Essen. Essener Taxiunternehmen beklagen, dass immer mehr Mietwagen der Konkurrenz im Stadtgebiet unerlaubt unterwegs sind. Was ist da dran?
Die Wut in der Essener Taxibranche auf den Konkurrenten Uber wächst. „Es ist katastrophal, was auf den Essener Straßen derzeit abgeht“, sagt Mustafa Celik, Inhaber von Taxi Specht. Seit drei bis vier Monaten seien immer mehr Mietwagen im Auftrag der Online-Bestellplattform Uber im Stadtgebiet unterwegs. „Die klauen uns die Kunden“, ärgert sich Celik. „Wenn das so weiter geht, werden viele Taxibetriebe Insolvenz anmelden müssen“, warnt er. Die langfristigen Folgen für die Kunden könnten steigende Preise sein. Deshalb fordern Taxiunternehmer wie er von der Stadt, stärker einzugreifen. Auch in der Essener Politik ist das Thema angekommen.
In der Tat sind die neuen Konkurrenten immer häufiger im Straßenbild zu sehen: Fahrer wie Amir aus Düsseldorf, der seit zwei Wochen am Uber-Steuer sitzt und am Freitag einen Fahrgast von der Landeshauptstadt nach Essen-Altendorf gefahren hat. Für den 38-Jährigen gebürtigen Iraner ein Job, von dem er sich nach zweieinhalb Jahren in Deutschland ein regelmäßiges Einkommen verspricht. „Eine gute Sache“, sagt er, seine Schicht beginnt morgens um vier und geht bis in den Nachmittag.
Taxifahrer Norbert Czwienk ist viel im Süden der Stadt unterwegs. Auf seinen Fahrten entdeckt er immer wieder Uber-Mietwagen, vornehmlich mit Düsseldorfer oder Neusser Kennzeichen, die am Wegesrand stehen und offenbar auf die nächste Kundschaft warten. Nach geltender Rechtslage müssen Mietwagen nach einer Fahrt eigentlich wieder zu ihrer Betriebsstätte zurückkehren. „Die halten sich aber nicht an die Rückkehrpflicht“, sagt Czwienk. Ähnliche Klagen gab es jüngst auch in Duisburg.
In seinem Ärger ist er zum Uber-Jäger geworden. Regelmäßig fotografiert er geparkte Fahrzeuge und schickt die Fotos zum Beweis an die jeweiligen Städte, wo die Fahrzeuge gemeldet sind. Auch die Stadt Essen setzt er regelmäßig darüber in Kenntnis. „Nur: Was daraus wird, ist dann die große Frage“, meint er.
Dass Czwienk mit seinem Verdacht nicht falsch liegt, bestätigt ein Uber-Fahrer auf Nachfrage: Führt der Weg von Düsseldorf etwa nach Essen machen sich die Fahrer keineswegs umgehend auf den Heimweg. Das System, so heißt es, schalte dann um auf Anfragen aus Essen, und da die Fahrerdichte noch nicht so groß sei, dauere es nicht lange bis zu einer Tour, die idealerweise dann wieder nach Düsseldorf zurückführt.
Essener Taxifahrer wird zum „Uber-Jäger“
Die Stadt Düsseldorf bestätigte, dass ihr „vereinzelt Verstöße“ vor allem gegen die Rückkehrpflicht aus Essen gemeldet wurden. Ein Sprecher dazu: „Sofern diese gerichtsverwertbar, also als Fotodokumentation mit Zeit- und Ortsangabe, dargelegt werden, wird seitens der Verkehrsgewerbestelle ein Verwaltungsverfahren eröffnet. Zu den laufenden Verfahren können wir leider keine Auskunft geben.“
Uber reagierte nur allgemein auf die Vorwürfe. „Wenn sich unsere Partner nicht an die Regeln halten und wir davon Kenntnis erlangen, ziehen wir entsprechende Konsequenzen, bis hin zu einer dauerhaften Sperrung auf unserer Plattform“, erklärte ein Sprecher. Überdies habe Uber eine „technische Lösung zur Einhaltung der Rückkehrpflicht“ in seine App integriert. Gemeldeten Beanstandungen gehe man durch „ein geschultes Team umfassend nach“. Verstöße könnten die Sperrung verwarnter Partnerunternehmen bzw. deren Fahrer zur Folge haben.
Uber-Fahrt von Essen zum Flughafen angeblich für 10 Euro
Dass auswärtige Uber-Mietwagen in Essen offenbar dennoch immer wieder auf Kunden lauern, ist die eine Seite. Die andere, die die Taxibetriebe wütend macht, sind die Preise, zu denen diese ihre Leistung anbieten. „Die fahren zu Dumpingpreisen“, meinen Celik und Czwienk und haben dafür auch Beispiele gesammelt, die ihnen zum Teil von Kunden selbst gemeldet wurden. So soll unter anderem eine Fahrt vom Atlantic Congress Hotel in Rüttenscheid zum Flughafen Düsseldorf für 10 Euro angeboten worden sein. „Als Taxi müssen wir dafür 60 bis 70 Euro nehmen“, rechnet Celik vor. Czwienk weiß von einer Uber-Fahrt, die von Rüttenscheid zur Rudolf-Weber-Arena in Oberhausen 20 Euro gekostet hat. Er müsste mehr als das Doppelte berechnen.
Anders als Taxis sind die Mietwagen nicht an feste Tarife gebunden. „Unsere Fahrer stehen manchmal stundenlang auf der Straße und müssen zusehen, wie Uber-Mietwagen ihnen die Kunden wegnehmen. Die sind richtig sauer“, sagt Celik und warnt vor wachsenden Spannungen, die auch eskalieren könnten.
Tatsächlich funktioniert die Plattform Uber ähnlich wie die Buchungsportale von Hotels oder Airlines: Ist die Nachfrage hoch, sind es auch die Preise. Gibt es umgekehrt wenig Kundeninteresse, sind die Fahrten günstiger. Dieses System sorge für eine deutlich höhere Auslastung, bei bezahlbaren Preisen für die Verbraucher, teilt der Uber-Sprecher auf Dumpingpreise angesprochen mit. „Diese hohe Auslastung schafft bessere Verdienstmöglichkeiten der Unternehmen.“
Essener Taxibranche fordert Mindesttarife für Mietwagen
Um dem Preiskampf nach unten Grenzen zu setzen, fordert die Taxibranche einen Mindesttarif für Mietwagen in Essen. Leipzig war eine der ersten Städte, die diesen 2021 einführte. Bereits 2022 drängte auch die Genossenschaft Taxi Essen darauf, als sie mit der Stadt Essen über neue Taxitarife verhandelte. „Getan hat sich bis heute allerdings nichts“, stellt der Vorstandsvorsitzende von Taxi Essen, Dirk Heinrichsen, ernüchtert fest. „Wir werden dies auch in den bald beginnenden Gesprächen wieder einbringen“, kündigte er an. Als eine weitere Antwort auf die wachsende Mietwagenkonkurrenz kämpft die Taxibranche in der Stadt außerdem um Festpreise. Das heißt: Taxiunternehmen dürften dann vor einer Fahrt in einem festgelegten Korridor einen Preis mit ihren Kunden ausmachen.
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Mindesttarife für Mietwagen oder Festpreise für Taxen: Letztlich muss der Stadtrat darüber entscheiden. Rückendeckung gibt es bereits von den kleinen Fraktionen Die Linke, FDP und EBB. Die Stadt Essen hat nach eigenen Angaben bereits ein Gutachten über einen Mindesttarif in Auftrag gegeben. Wann die Ergebnisse vorliegen, könne man aber noch nicht sagen.
Taxifahrer Czwienk wünscht sich darüber hinaus, dass die Stadt selbst aktiver wird und regelmäßig Kontrollen auf den Straßen macht. In Hamburg beispielsweise, sagt er, hätten die Behörden in der Vergangenheit hier konsequent durchgegriffen. Sollte das nicht passieren, befürchten Czwienk wie Celik ein Taxisterben mit Folgen für den Kunden. Diese freuen sich momentan zwar über niedrige Mietwagen-Preise. Doch wenn die Taxikonkurrenz einmal kräftig ausgedünnt ist, könnten Mietwagen die Preise gerade zu stark nachgefragten Zeiten kräftig nach oben treiben.
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