Essen. Hat das Fahrrad aufgeholt? Die Stadt Essen befragt wieder Bürger, um herauszufinden, ob die Verkehrswende vorankommt. Indizien dafür gibt es.
Welches Verkehrsmittel bevorzugen Essenerinnen und Essener? Wann nutzen sie das Auto, wann Bus oder Bahn? Wann steigen sie aufs Fahrrad, und wann gehen sie lieber zu Fuß? Um das herauszufinden, plant die Stadt abermals eine repräsentative Haushaltsbefragung. Die letzte Befragung liegt einige Jahre zurück – datiert von 2019 auf Basis von Daten aus 2018. Hat sich das Mobilitätsverhalten der Bürgerinnen und Bürger jetzt verändert?
Dies gilt es aus Sicht der Stadt herauszufinden. Die Verwaltung spricht von einer „zielgerichteten Wirkungskontrolle“. Investiert die Stadt unter anderem doch viel Geld in die Umsetzung des Radentscheides und in die Förderung des Fuß- und Radverkehrs. Das ehrgeizige Ziel: Bis zum Jahr 2035 soll sich die Mobilität zu je 25 Prozent auf den motorisierten Individualverkehr, auf den öffentlichen Personen-Nahverkehr, auf den Rad- und auf Fußverkehr verteilen.
55 Prozent ihrer Wege legten die Essenerinnen und Essener mit dem Auto zurück
Davon war die Stadt 2019 noch weit entfernt, so das Ergebnis der damaligen Haushaltsbefragung. Damals war das Auto mit großem Abstand das Verkehrsmittel Nummer eins; die Essenerinnen und Essener nutzen es, um 55 Prozent ihrer Wege zurückzulegen. Für 19 Prozent ihrer Wege legten sie mit Bus oder Bahn zurück, 17 Prozent ihre Wege gingen sie zu Fuß. Der Anteil des Fahrrads lag gerade einmal bei sieben Prozent.
Aus Sicht aller, die sich für die sogenannte Verkehrswende starkmachen, die weg wollen vom Auto, war dieses Ergebnis eine Enttäuschung. Zumal der Anteil des Autoverkehrs im Vergleich zur damals letzten Befragung aus dem Jahr 2011 sogar um ein Prozent höher lag. Zu Verschiebungen war es nur zwischen ÖPNV, Rad- und Fußverkehr gekommen.
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Essens Umwelt- und Verkehrsdezernentin Simone Raskob versuchte den Zahlen dennoch etwas Positives abzugewinnen. „Da ist noch Luft nach oben“, sagte Raskob tapfer. Dies gelte insbesondere für den Radverkehr.
Wie hat sich das Mobilitätsverhalten seitdem entwickelt? Indizien, mit deren Hilfe sich diese Frage bereits beantworten lässt, gibt es. So ist die Zahl der in Essen zugelassenen Kraftfahrzeuge weiter gestiegen, von 347.833 (Stand 1. Januar 2019) auf 372.043 (Stand 1. April 2024). Das sagt noch nichts darüber aus, wie oft die vielen Autos gefahren werden, aber nur in der Garage stehen sie sicher nicht.
Die Fahrgastzahlen der Ruhrbahn sind hingegen gesunken. Das kommunale Nahverkehrsunternehmen beförderte 2018 noch rund 114,6 Millionen Personen mit Bus und Bahn. 2023 waren es laut Statistik 91.3 Millionen Fahrgäste.
Das Radwegenetz in Essen wird ausgebaut, der Fachhandel boomt
Gestiegen ist hingegen der Anteil des Radverkehrs; zumindest ist das der subjektive Eindruck, wenn man in der Stadt unterwegs ist. Selbst im Winter begegnet man hartgesottenen Radlern in entsprechender Schutzkleidung. Das Radwegenetz wurde seit 2019 weiter ausgebaut, auch wenn das Tempo nach dem Geschmack der Fahrradlobby noch viel zu langsam ist. Zudem boomt der Fahrradhandel auch in Essen. E-Bikes beschleunigen diesen Trend, mehr als jedes zweite verkaufte Rad fährt mit elektrischer Unterstützung.
Belastbare Zahlen liefern die Fahrradzählstellen, von denen es in Essen aber nur einige wenige gibt, eine davon an der beliebten Grugatrasse. Dort wurden im vergangenen Jahr insgesamt 610.583 Fahrradfahrerinnen und Fahrerradfahrer gezählt. Zum Vergleich: 2018 waren es 414.229. Auch auf der Huyssenallee waren mehr Radfahrer unterwegs: 2023 passierten dort 286.298 Radler die Zählstelle, 2018 waren es 150.688.
Ergebnisse der Haushaltsbefragungen erlauben Aussagen über alle Essener Stadtbezirke
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Man darf also gespannt sein. Mit der Haushaltsbefragung will die Stadt Essen einen „qualifizierten Dienstleister“ beauftragen. Die Befragten werden per Zufallsprinzip aus dem Einwohnermelderegister ausgewählt. Die Stichprobe wird so gestaltet, dass das Ergebnis repräsentativ ist und Schlussfolgerungen über das Mobilitätsverhalten der Bevölkerung in allen neun Stadtbezirken erlaubt.
Durchgeführt werden soll die Befragung im Herbst dieses Jahres und im Frühjahr des kommenden Jahres. Auf diesem Weg soll vermieden werden, dass saisonale und witterungsbedingte Einflüsse das Ergebnis verfälschen. Die Stadt beziffert die Kosten der Befragung auf 195.000 Euro.
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