Essen. Messer, Reizgas, ungebetener Besuch: Essener Schulen sollen sicherer werden. Strenge Kontrollen am Eingang will aber niemand.

Messer und so genannte Pfeffer-Sprays werden auch in Essener Schulen zunehmend zu einem Problem. Das berichten übereinstimmend Leiterinnen und Leiter verschiedener Schulen im Stadtgebiet. Ein aktueller Fall aus Dortmund, wo ein 13-Jähriger mit einem Messer einen Mann getötet hat, schreckt nicht nur Pädagoginnen und Pädagogen auf: „Das hätte auch in Essen passieren können“, befinden Oberbürgermeister Thomas Kufen und Ordnungs-Dezernent Christian Kromberg. Sie wollen auf die Schulen zugehen und über Sicherheits-Konzepte beratschlagen.

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Schon vor Wochen hat sich in der Schulverwaltung ein Arbeitskreis gebildet mit dem Titel „Schule als sicherer Ort“. Das berichtet Andrea Schattberg, Leiterin des städischen Fachbereichs Schule. „Dort wird nicht nur über pädagogische Maßnahmen geredet, sondern auch darüber, was technisch an zusätzlicher Sicherheit möglich ist“, sagt Andrea Schattberg. So habe man zuletzt eine Schule in Gelsenkirchen besucht, die ihre Eingangsbereiche mit Videokameras überwacht, um zu verhindern, dass Schulfremde das Gebäude betreten, um dort Konflikte mit Schülerinnen und Schülern auszutragen.

Manche Essener Schulen werden regelmäßig von Fremden aufgesucht, die Ärger suchen

Denn dieses Problem gibt es längst auch in Essen: Bewaffnete Jugendliche haben in den vergangenen Monaten regelmäßig eine große, weiterführende Schule im Stadtgebiet aufgesucht, sie hatten Gewalt im Sinn, gehören gar nicht zur Schulgemeinde. Seitdem wird das Portal der Schule von Sicherheitskräften bewacht. Die Überwachungsphase sollte eigentlich nur wenige Monate andauern, ist bis zum heutigen Tag aber nicht beendet.

Klar ist allen Beteiligten aber auch: „Wir können keine Eingangskontrollen installieren wie an Flughäfen oder am Gericht“, sagt Berthold Urch, Sprecher der Essener Gymnasien. „Doch uns allen ist klar, dass wir Schulen sicherer machen müssen.“ Ähnlich sieht das Barbara Bielefeld, Sprecherin der Essener Realschulen: „Allein bei uns gibt es acht Eingänge, so viel Personal kann man gar nicht bezahlen“, sagt die Leiterin von Essens größter Realschule, der Gertrud-Bäumer-Realschule in Altenessen. Ganz abgesehen davon: Strenge Kontrollen an Eingängen würden auch die Atmosphäre einer Schule massiv beeinträchtigen: „Schule ist ein offener Ort und soll es auch bleiben“, sagt Berthold Urch.

Das Problem, das viele Schulen haben: Normale Taschenmesser, auch Feuerzeuge oder Reizgas wie Pfefferspray, seien grundsätzlich nicht verboten. „Wir haben mal Anzeige erstattet gegen einen Schüler, der ein Messer dabei hatte“, sagt Barbara Bielefeld. „Doch die Polizei erteilte uns eine Absage, weil das Messer nicht zur Kategorie der verbotenen Waffen gehörte.“ Sie plädierte auch für eine unangekündigte Kontrolle von Rucksäcken und Schultaschen, um Jugendliche abzuschrecken: „Doch auch das darf die Polizei nicht so einfach.“

Vorschlag: Essener Schulen müssen ihre Hausordnung überarbeiten

Entsprechend weit ist die Gertrud-Bäumer-Realschule bei Vorbeuge-Konzepten, die jetzt stadtweit erarbeitet werden sollen: So bekommen die Kinder und Jugendlichen regelmäßig Besuch von einem Sozialarbeiter und einem ehemaligen Polizisten, die über Messer und Reizgas aufklären. „Das löst immer große Nachdenkprozesse bei den Jugendlichen aus“, hat Barbara Bielefeld beobachtet.

Die Schulen wären gut beraten, grundsätzlich ihre Hausordnung zu überarbeiten, falls da noch nicht explizit drinsteht, dass grundsätzlich gefährliche Gegenstände, zu denen auch Taschenmesser zählen, nicht mitgebracht werden dürfen. Dazu rät Berthold Urch, der Sprecher der Gymnasien. Und Barbara Bielefeld ergänzt: „Allein ein Feuerzeug hat bei uns nichts verloren.“

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Viele Jugendliche, berichtet die Schulleiter, brächten manchmal Messer mit, „weil sie sich damit cooler fühlen.“ Andere führen eine Waffe mit, weil sie sich tatsächlich schützen wollen und womöglich schon mal Opfer wurden. „Das setzt dann einen folgenschweren Kreislauf in Gang.“ Entsprechend regelmäßig käme es zu Situationen, in denen in letzter Sekunde eine Eskalation verhindert werden kann. „Solche Vorgänge“, sagt auch Berthold Urch, „kommen dann erst gar nicht an die Öffentlichkeit.“ Anders als die zahlreichen Feuerwehr- und Polizeieinsätze, weil tatsächlich Reizgas versprüht wurde: Zuletzt im November 2023 an einem Berufskolleg, wo ein Lehrer gezielt attackiert wurde. Oder vor rund einem Jahr in der Disco Musikpalette, wo jemand Reizgas bei einer gemeinsamen Vor-Abi-Feier von verschiedenen Gymnasien versprühte: 14 Verletzte. „Solche Delikte“, sagt Berthold Urch, „sind kein Problem der Schulen, sondern der Gesellschaft. Aber die Schulen sollen es wieder lösen.“

Auch abseits der Schulgelände stellten Messer bei Konflikten immer häufiger ein Problem dar, haben Sozialarbeiter beobachtet. Schulen seien mit dem Problem oft überfordert.

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