Essen. Die Stadt Essen will Waffenkontrollen an Schulen und Verbotszonen für Jugendtreffs prüfen. Selbst Grundschüler werden mit Stichwaffen erwischt.
Nach dem tödlichen Messerangriff mutmaßlich eines Kindes (13) auf einen Obdachlosen im Dortmunder Hafen ist für Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) klar: „Gleiches hätte auch in Essen passieren können. Dem wollen wir unbedingt entgegenwirken.“ Denn die Befunde der jüngst veröffentlichten Kriminalitätsstatistik der Polizei Essen sind alarmierend: Schon Grundschüler werden mit Stichwaffen erwischt, die Gewaltbereitschaft nimmt zu, die Jugendkriminalität steigt, die Täter werden zusehends jünger und selbst der Anteil der Mädchen an dem oftmals noch nicht einmal strafmündigen Nachwuchs wächst, weiß Essens Kripo-Chef Carsten Berg.
„Das Thema treibt uns um“, sagt der Oberbürgermeister, dem nur zu bewusst sein dürfte: Die Verantwortlichen in der Stadt müssen angesichts einer solchen Entwicklung vor die Lage kommen, um sich nach denkbar schlimmsten Bluttaten mit Messern nicht vorwerfen lassen zu können, man habe das Problem, das nicht allein ein Essener Phänomen ist, nicht auf dem Schirm gehabt.
Der Oberbürgermeister macht Druck
Ordnungsdezernent Christian Kromberg soll deshalb gemeinsam mit Schulen, der Polizei, dem Ordnungs- sowie dem Jugendamt ein präventives Konzept entwickeln, aber auch gezielte Überprüfungen an Schulen in die Überlegungen einbeziehen. Dabei wird weniger an Metalldetektoren an den Eingängen gedacht als zum Beispiel an Taschenkontrollen. Dass die am Ende tatsächlich kommen könnten, sei nicht auszuschließen, heißt es. Geprüft werden soll aber auch, Treffpunkte von Jugendlichen zu Waffenverbotszonen zu erklären, so die Stadt. Diese Punkte sollen bei einem zeitnahen Termin mit allen Beteiligten erörtert werden. Wie zu hören ist, erwartet der Oberbürgermeister möglichst schnell Ergebnisse. Unter dem Eindruck der jüngsten Ereignisse macht Kufen offenbar Druck.
Zumal neben dem Dortmunder Verbrechen eine Schilderung aus dem Essener Einkaufszentrum Limbecker Platz die Teilnehmer des Arbeitskreises Innere Sicherheit zusätzlich erschüttert hat: Jugendliche sollen nach Informationen dieser Zeitung dort dabei beobachtet worden sein, wie sie sich mit Messern absichtlich gegenseitig verletzten und auch noch ihren Spaß dabei hatten. Von solchem Verhalten, das nur zu schnell schwerste Verletzungen riskiert, bis hin zu brutaler Gewalt, die kaum mehr Grenzen kennt, ist es vermutlich nicht weit, schwante so manchem der Anwesenden.
Jeder fünfte Verdächtige war jünger als 21 Jahre
Im vergangenen Jahr registrierte die Polizei Essen 311 Messerangriffe oder Bedrohungen mit einer Stichwaffe. Das entspricht einem Plus von 36 Prozent gegenüber 2022. Mehr als die Hälfte davon sollen von Ausländern oder Zuwanderern begangen worden sein. 15 Kinder, 55 Jugendliche und 26 Heranwachsende konnten als Verdächtige identifiziert werden. Körperverletzungen und Bedrohungen hielten sich in etwa die Waage und machten mit zusammen 187 Fällen das Gros dieser Delikte aus. Die allermeisten der Opfer blieben unverletzt, 108 wurden leicht, 18 schwer verletzt, vier starben.
Zu diesen Straftaten mit dem „Tatmittel Messer“, wie es heißt, kommt es stadtweit, sagt Kripochef Carsten Berg: „Sie sind in Essen nicht räumlich einzugrenzen wie in der Düsseldorfer Altstadt.“ Es gebe flächendeckend eine „zunehmende Bereitschaft“, Stichwaffen einzusetzen. „Uns macht das Sorge.“
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Ob mit oder ohne Messer: An Schulen registrierte die Essener Polizei in 2023 über 200 Straftaten mehr als im Jahr zuvor. 274 der insgesamt 1085 Delikte waren Körperverletzungen (+ 21,2 %). 94 dieser Angriffe wurden als gefährliche oder schwere Körperverletzungen eingestuft, was einer Zunahme von über 38 Prozent entspricht. Dazu kamen 106 Nötigungen und Bedrohungen (+ 41,3 %), Die bekannt gewordenen Diebstähle haben um über 50 Prozent auf 320 zugelegt.
Jeder fünfte mutmaßliche Täter war jünger als 21 Jahre
Laut der jüngsten Kriminalitätsstatistik der Polizei Essen war etwa jeder fünfte aller Tatverdächtigen jünger als 21 Jahre, wobei die Zahl der Straftaten, die Kindern und Jugendlichen zugerechnet werden, mittlerweile den höchsten Stand im Zehn-Jahres-Vergleich markieren: 1011 Delikte gingen auf das Konto von unter 14-Jährigen, 2359 waren den bis zu 18-Jährigen zuzurechnen. 19,2 Prozent aller mutmaßlichen Täter unter 21 Jahren waren somit noch Kinder, 44,8 Prozent Jugendliche und 36 Prozent Heranwachsende. Zur besseren Einordnung: Gegenüber 2018, also vor der Coronapandemie, ist die Zahl der Jüngsten bis zu 14 Jahren somit um 400 auf 1011 gestiegen, 394 davon waren Mädchen.
Delikte, bei denen Kinder als Verdächtige statistisch erfasst wurden, waren insbesondere Körperverletzungen mit 308 mutmaßlichen Tätern, was einer Zunahme um ein Drittel entspricht, während bei den 379 Ladendiebstählen 3,1 Prozent weniger als im Jahr zuvor registriert wurden. Ähnlich sah die Entwicklung bei den Jugendlichen aus, wobei deren Anteil an der Rauschgiftkriminalität zunehmend signifikanter ist. 148 aller unter 21-Jährigen fielen der Polizei als Mehrfachtäter aus.
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