Essen-Frillendorf. Teilnehmer üben Ausweichmanöver und Vollbremsung auf dem Verkehrsübungsplatz in Frillendorf. Cannabis ist Thema bei Verkehrsexperten.

Wenn im Frühjahr die Motorradsaison wieder beginnt, passieren erfahrungsgemäß die meisten Unfälle, sagen Verkehrsexperten. Viele Zweiräder haben den Winter über in der Garage gestanden, die Fahrerinnen und Fahrer müssen sich erst wieder an die Maschinen gewöhnen. Deshalb lädt die Verkehrswacht Essen in Zusammenarbeit mit Polizei und Dekra im Mai zu mehreren Fahrtrainings ein. In diesem Jahr gibt es ein neues Thema: die Teillegalisierung von Cannabis und ihre Auswirkungen auf den Straßenverkehr.

Eine Gruppe von zehn Teilnehmern, darunter eine Frau, haben sich für den Kurs auf dem Verkehrsübungsplatz Am Schacht Hubert in Essen-Frillendorf anmeldet. Sie drehen unter Anleitung von Trainer Rainer Rehmann (72), ehemaliger Polizist, Fahrinstruktor für Pkw und Motorrad sowie nach wie vor begeisterter Motorradfahrer, ihre Runden auf dem Platz. Der ist während des Trainings für die Öffentlichkeit gesperrt.

Das Sicherheitstraining für Motorradfahrer in Essen gibt es immer zu Saisonbeginn

Die Mehrheit der Teilnehmer ist um die 60. Für die Organisatoren des Trainings nicht weiter ungewöhnlich. „Die meisten Motorradfahrer sind älter, die haben das Geld für das Hobby und oft auch mehr Zeit“, erklärt Carsten Debler, Niederlassungsleiter der Dekra, die sich um die Überprüfung von Kraftfahrzeugen kümmert.

Im fortgeschrittenen Alter wachse zudem das Bewusstsein für eigene Defizite und damit die Bereitschaft, an einem solchen Training teilzunehmen. „Die Älteren fahren meist defensiver und vorausschauender.“ Auf der anderen Seite ließen aber motorische Fähigkeiten und Reaktionsschnelligkeit im Alter nach und viele ließen die Bikes auch in der kalten Jahreszeit länger stehen als jüngere Fahrer. Auch hätten viele Motorräder zu Saisonbeginn neue Reifen erhalten. „Da ist besondere Vorsicht erforderlich. Es braucht ungefähr 100 Kilometer, bis sie eingefahren sind“, so Debler.

Die Leitung des Sicherheitstrainings übernimmt Rainer Rehmann, ehemaliger Polizist und passionierter Motorradfahrer.
Die Leitung des Sicherheitstrainings übernimmt Rainer Rehmann, ehemaliger Polizist und passionierter Motorradfahrer. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Auf dem Programm des ganztägigen Trainings stehen eine kurze Einweisung, Kurven- und Slalomfahren, Vollbremsungen und Ausweichmanöver, die die Teilnehmer mit ihren eigenen Maschinen absolvieren. Vor allem die extrem langsame Geschwindigkeit, die für das präzise Umfahren der Pylonen erforderlich ist, stellt viele vor eine große Herausforderung. „Wenn um 16 Uhr Schluss ist, sind alle in der Regel erschöpft, weil den ganzen Tag Konzentration gefordert ist“, sagt der Trainer. 100 Euro lassen sich die Teilnehmer den Workshop kosten, bei dem es auch um die technische Verkehrssicherheit der Maschinen und die entsprechende Schutzkleidung für Motorradfahrer geht.

Nach dem Winter müssen sich die Essener Biker erst wieder an ihre Maschinen gewöhnen

Einer von ihnen ist Detlef Kuhlmann (63), der sich diese Auffrischung seit rund zehn Jahren immer zu Saisonbeginn gönnt. „Am Ende des Tages merkt man schon, dass man sich wieder an die Maschine gewöhnt hat und viel sicherer geworden ist“, sagt er. Früher sei er mit seiner Maschine in ganz Europa unterwegs gewesen, jetzt fahre er meist in Deutschland.

Für Andreas Malberger, Polizeibeamter und Leiter der Verkehrsinspektion 1, sind die Motorradfahrer keine Problemgruppe. Im vergangenen Jahr habe es zwei Verkehrstote in Essen gegeben, doch beide seien Fußgänger gewesen. Trotzdem hält Malberger Trainings wie das in Frillendorf für wichtig, da Unfälle oft auf zu hohe Geschwindigkeit, aber auch auf Fahrfehler zurückzuführen seien. „Viele verschätzen sich in den Kurven, aber Motorradfahrer werden auch oft beim Linksabbiegen von entgegenkommenden Autofahrern übersehen.“

In einer Reihe stellen sich die Motorradfahrer auf und lassen sich die Übungen erläutern.
In einer Reihe stellen sich die Motorradfahrer auf und lassen sich die Übungen erläutern. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Ein Thema bewegt die Verkehrsexperten gerade besonders. Die Teillegalisierung von Cannabis sehen die Vertreter von Verkehrswacht, Polizei und Dekra sehr skeptisch. „Im Gegensatz zu Alkohol gibt es da ja keine klaren Grenzen“, sagt Anja Löhrmann, Vorsitzende der Verkehrswacht. Der Slogan „Bekifft fahr ich nicht“ sei zwar griffig, aber man müsse trotzdem fragen, was er genau bedeute. „Bei Alkohol gibt es zumindest Werte, man weiß ungefähr, wie schnell er sich im Körper abbaut. Aber kann man fahren, wenn man zwei Tage vorher einen Joint geraucht hat?“, so Löhrmann.

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Die fehlenden konkreten Grenzwerte seien „eine Katastrophe“, findet Andreas Malberger. Die Teillegalisierung von Cannabis und ihre Folgen für den Straßenverkehr seien von der Politik nicht zu Ende gedacht worden, finden die Verkehrsexperten und sehen noch viel Arbeit auf die Ordnungsbehörden zukommen. „Und die Staatsanwaltschaft muss aufgrund der neuen Gesetzeslage etliche Verfahren wieder aufrollen“, so Malberger.

Für Senioren gibt es bei der Essener Verkehrswacht spezielle Kurse

Die Verkehrswacht bietet übrigens neben den Motorradtrainings im Mai auch etwa zwölf Sicherheitstrainings pro Jahr für Pkw-Fahrer und -Fahrerinnen an. Sämtliche Kurse, darunter auch Übungseinheiten speziell für Senioren mit Seh- und Reaktionstest, finden auf der Anlage in Frillendorf Am Schacht Hubert statt. Laut der Vorsitzenden Anja Löhrmann können auch Kurse von Firmen gebucht werden. Wenn die Mitarbeitenden dienstlich mit dem Auto unterwegs sind, können sie von der Berufsgenossenschaft gefördert werden. Infos auf www.verkehrswacht-essen.de .

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