Essen. Vor 25 Jahren galt das Rad als kühnste Attraktion auf Gelände, nun wird die stillgelegte Anlage dem Ausbau des Denkmalpfads weichen.

Es war ein Höhepunkt der Energie-Ausstellung „Sonne, Mond und Sterne“, auch wenn Denkmalschützer es als Ärgernis empfanden: Das „Sonnenrad“ wurde zu einem auf unzähligen Fotos verewigten Markenzeichen auf der Kokerei Zollverein, bei einer Fahrt in den Gondeln gewann man neue Perspektiven auf die Industrieanlage. Nun wird das schon lange stillgelegte Rad endgültig abgebaut, kündigte die Stiftung Zollverein am Donnerstag (22.2.) an.

Die Symbolik war ambitioniert: Die 14 Gondeln fuhren hinunter in die aufgeschnittene Ofenbatterie, anschließend sollten Besucher der Sonne entgegenfahren, dabei passierten sie dann eine Photovoltaikanlage. Karl Ganser, Macher und geistiger Kopf der Internationalen Bauausstellung Emscherpark, hatte sich das Projekt für „Sonne, Mond und Sterne“ ausgedacht, im Rahmen des IBA-Abschlussjahres zog die Ausstellung 1999 Menschenmassen nach Zollverein. Damals schon warf der 2022 verstorbene Visionär Ganser die Frage auf, wie es mit der Energieversorgung ohne fossile Energieträger weiter gehen wird. Eine Frage, die heute aktueller ist denn je.

Kritiker fühlten sich durch das „Sonnenrad“ an einen Freizeitpark erinnert

Ein Blick ins Innenleben: Das „Sonnenrad“ wurde in eine der Koksofenbatterien eingebaut.
Ein Blick ins Innenleben: Das „Sonnenrad“ wurde in eine der Koksofenbatterien eingebaut. © NRZ | OH

Das Sonnenrad-Projekt war sehr teuer, ein Einzelstück und technisch anspruchsvoll. Aber Geld spielte bei der auf zehn Jahre angelegten IBA Emscherpark keine entscheidende Rolle, es war eben schlicht vorhanden, wofür der politisch bestens vernetzte Ganser im Zweifel sorgte. Da wie in einem Riesenrad Menschen damit transportiert wurden, rückten jedes Jahr Prüfer an, die die Anlage auf Herz und Nieren auf Betriebssicherheit checkten.

Fast schon mit brachialer Gewalt war das Rad in einen Teil der früheren Koksofenbatterie eingebaut worden - Theo Grütter, Vorstandsmitglied der Stiftung Zollverein, erinnerte daran noch einmal am Donnerstag vor Ort. Viele Besucher waren entzückt, gerade auch Kinder liebten das Rad, Kritiker aus der Denkmalpflege hingegen sahen sich an einen Freizeitpark erinnert und die Würde des denkmalgeschützten Ortes verletzt.

Sonnenrad hätte fast den Welterbestatus verhindert

Folge: Fast hätte Zollverein nie den Status eines Weltkulturerbes erlangt. Anfang der 2000er Jahre flog das Ensemble kurzfristig von der Bewerberliste. 2001 verlieh die UNESCO der Zeche und auch der Kokerei dann doch den begehrten und touristisch wertvollen Titel - trotz des Sonnenrades, das sich zwar noch einige Jahre drehen sollte, seit 2010 aber still steht. Zwar gab es auf Zollverein immer wieder Bestrebungen, die Anlage wieder in Gang zu setzen, doch die Instandhaltungs- und Sanierungskosten waren viel zu hoch.

Immer wieder stellt sich seitdem die Frage, ob es sich doch einmal drehen wird. Die Stiftung Zollverein hat diese Frage nun beantwortet. Das Rad wird demontiert, auch weil der Denkmalpfad der Kokerei ausgebaut werden soll. „Die Denkmalpflege ist begeistert“, sagte Theodor Grütter und meint die Demontage des Sonnenrades.

Sie stellten die nächsten Stationen des Denkmalpfades vor: Karl-Heinz Erdmann (NRW-Stiftung), Guido Kohlenbach (LVR), Hans -Peter Noll, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zollverein, Anneliese Rauhut Vorstandsvorsitzende der Freunde und Förderer der Stiftung Zollverein, Henning Mohr (RAG-Stiftung) und Theodor Grütter, Vorstand der Stiftung Zollverein.
Sie stellten die nächsten Stationen des Denkmalpfades vor: Karl-Heinz Erdmann (NRW-Stiftung), Guido Kohlenbach (LVR), Hans -Peter Noll, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zollverein, Anneliese Rauhut Vorstandsvorsitzende der Freunde und Förderer der Stiftung Zollverein, Henning Mohr (RAG-Stiftung) und Theodor Grütter, Vorstand der Stiftung Zollverein. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Der Denkmalpfad auf der Kokerei Zollverein wird bis 2026 um weitere fünf Stationen erweitert

Auf dem Denkmalpfad können Besucherinnen und Besucher Arbeit und Leben der Koker auf Zollverein nachempfinden. Die machten bei 1200 Grad aus Kohle Koks, „eine Höllenarbeit“, so Grüter. Fünf Stationen gibt es bereits, fünf weitere sollen bis 2026 hinzukommen. Die RAG Stiftung, die NRW Kulturstiftung, der Landschaftsverband Rheinland und die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Stiftung Zollverein machen es möglich. Insgesamt fünf Millionen Euro stellen sie für das Projekt zur Verfügung.

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Die Stiftung Zollverein rechnet nach Fertigstellung des Denkmalpfades mit 100.000 Besuchern pro Jahr. Die erhalten unter anderem Einblicke in die unterirdischen Bereiche der Kokerei, die dem Publikum bislang verborgen bleiben. Unter anderem führt der Weg in einen der 98 Meter hohen Kamine. Theodor Grütter kann sich anschaulich an seinen ersten Besuch dort erinnern, damals mit Ulrich Borsdorf, seinem Vorgänger als Leiter des Ruhrmuseums. „Der Luftzug war so stark, dass unsere Jacken fast weggeflogen sind.“ Hoch hinauf geht es auf Zollverein also künftig auch ohne „Sonnenrad.“

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