Essen/Mülheim. Kurz vor Inkrafttreten der neuen Kiffer-Regeln zum 1. April sind viele Fragen unbeantwortet. Gewerkschaft der Polizei übt deutliche Kritik.
Es mag so wirken, ist tatsächlich aber kein Aprilscherz, wenn der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei für Mülheim und Essen mit Blick auf die neuen Kiffer-Regeln zu der ganz nüchternen Einschätzung kommt: „Unter den aktuellen Voraussetzungen ist das Gesetz im Grunde nicht umsetzbar“, sagt Jörg Brackmann kurz vor Inkrafttreten der neuen Bestimmungen am 1. April. Die Unsicherheit in der Behörde an der Büscherstraße ist derweil mit Händen zu greifen. Denn wer die Fragen, wer kontrolliert was, wann und wie beantwortet haben möchte, der stochert im Nebel.
Sind anlasslose Überprüfungen auf der Straße erlaubt oder muss ein konkreter Verdacht bestehen? Wie wird der Radius von 100 Metern gemessen, in dem um Schulen, Kindergärten und Jugendhäusern nicht konsumiert werden darf? Gilt dies auch, wenn die Einrichtungen geschlossen sind, also nachts oder in den Ferien? Was, wenn sich ein mutmaßlicher Regelbrecher in dem Quartier, in dem er erwischt wird, gar nicht auskennt, weil er ein Auswärtiger ist? Schützt Unwissenheit dann vor Strafe - oder nicht?
Feinwaage als Standardausstattung
Was ist mit den Kontrollen im Straßenverkehr? Zwar gilt (noch) der Grenzwert von 1,0 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum, jedoch verfügt die Polizei nur über Drogendetektoren, die allenfalls den Konsum nachweisen, aber nicht den Blutwert bestimmen können. Müsste eine Feinwaage nicht zur Standardausstattung eines jeden Streifenwagens gehören, um zu bestimmen, dass die erlaubte mitzuführende Maximalmenge von 25 Gramm Cannabis nicht doch um ein Milligramm überschritten ist? Und wer überprüft den für legales Cannabis vorgegebenen Wirkungsgrad, wer zählt die Drogenpflanzen auf den heimischen Fensterbänken?
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Das Gesetz sei ein Schnellschuss und die kurzfristige Umsetzung schwierig für alle, „insbesondere die Kolleginnen und Kollegen, die im operativen Dienst sind und ad hoc entscheiden müssen“, kritisiert Brackmann. Aber auch die Sachbearbeitung werde auf verschiedenste Fragestellungen stoßen. „Das hätte man mit mehr Vorlauf professioneller angehen können. Hier stellt man die Polizei unnötig vor viele Fragen, die bisher kaum geklärt sind. Da lässt uns die Politik Mal wieder in Regen stehen.“ Für Brackmann heißt das, dass nach dem Motto verfahren worden sei, „wir wollen das Gesetz schnellstmöglich und die Umsetzung ist euer Problem“. Das sei „kein fairer und kein professioneller Umgang mit den Beamtinnen und Beamten“.
Allgemeines Achselzucken bis zu den Feiertagen
Bis vor Ostern hatte die Polizei auf ein Signal aus Düsseldorf gehofft. Vergeblich. Nachdem es in der Landeshauptstadt zunächst geheißen hatte, ein Erlass sei in Arbeit, in dem geregelt sei, wie die Beamten das Gesetz auf Straße bringen sollen, war wenig später nur noch von einer Handlungsempfehlung die Rede. Was da drin stehen könnte? Allgemeines Achselzucken, zumindest bis zu den Feiertagen. Auf Anfrage heißt es dazu aus dem Innenministerium wenig konkret: „Das Gesetz zur Cannabis-Legalisierung wurde erst am 22. März vom Bundesrat final gebilligt. Die Polizei NRW prüft seitdem etwaige offene Fragestellungen und Regelungserfordernisse. Den Kreispolizeibehörden wird es obliegen, eigenständig die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen zu kontrollieren. Derzeit wird intern erörtert, welche Maßstäbe bei künftigen Kontrollen eingehalten werden.“
Für Jörg Brackmann ist damit klar: „Hier wurde Schnelligkeit vor Gründlichkeit gesetzt und man hat ein Gesetz geschaffen, was aus meiner Sicht mehr Probleme schaffen als lösen wird.“ Das ganze Vorhaben sei nicht zu Ende gedacht. Doch ganz abgesehen von den nach wie vor ungeklärten Fragen bei der behördlichen Umsetzung macht insbesondere der Jugendschutz dem GdP-Vorsitzenden große Sorgen: „Hochglanzbroschüren haben noch niemanden davon abgehalten, Drogen zu konsumieren. Und die Legalisierung suggeriert, dass Cannabis absolut in Ordnung ist. Ich befürchte da stark steigende Konsumentenzahlen mit all ihren bekannten negativen Folgen.“
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