenarbeit mit dem Imker Hubert Dewenter (3.v.l.). Dank der Kooperation kann die Schule ein weiteres Projekt anbieten. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Alle paar Schritte wird Sabine Wiese von Schülern und Schülerinnen gegrüßt, ein Mädchen fällt ihr um den Hals. „Ich vermisse meine Fünfer so“, sagt sie, sichtlich gerührt von soviel Überschwänglichkeit. Aus personellen Gründen müsse sie sich derzeit mehr um Organisation und Verwaltung kümmern als sonst, erklärt sie. Wenig Zeit bleibe da zum Unterrichten.

325 Kinder besuchen die Hauptschule aktuell, verteilt auf zwei Standorte. Zum neuen Schuljahr sind bislang 61 Fünftklässler angemeldet worden. Aus Erfahrung weiß Sabine Wiese, die den Katernberger Standort leitet: Es werden weitere hinzukommen, Seiteneinsteiger, Zugezogene: „Jede Woche nehmen wir ein bis zwei Kinder im laufenden Schuljahr auf“.

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Vor knapp zehn Jahren sah das noch anders aus: Die Glückauf-Schule, die damals Katholische Hauptschule Katernberg hieß, hatte, wie alle Hauptschulen, immer weniger Anmeldungen. 2016 verlor sie ihre Eigenständigkeit, wurde zur Zweigstelle der Katholischen Marien-Hauptschule in Steele. Nachdem die Zahlen wieder anzogen, wurde sie 2019 mit der Hauptschule Bischoffstraße, für die es bereits einen Auslaufbeschluss gab, zusammengelegt: eine neue Schule, verteilt auf zwei Standorte. Heute teilt man sich Hausmeister und Sekreatärin. In Katernberg werden die Kinder von der fünften bis zur siebten Klasse unterrichtet, ab der achten Klasse geht es in Altenessen weiter. Was für die Lehrer, die zwischen beiden Standorten pendeln müssen, nicht immer einfach ist, sei für die Kinder gut, sagt Julia Stiehls, Lehrerin für Mathematik und Chemie.

Essener Hauptschule punktet mit kleinen Klassen und viel Projektarbeit

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„Viele finden angenehm, dass die Großen und die Kleineren für sich sind“, sagt auch Sabine Wiese. Einige Konflikte würden dadurch ausgeschaltet, sie selbst sehe Vor- und Nachteile. „Aber ich lebe mit dem, was ich habe, und mache das Beste daraus.“ Irgendwann, so die Planung der Stadt, sollen die beiden Schulteile an einem Standort zusammengeführt werden, doch angesichts dessen, was im Schulbereich in Essen alles getan werden müsse, werde das wohl noch dauern.

Wie aber erklärt sie sich die wachsende Beliebtheit ihrer Schule? „Natürlich sind wir die Schule, die Kinder aufnimmt, wenn sie woanders keinen Platz bekommen.“ Aber eben auch die Schule mit den kleinen Klassen, an der irgendwie jeder jeden kennt, wodurch man „nah am Kind“ sei. „Ich möchte uns nicht von anderen Hauptschulen abheben“, sagt Sabine Wiese und tut sich schwer damit, die Vorzüge ihrer Schule herauszukehren.

An der Boulderwand auf einer Brachfläche neben dem Schulhof haben auch Schüler und Schülerinnen mitgebaut. Hier sollen noch weitere Ideen umgesetzt werden.
An der Boulderwand auf einer Brachfläche neben dem Schulhof haben auch Schüler und Schülerinnen mitgebaut. Hier sollen noch weitere Ideen umgesetzt werden. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener
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Das macht umso bereitwilliger Ulrich Lenser, der nicht nur viele Fächer unterrichtet (Erdkunde, Praktische Philosophie, Geschichte-Politik, Darstellen & Gestalten), sondern auch eine lange Liste zusätzlicher Aktivitäten und Projekte hat. „Man muss mit den Kindern in die Projektarbeit gehen, dabei passiert Bildung“, sagt er und bringt die stellvertretende Direktorin schnell mal auf den aktuellen Stand: „Was Sie noch nicht wissen“, beginnt er, „ich habe Folgendes organisiert“. Dann spricht er über die neuen Projekte, die hinzugekommen sind und erklärt: „Wenn ich was sehe oder lese, was für uns in Frage kommt, dann leiere ich das an.“ Als ob es das Selbstverständlichste der Welt wäre.

Jede Woche nehmen wir ein bis zwei Kinder im laufenden Schuljahr auf.
Sabine Wiese - Leiterin Standort Katernberg und stellvertretende Schulleitung

Er sei da nicht der Einzige, sagt Sabine Wiese, auch die Schulsozialarbeiterin Mariam Demir habe immer tolle Ideen. Sie setzt zu einem Loblied auf das engagierte Kollegium an, unterbricht ihre Aufzählung aber selbst: „Ich würde sicher jemanden vergessen...“

Aufräumaktionen am Katernberger Bach, die Patenschaft für den Spielplatz Alte Kirchstraße, Umweltprojekte mit dem Lern- und Entwicklungslabor, die Kooperation mit dem Imkerverein, das Projekt Gießkannenhelden, der Schulkiosk, der von Schülern geführt wird, Kino- und Theaterbesuche und die Teilnahme am Musikprojekt 6k-united, die kleine Schulbücherei, das Projekt Schulhühner – und, und, und. Die Schule setzt auf Kooperationen und Vernetzung vor Ort. „Wir versuchen viel, um es hier schön zu machen“, sagt Sabine Wiese. „Es ist wichtig, dass die Schüler signalisiert bekommen, dass sie ihre Schule mitgestalten und etwas verändern können.“

Jahrgangsteams und regelmäßige Absprachen sollen den Austausch an der Glückauf-Schule verbessern

Auf der Brachfläche neben dem Schulhof soll noch einiges passieren. Die Hochbeete aus Paletten sind schon da.
Auf der Brachfläche neben dem Schulhof soll noch einiges passieren. Die Hochbeete aus Paletten sind schon da. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Damit das gelingen kann, habe man auch interne Strukturen erneuert. So gebe es zwar weiterhin Klassenlehrer, aber auch Lehrer, die jahrgangsweise fest zugeordnet seien. Die Schüler hätten dadurch mehrere Ansprechpartner, die sie gut kennen würden. Darüber hinaus habe man auch die Konferenzkultur umgestellt: „Tür- und Angelgespräche vermeiden wir, stattdessen gibt es feste wöchentliche Teamsitzungen, in denen intensiv über die Kinder und ihre Entwicklung geredet werden kann“, erklärt Sabine Wiese. Hinzu kämen regelmäßige Dienstbesprechungen, „konsequent auf eine halbe Stunde begrenzt“, wodurch die Zahl der anderen Konferenzen reduziert worden sei.

Wie sie den Schüler-Zulauf räumlich und personell künftig stemmen werden, kann Sabine Wiese noch nicht sagen. Am Standort Bischoffstraße sind die Jahrgänge acht und neun bereits dreizügig, die Schule weicht dort auf Container aus. Wobei sie daran nichts Schlechtes finde: „So tolle Klassenräume sind das! Ich war wirklich überrascht.“

Erst ab dem übernächsten Schuljahr könnte die Dreizügigkeit auch am Katernberger Standort echte Platzprobleme verursachen. Schulkinder abzulehnen, kommt für Sabine Wiese dennoch nicht in Frage. „In diese Lage sind wir noch nicht gekommen, und das möchten wir weiterhin auch nicht.“ Angesichts der steigenden Anmeldezahlen gelte es aktuell aber erst einmal ganz pragmatische Fragen zu klären: Ob man zum Beispiel mehr Stunden im Schwimmbad bekommen könne.

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