Essen. Mitglieder der „Letzten Generation“ haben eine Kreuzung in Essen-Rüttenscheid besetzt. Polizei ermittelt gegen den Versammlungsleiter.
Aktivisten der sogenannten „Letzten Generation“ blockierten am Samstagmittag (27. April) eine wichtige Kreuzung in Rüttenscheid. Pünktlich um 12 Uhr betraten zunächst etwa zehn Personen die Kreuzung Martinstraße/Rüttenscheider Straße, binnen weniger Minuten vergrößerte sich die Gruppe auf knapp 40 Leute. Auch Mitglieder der Klimaschutzbewegung „Christians for Future“ mischten sich unter die Demonstrierenden. Laut Polizei haben sich im Laufe der Versammlung bis zu 100 Teilnehmer auf der Kreuzung befunden.
Vereinzelt hupten Autofahrer, wendeten dann aber und wählten eine andere Route. Die Polizei sperrte die Zufahrten zur Kreuzung, dies jedoch nur zum Teil. In Fahrtrichtung Süden wurden die Autos nicht abgeleitet und auch nicht vorgewarnt, die Fahrer fuhren nichtsahnend auf der Rü bis zur Demo und mussten dann umständlich wenden. Begreiflicherweise sorgte das für Unmut.
Letzte Generation blockiert die „Rü“ – Feuerwehr wird durchgelassen
Manche der Demo-Teilnehmer saßen auf der Kreuzung, die meisten aber standen. Als um kurz nach 12 Uhr ein Feuerwehrauto heranbrauste, ließen die Aktivisten dieses durch eine Rettungsgasse. Auch mehrere Busse durften passieren.
Fahrradfahrer konnten die Versammlung indes leicht passieren. Die Aktivisten hatten mit roter Kreide einen Fahrradweg auf die Kreuzung gemalt. „Durch unsere Versammlung wird der Sinn einer Fahrradstraße wieder erkennbar. Die Fahrradfahrer können ohne den üblichen Autoverkehr die Fahrradstraße nutzen“, sagte Claudia Winzer, Mitglied der „Letzten Generation“. Das sei auch der Grund gewesen, warum man sich die Kreuzung in Rüttenscheid als Schauplatz für die Kundgebung ausgesucht habe.
Letzte Generation blockiert die „Rü“
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Die Stimmung vor Ort war grundsätzlich friedlich. Manche Teilnehmer hatten Trommeln dabei, andere Transparente mit Aufschriften wie „Demokratie braucht Ehrlichkeit“ und „Erzählt uns keine Märchen“.
Aktivisten der „Letzen Generation“ verfolgen in Essen eine neue Strategie
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Zur „Letzten Generation“ gehören jene Demonstranten, die sich zuletzt deutschlandweit regelmäßig mit Klebstoff auf Kreuzungen oder anderen wichtigen Verkehrspunkten festmachten, um ihrem Protest für mehr Umweltschutz entsprechenden Nachdruck zu verleihen. Auch in Essen musste die Polizei schon mehrfach sogenannte „Klimakleber“ vom Asphalt lösen, zuletzt an der Kreuzung Krupp-/Bismarckstraße oder am Hauptbahnhof.
Ausdrücklich verfolgte man in der „Letzten Generation“ an diesem Wochenende eine andere Strategie. „Wir haben jetzt die Aufmerksamkeit der Menschen, den Kleber brauchen wir nicht mehr“, sagte Gesa Mühlhoff (19) von der Klimaschutzbewegung. Mit den „ungehorsamen Versammlungen“ wollen die Aktivisten vor allem „einen Raum für Diskussionen schaffen und Ehrlichkeit über die Klimakatastrophe von der Politik einfordern“, erklärte Malte Nierobisch (20).
Man wolle mit möglichst vielen interessierten Bürgerinnen und Bürgern darüber ins Gespräch kommen, wie eine Klimakatastrophe noch zu verhindern sei. Am Samstagmittag sah das so aus, dass die Anwesenden immer wieder nach ihren Meinungen gefragt wurden. Als Antwortoptionen standen Fahnen bereit, an denen man sich sammeln konnte. „Die neue Protestform solle anschlussfähig sein, sagte Aktivistin Claudia Winzer: „Wir möchten, dass sich die Menschen zu uns stellen, dabei kann jeder selbst entscheiden, wann er die Versammlung verlassen möchte.“ Auch ein „Awareness-Team“ sei immer mit dabei, um zu unterstützen.
Dieses Vorgehen fand bei einigen Passanten Zustimmung: „Ich finde es super. Es ist wichtig, sich für den Klimaschutz einzusetzen“, sagte ein Fahrradfahrer, der anonym bleiben möchte. Passantin Jennifer Klapper sagte: „Man muss die Leute dafür sensibilisieren. Außerdem sind die Demonstranten friedlich und tun ja niemandem weh“. Andere wiederum regten sich darüber auf, dass die Aktivisten den Verkehr stören würden: „Ich verstehe es nicht, warum sie das machen, sie blockieren nur den Weg.“
Polizei löst Versammung auf der Essener Rü nach etwa zwei Stunden auf
Gegen 14 Uhr löste die Polizei die Versammlung langsam auf. Per Lautsprecherdurchsage wurden die Demonstranten aufgefordert, die Kreuzung zu räumen und ihre Kundgebung auf dem angrenzenden Parkplatz fortzuführen. Einige verließen daraufhin die Kreuzung und setzten ihren Protest auf dem Bürgersteig fort. Einige Mitglieder blieben jedoch sitzend auf der Straße. Die Polizei sprach nach eigenen Angaben Platzverweise gegen 19 Personen aus. Schließlich trugen die Beamten einzelne Personen weg und brachten sie zu Polizeifahrzeugen. Insgesamt fünf Personen seien zwecks Durchsetzung des Platzverweises in Gewahrsam genommen worden. „Dabei leisteten zwei Personen Widerstand gegen die eingesetzten Beamten. Gegen beide wurde jeweils ein entsprechendes Strafverfahren eingeleitet. Verletzt wurde niemand“, so die Polizei.
Man habe extra die Rüttenscheider Straße ausgewählt, weil sie sinnbildlich dafür stehe, wie vermeintliche Umweltlösungen keine echten Lösungen darstellen, hieß es im Vorfeld seitens der „Letzten Generation“. Die Rüttenscheider Straße wurde 2020 in eine Fahrradstraße umgewandelt. Das heißt, dass Radfahrer prinzipiell Vorrang haben und zum Beispiel nebeneinander fahren dürfen. „Die Rüttenscheider Straße steht dabei für die Symbolpolitik in der Klimakatastrophe. Hier zeigt sich, wie scheinheilige Lösungen geschaffen werden, ohne die wahren Probleme anzugehen.“
Nach Angaben der Aktivisten sei eine Mahnwache angemeldet gewesen, wohl aber nur auf einem benachbarten Parkplatz. Wegen der Versammlung auf der Kreuzung ermittelt die Polizei nun gegen den mutmaßlichen Versammlungsleiter, einen 55-Jährigen aus Neuss.
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