Essen. Essens Ratsbürgerentscheid ist vom Tisch: Dank einer schwarz-grünen Sportoffensive ist der Weg zum Lückenschluss der Stadionecken frei.

Das Spannende steht bei Verträgen stets irgendwo im Kleingedruckten, und in der lokalen Politik ist es mitunter nicht anders. So wird man wohl jenen Ratsantrag lesen müssen, den CDU und Grüne am Mittwoch im Essener Stadtparlament einbringen: eine schwarz-grüne Sport-Offensive, die viel längst Beschlossenes noch einmal bekräftigt, die neue Projekte anführt und erst am Ende, unter Punkt 5, jenes heiße Eisen anpackt, an dem die Grünen sich ihre Finger nicht verbrennen wollten: das Okay nämlich, die Planungsmittel für den Ausbau des Stadions an der Hafenstraße freizugeben. Der ursprünglich angedachte Ratsbürgerentscheid ist damit vom Tisch.

Die SPD hatte sich schon darauf gefreut, Schwarz-Grün im Stadtrat vorzuführen

Das wird vor allem die Sozialdemokraten grämen, die sich schon diebisch darauf gefreut hatten, die schwarz-grüne Ratsmehrheit am Mittwoch (24. April) mal so richtig vorzuführen. Denn mit ihrem klaren Bekenntnis zum Ausbau der vier Stadion-Ecken hätten die Genossen den von der grünen Parteibasis dazu geforderten Ratsbürgerentscheid fast im Alleingang zum Rohrkrepierer gemacht. Man werde jene „Verantwortung übernehmen, die Schwarz-Grün derzeit so schmerzlich vermissen lässt“, betonte SPD-Fraktionschef Ingo Vogel zuletzt. Die öffentliche Debatte beschleunigt zu haben, das aber nehmen die Grünen für sich in Anspruch, auch wenn sie sich mit ihrem Vorstoß für einen Ratsbürgerentscheid erkennbar verrannt haben.

Tummelplatz vor allem für jene, die mit vereinsgebundenem Sport nicht viel am Hut haben: die Anlage an der Schillerwiese im Stadtwald.
Tummelplatz vor allem für jene, die mit vereinsgebundenem Sport nicht viel am Hut haben: die Anlage an der Schillerwiese im Stadtwald. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Der ist nun nicht mehr nötig. Denn die Freigabe von Planungsgeldern in einer Größenordnung von rund 1,2 Millionen Euro ist abgemachte Sache, geht in einem großen Paket sportpolitischer Beschlüsse allerdings beinahe unter. Zusammengeschnürt wurden da bekannte Pläne, Turnhallen zu sanieren, Sportstätten vor allem energetisch zu sanieren und bis Ende 2025 das laufende Programm abzuschließen, bei dem Sportplätze mit Kunstrasen versehen werden. „Unterm Strich steht eine Initiative die allen Sportlerinnen und Sportlern in unserer Stadt zu Gute kommen wird“, betonte CDU-Fraktionschef Fabian Schrumpf, und Sandra Schumacher von den Grünen lobte, das breit angelegte Förder-Programm verbinde „finanzpolitische Seriosität und Verantwortung für die nächsten Generationen“.

Zusätzliche Lehrschwimmbecken im Norden und die Prüfung einer „großen Lösung“ für die Eissporthalle

Der vereinsunabhängige Breiten- und Freizeitsport, so heißt es etwa, soll durch Neu- und Umbauten auf der Jedermann-Sportanlage an der Schillerwiese im Stadtwald gestärkt werden, und zwar auf Basis der vorliegenden Entwürfe, deren Umsetzung die Stadt immerhin rund acht Millionen Euro kosten würde. Es sind die Grünen innerhalb der Ratskooperation, die auf eine umfassende Modernisierung der in die Jahre gekommenen Sportanlage drängen. Eine Zustimmung zum Stadionprojekt haben sie, wie zu hören ist, auch davon abhängig gemacht. Den Baubeschluss erwarten sie noch vor der Sommerpause.

Auch die Generalsanierung des Grugabads soll beschleunigt werden, unabhängig von einer eventuellen Erweiterung zu einem Ganzjahresbad, den in Reihen der CDU ohne nicht wenige kritisch sehen. Aus ihrer Sicht ginge es auch „oben ohne“, nur haben es CDU und Grüne in ihrem Kooperationsvertrag anders vereinbart; eine Überdachung soll geprüft werden. Ergebnis offen. Daneben möge die Stadtverwaltung nun prüfen, wie sich zusätzliche Lehrschwimmbecken, insbesondere im Essener Norden, errichten lassen. „Wir wollen“, so CDU-Frontmann Schrumpf, „dass jedes Kind beim Übergang zur weiterführenden Schule schwimmen kann“.

Sanieren – oder vielleicht doch alles neu bauen? Die Eishalle am Westbahnhof ist jedenfalls arg renovierungsbedürftig.
Sanieren – oder vielleicht doch alles neu bauen? Die Eishalle am Westbahnhof ist jedenfalls arg renovierungsbedürftig. © FUNKE Foto Services | Michael Gohl

Und weil man gerade zum großen sportpolitischen Wurf ansetzt, legen CDU und Grüne bei der bereits beauftragten Machbarkeitsstudie zur Ertüchtigung der Eissporthalle am Bahnhof Essen-West noch eine Schippe drauf: Gewünscht wird jetzt eine zusätzliche Prüf-Variante, die den kompletten Neubau einer Multifunktions-Veranstaltungshalle vorsieht – ein Projekt, ausgerichtet auf professionelle Handball- und Basketball- sowie Eissport-Veranstaltungen, mit energetisch optimierter Kälte- und Wärmeversorgung.

Das mag größenwahnsinnig anmuten angesichts der finanziellen Vorbehalte, die an anderer Stelle ins Feld geführt werden. Allerdings, so ergänzt Grünen-Fraktionschef Stephan Neumann, „hat eine Sanierung vor Ort Vorrang, wenn so ein klimaneutraler Betrieb möglich wird“. Denn die Klimaziele, so Neumann, „erreichen wir nur, wenn Sportanlagen von Energiefressern zu Energieerzeugern werden“.

Sicherheitshalber wird noch einmal betont: Die Planung bedeutet nicht automatisch einen Baubeschluss

Angesichts solch ehrgeiziger Pläne nimmt sich das zum Schluss des Antrags angefügte Okay für die Planungsgelder zum Stadion-Ausbau nachgerade mickrig aus, und das war vermutlich auch das Ziel des Ganzen. Immerhin: „Die nun vorliegenden Signale von RWE, sich bei den Pachtzahlungen zu bewegen, macht ein ,Ja‘ zur Planung möglich“, betonen die Rats-Grünen nun.

Sich überhaupt darauf einzulassen, damit haben sich die Grünen schwergetan. Für sie wäre der Stadionausbau eine Subvention, die es einem Profiverein ermöglicht, zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Dem Drängen ihres Kooperationspartners CDU mochten und konnten sie sich am Ende aber nicht verweigern. Auch weil sie anerkennen, dass Rot-Weiss Essen eine soziale und identitätsstiftenden Funktion hat in dieser Stadt; das Stadion bedeute „für viele Essenerinnen und Essener ein Stück Heimat“.

Ohnehin verschlingt die Ausbauplanung nicht mehr Geld, als ein Ratsbürgerentscheid gekostet hätte, wird aber dennoch durch die Formulierung ergänzt, dass „nach Vorlage der Planungsergebnisse ein konkreter Baubeschluss durch den Rat zu beraten und zu entscheiden bleibt“. Eine Selbstverständlichkeit im politischen Entscheidungs-Prozess, nicht nur in Sachen Stadion, aber es ging wohl darum, spürbare Distanz deutlich zu machen – und für die Grünen eine Hintertür offenzuhalten. Motto: Das hier ist kein Selbstläufer. Währenddessen zeigt man sich aufseiten der CDU jetzt schon sehr optimistisch, dass auf den Planungs- auch ein Baubeschluss folgen wird – ob vor oder auch erst nach der Kommunalwahl im nächsten Jahr, bleibt abzuwarten.


Ein runde Sache, wenn‘s denn klappt mit dem Ausbau der vier Stadion-Ecken. In der Computer-Animation ist das „neue“ Hafenstraßen-Gefühl schon fertig.
Ein runde Sache, wenn‘s denn klappt mit dem Ausbau der vier Stadion-Ecken. In der Computer-Animation ist das „neue“ Hafenstraßen-Gefühl schon fertig. © FFS | Ralph Rieger

Ähnliche Absichten wie mit dem Hinweis auf den noch zu fassenden Baubeschluss verfolgen die Antragssteller wohl auch mit der einleitenden Formulierung, dass die Sport-Offensive nicht in Konkurrenz zu beschlossenen Kita- oder Schul-Bauten steht – genau diesen Gegensatz hatten die Grünen in ihrer Mitgliederversammlung heraufbeschworen: Die dringende Sanierung und der Ausbau von sozialer Infrastruktur wie Kitas, Schulen und Breitensportanlagen müsse „vorrangig behandelt werden“, hatte Parteisprecherin Inga Sponheuer formuliert.

Jetzt ist Gleichzeitigkeit das Ziel. Und nicht zuletzt der Erhalt der schwarz-grünen Rats-Koalition.