Essen-Bredeney. Ende April will Lutz Weiler sein Delikatessen-Geschäft in Essen aufgeben. Wenn es niemand den Laden übernimmt, landet Ware im Müll.

Lutz Weiler ist enttäuscht. Seit einem dreiviertel Jahr sucht der 77-Jährige einen Nachfolger für sein Delikatessen-Geschäft in Essen-Bredeney. In zwei Wochen läuft der Mietvertrag für die Räumlichkeiten aus. Wenn sich bis dahin niemand findet, der weitermachen will, würde Weiler den 1907 gegründeten Traditionsbetrieb sogar verschenken. Er will in jedem Fall vermeiden, dass der Laden komplett aufgelöst wird und sämtliche Produkte entsorgt werden müssen.

Seinen Ausstieg aus dem Berufsleben hatte sich der Bredeneyer Geschäftsmann, lange Zeit Vorsitzender der Interessengemeinschaft „Bredeney attraktiv“, anders vorgestellt. Er führt den Laden zusammen mit seiner Frau Martina und wird von studentischen Aushilfen unterstützt.

Die Geschichte des Essener Delikatessen-Geschäfts Weiler geht zu Ende

Das Ehepaar hatte im vergangenen Jahr beschlossen, sich zurückzuziehen und im Ruhestand Deutschland zu erkunden. „Wir kennen viele Gegenden gar nicht. Mehr als eine Woche Urlaub am Stück war in den vergangenen Jahren ja nicht drin“, sagt Lutz Weiler, der sich auch auf mehr Zeit mit den drei Enkelkindern sowie für seine Hobbys Golfen und Radfahren freut. Er habe seinen Job immer sehr gemocht, merke aber, dass die Kraft altersbedingt nachlasse.

Das Geschäft Delikatessen Weiler liegt im Zentrum des Stadtteils an der Bredeneyer Straße.
Das Geschäft Delikatessen Weiler liegt im Zentrum des Stadtteils an der Bredeneyer Straße. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Seit Juli 2023 sucht er deshalb einen Nachfolger, der das alteingesessene Delikatessengeschäft in ähnlicher Form weiterführen oder eigene Ideen einbringen will. „Vielleicht kann man sogar ein kleines Bistro einrichten, wo die Leute einen Kaffee trinken und eine Kleinigkeit essen können“, so Weiler.

Die Suche verläuft allerdings bislang erfolglos. Sieben, acht Interessenten, teils aus der Gastronomie, habe es in den vergangenen Monaten gegeben, doch alle Gespräche seien im Sande verlaufen. Dabei wolle er gar keine hohe Abstandssumme haben. „Für den Betrag muss man keinen Kredit aufnehmen, das finanzielle Risiko ist überschaubar“, sagt Weiler, der weiterhin hofft, noch einen Nachfolger zu finden. „Wahrscheinlich könnte man den Mietvertrag notfalls noch ein paar Tage verlängern.“

Er sei bereit, einen potenziellen Nachfolger einen Monat lang einzuarbeiten und zu beraten, würde ihm sogar die Rezepte für Feinkostsalate, Saucen und Co. übergeben, damit die Stammkunden weiterhin ihre gewohnten Produkte kaufen könnten.

Inventar und Kundenstamm würde Lutz Weiler einem Nachfolger sogar schenken

Inzwischen würde Weiler sogar Inventar und Kundenstamm verschenken, wenn es nur irgendwie weitergehe. Er selbst habe 1995 noch rund 200.000 D-Mark für die Einrichtung des neuen Ladens bezahlt. Kosten kommen auf den möglichen Nachfolger natürlich trotzdem zu: „Die noch vorhandene Ware muss ich verkaufen und für die Räume fällt die Miete an“, sagt der 77-Jährige, der schon keine neuen Waren mehr bestellt.

Dass es so schwer ist, einen Laden in überschaubarer Größe, zentral in Bredeney gelegen, mit vielen Stammkunden und besonderem Sortiment, loszuwerden, macht den Geschäftsmann ratlos. „Ich würde den Laden abends abschließen, der Nachfolger könnte am nächsten Morgen aufschließen und erstmal genauso weitermachen. Es ist ja alles vorhanden“, wundert sich Weiler.

Lutz Weiler zeigt ein Foto von Großvater Mathias Weiler, der das Unternehmen 1907 gegründet hatte.
Lutz Weiler zeigt ein Foto von Großvater Mathias Weiler, der das Unternehmen 1907 gegründet hatte. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Die Argumente, warum die Interessenten am Ende doch nicht ins Geschäft einsteigen wollten, seien unterschiedlich gewesen. Dem einen sei die Abstandssumme zu hoch gewesen, der andere wolle unbedingt mit Gas kochen, was umfangreiche und kostenintensive Installationen erfordert hätte. Weiler und seine Frau kochen bisher elektrisch. „Wir setzen auf Induktion und sind damit bisher gut gefahren“, sagt der Bredeneyer, der nach seiner kaufmännischen Ausbildung einige Jahre in Sachen Betriebswirtschaft für Karstadt tätig war.

Salate und Saucen werden in der Küche selbst produziert

„Den meisten ist das Ganze offenbar zu viel Arbeit“, ist seine Erkenntnis aus den Gesprächen. Feinkostsalate, aber auch kleine Gerichte zum Mitnehmen, werden von dem Ehepaar frisch produziert.

Der Abschied von seinem Geschäft und den teils langjährigen Kunden fällt Lutz Weiler, der den Familienbetrieb 1983 übernommen hatte, schwer. Jetzt hofft er nur noch, dass er am Ende nicht wie bei einer Haushaltsauflösung eine Firma beauftragen muss, die den Laden ausräumt und alles entsorgt. Einmal abgesehen von den Kosten, die das verursacht, schmerze ihn diese Vorstellung besonders. Mit der Aufgabe des Geschäfts endet die Familientradition: Beide Kinder sind in anderen Bereichen tätig, wollen das Geschäft nicht übernehmen.

Weiler verkauft seit 1995 in Bredeney Feinkostsalate, Schinkenspezialitäten, italienische Waren wie frische Nudeln, Saucen, Essig, Öl, Butter, Wein, Gebäck und vieles mehr, aber auch Schalen, Teller und Zubehör. Auch individuell zusammengestellte Präsentkörbe gehören zum Angebot.

Die Weiler-Belegschaft traf sich damals zum Angeln an der Ruhr, wie dieses historische Foto zeigt.
Die Weiler-Belegschaft traf sich damals zum Angeln an der Ruhr, wie dieses historische Foto zeigt. © FUNKE Foto Services | Sammlung Weiler/ Repro: Kerstin Kokoska

Offenbar sieht auch die Kundschaft, die nicht nur aus Essen, sondern auch aus umliegenden Städten komme, dem Abschied mit Wehmut entgegen. Während unseres Gesprächs verabschiedet sich eine Kundin mit einer herzlichen Umarmung von Lutz Weiler. Ähnliches passiert gerade fast täglich, erzählt der Geschäftsmann, den auch Briefe und Karten mit Dank und guten Wünschen für die Zukunft erreichen.

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Das Delikatessengeschäft war früher an verschiedenen Orten in der Innenstadt ansässig

Der Geschäftsmann hatte sogar fünf Jahre lang, von 1995 bis 2000, zwei Filialen mit einem großen Partyservice geführt, allerdings damals mit insgesamt 18 Beschäftigten, wie er erzählt. Man habe Gesellschaften mit bis zu 400 Leuten bewirten können.

So sah der Laden der Familie Weiler 1955 aus.
So sah der Laden der Familie Weiler 1955 aus. © FUNKE Foto Services | Sammlung Weiler/ Repro: Kerstin Kokoska

Das Delikatessen-Geschäft, das Lutz Weilers Großvater Mathias Weiler 1907 gegründet hatte, war im Laufe der Jahrzehnte an verschiedenen Stellen in der Essener Innenstadt ansässig und bestand bis zum Jahr 2000 an der Akazienallee. Nachdem Weiler 1998 krankheitsbedingt ein halbes Jahr ausgefallen war, habe er beschlossen, den Betrieb zu verkleinern und sich auf das Geschäft an der Bredeneyer Straße 154 zu beschränken.

Sollte sich auch in den nächsten zwei Wochen kein Nachfolger finden, will Weiler eine Art Räumungsverkauf veranstalten. „Nach 40 Jahren, in denen wir so viel Herzblut in den Laden gesteckt haben, fühlt sich das an wie eine Beerdigung.“

Interessierte können sich bei Lutz Weiler unter 0201/424375 melden.

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