Essen. Im Juni 2022 eskaliert in Essen-Altendorf eine Fehde zwischen zwei Großfamilien. Jetzt ist am Landgericht ein erstes Urteil gesprochen worden.
Ein winziger Funke ließ die Gewalt explodieren: Vor knapp zwei Jahren haben sich zwei verfeindete Großfamilien in Essen-Altendorf eine wilde Straßenschlacht geliefert. Tische und Stühle flogen durch die Luft, dann floss Blut. Ein Mann wurde lebensgefährlich verletzt. Tagelang war der Stadtteil nach der Auseinandersetzung auf offener Straße nicht mehr zur Ruhe gekommen. Am Montag (22.4.) ist am Essener Landgericht ein erstes Urteil gesprochen worden.
Angeklagt war ein 27-jähriger Mann. Er hatte einem Mitglied der El-Zein-Familie mit einem Teppichmesser in den Hals gestochen und die Klinge durch eine Schwinger-Bewegung 15 Zentimeter nach unten gezogen. Danach war er wochenlang untergetaucht. Im Prozess sprach er nun von Nothilfe, einer rechtlich erlaubten Verteidigungshandlung. Das konnten die Richter der 7. Strafkammer nicht widerlegen und auch nicht ausschließen. Das Urteil: Freispruch.
Clan-Fehde in Altendorf: Straße füllte sich in kürzester Zeit
Es war der 25. Juni 2022, als Mitglieder der El-Zein-Familie wild entschlossen vor einem kleinen Restaurant an der Altendorfer Straße auftauchten. Es hatte Streit im Straßenverkehr gegeben. Schon im Vorfeld war es zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen. Ein Mann musste im Krankenhaus behandelt werden, die Polizei war eingeschaltet. Genau das hatte Wut und Hass offenbar weiter befeuert.
Die Straße hatte sich damals in kürzester Zeit gefüllt. Von allen Seiten kamen immer mehr Männer zusammen. Manche waren mit Schlagstöcken ausgerüstet, wüste Beleidigungen flogen hin und her. Der Angeklagte hatte mit der Auseinandersetzung eigentlich gar nichts zu tun. Er war nur zufällig vor Ort. Anders sein älterer Bruder. Der stand in vorderster Front, wollte offenbar schlichten.
Clan-Streit: Täter und Opfer waren eigentlich befreundet
Auf einem Handyvideo ist zu sehen, wie das spätere Opfer plötzlich mit erhobenem Arm auf die Gruppe zuläuft. Kurze Zeit später wird der Bruder des Angeklagten von einem Messerstich getroffen. Von wem, ist unklar. Fast im selben Moment muss auch der 27-Jährige zugestochen haben. „Ich habe nur meinen Bruder gesehen“, sagte der Angeklagte den Richtern der 7. Strafkammer. „Ich wollte ihn retten. Ich habe doch nur einen Bruder.“
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Täter und Opfer waren eigentlich befreundet. Sie wollten sogar gemeinsam in den Urlaub fahren – trotz der Fehde ihrer Familien. Warum der 27-Jährige trotzdem zugestochen hat? Richterin Karin Meiberg formulierte es im Urteil so: „Als es um Ehrgefühl und Respekt ging, hat man sich offenbar auf die Seite der Familie gestellt.“
Das Problem vor Gericht: Viele der Beteiligten konnten nicht mehr identifiziert werden. „Es war ein schnelles und dynamisches Geschehen“, so Meiberg. Die Mitglieder der Familie El-Zein seien „überfallartig“ aufgetaucht. Viele andere Beteiligte hatten im Prozess geschwiegen, weil auch gegen sie Ermittlungsverfahren laufen.
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- 17.08.2022: Massentumulte in Altendorf: Verfahren gegen sieben Randalierer
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Auch der Angeklagte hatte sein Schweigen erst kurz vor der Urteilsverkündung gebrochen. „Ich konnte nicht zugucken, wie mein Bruder fertiggemacht wird“, ließ er seinen Verteidiger Rüdiger Böhm erklären.
Auch Staatsanwaltwschaft forderte Freispruch
Zum Prozessauftakt im Januar hatte der 27-Jährige nur den Stich zugegeben – ohne weitere Erklärung. Er habe nicht gewollt, dass die Situation weiter eskaliert, so seine Erklärung.
Einige Wochen nach der blutig ausgetragenen Clan-Fehde in Altendorf war es in einer Moschee zu Versöhnungsgesprächen zwischen den beiden Familien gekommen, der Streit wurde von einem sogenannten Friedensrichter beigelegt. Ob dabei auch Geld geflossen ist, konnte im Prozess nicht festgestellt werden.
Auch die Staatsanwaltschaft hatte Freispruch beantragt. Den Ermittlern könne allerdings kein Vorwurf gemacht werden. „Die Polizei hatte unter den schwankenden und zum Teil ausbleibenden Zeugenaussagen erheblich zu leiden“, so der Staatsanwalt am Montag.
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