Essen. Anlässlich „150 Jahre Villa Hügel“ schüttet die Krupp-Stiftung 1,77 Millionen Euro aus und spricht von einem „enormen Wissensgewinn“.
Seit ihrem Bestehen fördert die Krupp-Stiftung in Essen Menschen und Projekte in Kunst und Kultur, Bildung, Wissenschaft, Gesundheit und Sport. Anlässlich des 150-jährigen Bestehens der Villa Hügel gab es ein Extra: „150 Jahre Villa Hügel - 150 Projekte für das Ruhrgebiet“ heißt das Sonderprogramm, das die Stiftung aufgelegt hat. Die Resonanz sei immens gewesen, berichtete Vorstandsmitglied Michaela Muylkens am Donnerstag (25. April). 510 Projektanträge seien eingereicht worden. „Qualität war das ausschlaggebende Kriterium bei der Auswahl.“ Die 150 ausgewählten Projekte erhalten Förderungen zwischen jeweils 500 und 25.000 Euro.
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Ursprünglich war das Förderprogramm mit 1,5 Millionen Euro dotiert. Um die 150 ausgesuchten und qualitativ anspruchsvollen Projekte verwirklichen zu können, bewilligte die Stiftung einen satten Nachschlag. Die Gesamtfördersumme beträgt jetzt 1,77 Millionen Euro. Die ausgewählten Projekte kommen aus 30 Ruhrgebietsstädten Das größte Stück des Kuchens fiel für Essen ab, das allein 52-mal berücksichtigt wurde. Besonders stark repräsentiert sind die Felder Kunst und Kultur (68 Projekte) sowie Bildung (59 Projekte).
Allein schon die Vielfalt an Bewerbungen wertet die Krupp-Stiftung als enormen Erkenntnisgewinn: Denn die Bewerber und ihre Themen spiegeln wider, womit sich die Region besonders intensiv beschäftigt. „Integration und interkulturelle Verständigung sind die dominanten Themen“, so Michaela Muylkens. Auch die Stiftungsvorsitzende Prof. Ursula Gather wies in einem Presse-Statement auf den „enormen Wissensgewinn“ hin: „Über die Region und die Bedürfnisse ihrer Vereine , Museen, Universitäten, Schulen, Kitas, Künstlerinnen und Künstler und anderer Institutionen - das ist für uns und unsere Arbeit von unschätzbarem Wert.“
Eine Auswahl: Glück, Kioskkultur, Handwerk, Bahnhofsgeschichten, Schauspieler mit Handicap
Überrascht seien sie bei der Krupp-Stiftung gewesen, dass das Trend-Thema Digitalisierung nicht überrepräsentiert gewesen sei. Dafür habe es neue Themen gegeben wie etwa Geschlechtergerechtigkeit. Die ersten Förderprojekte seien bereits an den Start gegangen, man werde alle intensiv begleiten. Michaela Muylkens: „Wir wollen den Schatz an Informationen vertiefen.“
Hospizarbeit, Glück, Handwerk, Fußball, Kioskkultur, Virtual Reality - das sind Themen der geförderten Projekte. Fünf davon stellten sich in der Villa Hügel selbst vor:
Die Wissenschaftlerin Anna Frohn von der „Junior Uni Essen“ betreut das Forschungsprojekt „Experiment Glück“. Auslöser sei eine Umfrage von Radio Essen gewesen, die zutage brachte, dass Kinder und Jugendliche in dieser Stadt anscheinend nicht sonderlich glücklich zu sein scheinen. Zusammen mit Wissenschaftlern und Künstlern sollen Essener Jugendliche in dem Glücksprojekt nun herausfinden, was Glück überhaupt ist. In Laboren und Werkstätten entstehe ein Austausch über die Lebenswelten junger Menschen und ihrer Potenziale. Glück werde erforscht, herausgefordert und gestaltet, so die Wissenschaftlerin. Sie sei sicher, dass Glück erlern- und teilbar sei. Ohne die Förderung der Krupp-Stiftung, betont sie, hätte das Projekt nicht verwirklicht werden können.
Franz Sales Haus „On Air“: Theaterwerkstatt geht mit Podcasts in den Bürgerfunk
Die Franz Sales Werkstätten in Essen für Menschen mit Behinderungen wollen mit dem Vorhaben „On Air - Podcasts und Beiträge“ im Essener Bürgerfunk auf Sendung gehen. Alle Teilnehmer gehören der Theater- und Kulturwerkstatt an. Eine von ihnen, Anna-Linn Kiesewetter, berichtete anschaulich über ihre ersten Erfahrungen, technische Kniffe und die Auswahl der Themen. Das Podcast-Team berichtet über Arbeits- und Privatleben, es gibt Einblicke in Theaterproben und man bespricht Bücher und Filme. „Wir wollen auch in Schulen auftreten“, fügte Mirko-Peter Beckmann hinzu.
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Tischlern, lackieren, schrauben: Gemeinsam mit dem Aalto- und Grillo-Theater und der Gesamtschule Essen-Nord werden 120 Schülerinnen und Schüler zwischen 14 und 17 Jahren an handwerkliche Ausbildungsberufe im Kulturbereich herangeführt. Sie stammten überwiegend aus weniger privilegierten Familien, berichtete Britta Schröder von der Stiftung „Talent Metropole Ruhr“, die im Bereich Kreativwirtschaft bislang noch nicht unterwegs war. Sie leitet das Pilotprojekt „Jugend testet Handwerk im Kulturbetrieb“ und kündigte an: „Wir wollen Talente entdecken und Türen öffnen.“
Dieses Projekt der Technischen Universität Dortmund geht das ganze Ruhrgebiet an: Alexander Röhm erforscht die Kultur der Kioske und Trinkhallen, die wichtige Orte für Integration und Interaktion seien. Häufig hätten die Betreiber Migrations- und Fluchterfahrungen, gleichzeitig seien sie wichtige Anlaufstellen für eine Kundschaft mit Migrationshintergrund. Diese fänden Lebensmittel aus ihrer Heimat und träfen Landsleute.
Kleinere Vereine fallen durch großes ehrenamtliches Engagement auf
Im Schwerpunkt „Streben zum Großen“ befasst sich die Autorin Andrea Behnke („Kleiner Bahnhof - große Geschichte“) intensiv mit dem Bochumer Nordbahnhof. Sie plant einen literarischen Streifzug mit 20 Episoden, die zugleich die Geschichte Bochums behandeln: angefangen vom Kaiserreich, über Ersten und Zweiten Weltkrieg, Juden-Deportationen in der NS-Zeit, Wiederaufbau bis hin zur Gegenwart. Heute praktiziert dort ein Schönheitschirurg, während eine Initiative die Erinnerung an die Hitler-Diktatur wachhält. Das finanzielle Polster der Stiftung erlaube ihr, ohne Zeitdruck stundenlang im Stadtarchiv recherchieren zu können.
Dass die Juroren mit viel Fingerspitzengefühl zu Werke gegangen sind, zeigt die Vielfalt der kleineren Förderprojekte. Projekte, die für viel Kreativität stehen. Hier eine kleine Auswahl: Die Albert-Einstein-Realschule in Rellinghausen baut Aufenthaltsmöglichkeiten auf dem Schulhof des fünften Jahrgangs. Die Glückauf-Schule erweitert den Schulgarten und die Gustav-Heinemann-Gesamtschule baut eine Schülerfirma auf. Das evangelische Familienzentrum FarbKRAYsel gestaltet einen Zirkuswagen. Der Freundeskreis für Kirchenmusik an der Auferstehungskirche plant das Festkonzert der Jugendkantorei mit dem Jugendsinfonieorchester. Der Verein Viertelimpuls ist mit „Ugarit - gemeinsame Note“ dabei und die Wohngruppe für Kinder und Jugendliche verhilft Nichtschwimmern zum Seepferdchen- oder gar zum Bronzeabzeichen.
„Das große ehrenamtliche Engagement gerade in den kleineren Vereinen hat uns sehr beeindruckt“, sagt Maren Fritz von der Krupp-Stiftung.
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