Essen-Stoppenberg. Architekten kritisieren Vernachlässigung und machen Vorschläge für die Gestaltung der Straßen rund um das Essener Weltkulturerbe.
Das Weltkulturerbe Zeche Zollverein erreicht man über die Gelsenkirchener Straße oder aus der Essener City über die Stoppenberger Straße. Beide Straßen verkörpern im Aussehen die Zeit des Bergbaus und sind wahrlich keine Schönheiten. Das soll sich ändern.
Eine Analyse und Vorschläge wurden jetzt öffentlich. Ein Mix aus Altbauten und 1960er-Jahre-Bauten, zwischendrin auch mal etwas aus der Zeit der Jahrtausendwende – so sehen die Straßenzüge aus. Was störe, sei das Ungepflegte, der Schmutz, fehlendes Grün und unzählige Graffiti und Schmierereien, so der Ist-Zustand laut Expertise des Architekturbüros Hummert aus Dansweiler. Anreisewege, die eines Weltkulturerbes nicht würdig seien, die Besucher eher abstoßen könnten, so die Meinung von Besuchern, aber auch von Bezirksregierung und dem NRW-Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung.
Essener Rat beschloss 2020 ein Entwicklungskonzept für den Stadtbezirk um Zollverein
Das Weltkulturerbe Zeche Zollverein zieht im Jahr mehr als 1,5 Millionen Besucher an. Während das Zechengelände zu einem lebendigen Kultur- und Wirtschaftsstandort entwickelt wurde, blieb das direkte Umfeld im Stil der aktiven Bergbauzeit stecken. Dabei wurde auf Modernisierung und Pflege der umliegenden Ortsdurchfahrten wenig Wert gelegt.
2020 beschloss der Rat das „Integrierte Entwicklungskonzept Stadtbezirk VI/Zollverein“. Wichtige Komponente dieses Konzeptes ist das Projekt „Realisierungskonzept zur Aufwertung von Hauptstraßen”. Das Papier des Architekturbüros benennt die Defizite: Der momentane Zustand zeige Vernachlässigung, Unordnung, Uneinheitlichkeit, Verschmutzung, Pflegerückstand sowie städtebauliche Uneindeutigkeit und mangelnde Wertschätzung.
Dieser Eindruck bestätigt sich, wenn man die Stoppenberger Straße entlang geht: Der Stiftsbrunnen ist außer Betrieb, das Grün drumherum verwildert. Einen Gärtner haben die Pflanzen auf dem parkähnlichen Areal anscheinend lange nicht gesehen. Ortswechsel: 200 Meter weiter in Richtung Zollverein. Die Begrenzungsmauer des katholischen Friedhofs ist grau verschmutzt und mit Graffiti beschmiert. „Die Breite des Gehsteigs an der Ruhrbahnhaltestelle ist viel zu gering“, bemängelt Bezirksbürgermeister Michael Zühlke, ein Ärgernis für Fahrgäste und Fußgänger. Ebenfalls beschmiert ist die Rückwand der dortigen Trauerhalle. Und so setzt sich das Bild fort bis in die Gelsenkirchener Straße. In diesem Bereich kommen zu Schmutz und fehlendem Grün noch die Leerstände hinzu.
„Die Eigentümer der Immobilien haben meist kein Interesse an Verbesserungen und Investitionen“, sagt Michael Zühlke frustriert. Man habe einiges versucht, ohne Erfolg. Das Urteil der Gutachter komme nicht überraschend. Wahrnehmbare Aufwertung und identitätsstiftende Maßnahmen sind die Zielsetzungen des vorliegenden Ideenkonzepts. Diese Ziele zu erreichen, werde allerdings schwerfallen, meint Zühlke, immerhin seien im Gutachten bereits sehr viele Verbesserungsmöglichkeiten als unrealistisch oder unverhältnismäßig eingestuft worden. So könnten wohl Schrottimmobilien und Leerstände kaum behoben werden, aber auch das Entfernen von Graffitis und Schmierereien sei aufwendig und teuer.
Vorschlagsliste für Zollverein-Umfeld ist im Mai Thema in der Bezirksvertretung
Für Architekt Hummert ist deshalb unter anderem dieser Leitsatz wichtig: „Besucher sollen in unverwechselbaren Straßenräumen mit hohem Wiedererkennungswert freundlich empfangen und begleitet werden.“ Das bedeutet konkret zum Beispiel, einen durch farbliche Gestaltung hohen Wiedererkennungswert zu schaffen, das Umfeld mit Skulpturen aufzulockern und auch Lichtinstallationen, zum Beispiel an der Trauerhalle oder unter Brücken, zu schaffen.
Der Projektplan sieht Folgendes vor:
Farbkonzept für das Begleitsystem (Ruhrbahnmasten)
Lichtkunst an der Trauerhalle Stoppenberg am Kapitelberg/Essener Straße und an Eisenbahnunterführungen
Aufwertende Verkleidung der Beton-Friedhofsmauer Stoppenberg
Neu-Nutzung von (ehemaligen) Werbeflächen durch typografische Installationen, z.B. mit Stahlplatten
Punktuelle Platzierung von Skulpturen
Aufwertung des Straßenraums im Sichtbereich der Zeche (zwischen Einmündung Fritz-Schupp-Allee und dem Radwegeanschluss im Norden)
Fassadensanierung WestNetz-Gebäude vor Zollverein
Radwegeanschlüsse und Ziegelmauern
Maßnahmenkatalog für praktizierte Wertschätzung (Revitalisierung des Stifts-Brunnens mit Begrünung, Schaufenstergestaltung leerstehende Ladenlokale, zusätzliches Grün)
Bei zur Verfügung stehenden drei Millionen Euro dürfte es für diese Maßnahmen schon eng werden. Und die Vorschlagsliste ist noch erheblich länger. Die Bezirksvertretung soll die Verwaltungsvorlage in ihrer Mai-Sitzung zur Kenntnis nehmen. Michael Zühlke kündigt aber an, dass das Gremium sicherlich zu dem Thema auch einige eigene Vorschläge einbringen werde. „Bisher sind wir in die Überlegungen nicht eingebunden gewesen.“
Für zusätzliches Grün an der Stoppenberger und Gelsenkirchener Straße laufe man bei der Bezirksvertretung offene Türen ein, da habe man auch Anträge über das 1000-Bäume-Programm gestellt. Auch der Erweiterung der Pflege und Sauberkeit in diesem Bereich stehe man positiv gegenüber. Für September ist eine Bürgerversammlung zu diesem Thema geplant, von der Zühlke weitere Impulse erwartet.
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