Essen. Die Familie mit Kleinkindern wünscht sich ausgerechnet den Hund, der schon mal ein Kind gebissen hat? Da spielt das Tierheim Essen nicht mit.

Viele Essener und Esserinnen, die sich ein Tier wünschen, fühlen sich vom örtlichen Tierheim ausgebremst. Als die Einrichtung im Nordviertel im Februar einen Aufnahmestopp für Abgabetiere verhängte, weil dort schon mehr als 100 Katzen und fast 50 Hunde auf ein neues Zuhause warteten, war die Empörung groß. „Wir haben einen Shitstorm erlebt“, sagt Leiterin Jeanette Gudd. Tenor: „Die geben ja keine Tiere ab, die benachteiligen ältere Halter.“ Nun äußert sich das Tierheim.

Wir wollen die Tiere nicht loswerden, sondern gut vermitteln.“
Jeanette Gudd, Leiterin des Essener Tierheims

„Die wollen die Tiere gar nicht loswerden“, heiße es in sozialen Medien und das treffe sogar zu, sagt Leiterin Gudd: „Wir wollen die Tiere nicht loswerden, sondern gut vermitteln.“ Sie trage Verantwortung gegenüber den Haustieren und den zukünftigen Haltern. So könne sie einen Hund, der schon mal jemanden verletzt habe, nicht an einen x-beliebigen Interessenten vermitteln. Vielmehr müsse derjenige Erfahrung im Umgang mit (schwierigen) Hunden mitbringen und die Bereitschaft, Zeit für das Tier aufzubringen. „Da muss man Arbeit reinstecken.“

Tierheim Essen vermittelt keine Hunde, die farblich zum Sofa passen sollen

Viele der Interessenten, die sie im Tierheim begrüße, schauten vor allem auf das Aussehen des Tieres. „Aber wir müssen gucken, ob das Tier zu demjenigen und seinen Lebensumständen passt – nicht bloß farblich zum Sofa.“ Die Fellfarbe spiele, teils von Modetrends befeuert, für manchen eine größere Rolle als das Wesen des Tieres. Andere wünschten sich ein niedliches Hundebaby, ohne zu bedenken, welches Format es mal haben wird, wenn es ausgewachsen ist. „Dabei haben wir nur selten Welpen, und wir haben nicht bloß nette Schmusetiere.“

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Im Gegenteil: Die meisten Bewohner des Tierheims haben eine Vorgeschichte, die teils so problematisch ist, dass die Tiere Verhaltensauffälligkeiten entwickeln. „Fundhunde vermitteln wir zum Beispiel grundsätzlich nicht an Familien mit Kleinkindern. Das Risiko ist uns zu groß, weil wir ja überhaupt nicht wissen, was die Tiere erlebt haben“, sagt Jeanette Gudd. Nicht jeder bringe für solche Vorsichtsmaßnahmen Verständnis auf. Da gebe es etwa die Eltern von drei Kindern, die unbedingt den Schäferhund mitnehmen wollen, „obwohl der schon mal ein Kind gebissen hat“.

Tiervermittlung nur mit Termin

Das Tierheim an der Grillostraße 24 im Essener Nordviertel bietet Hunden, Katzen und verschiedenen Kleintieren ein (vorübergehendes) Zuhause. Das Heim bleibt auch nach Ende der Corona-Pandemie für spontane Besuche geschlossen. Das Team hat die Erfahrung gemacht, „dass Vermittlungen mit Termin für alle Beteiligten von Vorteil sind“.

Der Aufnahmestopp für Abgabetiere gilt weiter. Das Tierheim nimmt aktuell lediglich Fundtiere und sichergestellte Tiere auf.

Kontakt: telefonisch unter 0201–83 72 350 oder per E-Mail an: info@tierheim-essen.de

Sie erkläre gern, warum sie in solchen Fällen hart bleibe. Auch darum werden Tiervermittlungen nur mit Termin gemacht. Da frage sie nicht etwa den Kontostand ab, wie es schon mal böswillig behauptet werde. Vielmehr weise sie etwa darauf hin, dass zum Beispiel Französische Bulldoggen häufig hohe Tierarztkosten verursachen: Die Rasse neige neben anderen Beschwerden zu Atemproblemen und Bandscheibenvorfällen. Andere Züchtungen bringen nicht nur die gewünschte Farbe des Fells hervor, sondern auch Tiere, die für Allergien anfällig sind.

Meerschweinchen brauchen tierische Gesellschaft

Mögen es gesellig: Meerschweinchen sollten nicht allein gehalten werden.
Mögen es gesellig: Meerschweinchen sollten nicht allein gehalten werden. © Andrea Busch

Leider leuchte es nicht jedem ein, dass sie einen Kangal, der als Herdenschutzhund mit viel Kraft, Größe und Bewegungsdrang ausgestattet ist, nicht in eine kleine Wohnung im vierten Stock ohne Aufzug vermittle. Oder dass sie einen Weimaraner-Welpen nicht einem 86-Jährigen anvertraue. „Diese Hunde sind früher nur in Jägerhand gegeben worden.“ Ausschlaggebend sei immer, wie gut Hund und Herrchen oder Frauchen zusammenpassen; eine starre Altersgrenze gebe es nicht. „Es heißt immer wieder, dass wir keine Tiere an über 60-Jährige abgeben – das ist Quatsch.“ Kürzlich habe sie einen Schäferhund an einen 90-Jährigen vermittelt. „Der hatte sein Leben lang Schäferhunde und war total rüstig.“

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Es gebe viele solcher gelungenen Vermittlungen und Tierhalter, die das Heim an der Grillostraße nach Jahren dankbar besuchten. In anderen Fällen sei das passende Tier gerade nicht da oder der Interessent für sein Wunschtier nicht geeignet. Mancher reagiere daraufhin verärgert, wende sich vielleicht an einen Verein, der Tiere aus dem Ausland vermittelt. Diese Vereine machten teils gute Arbeit, andere seien weniger vertrauenswürdig, sagt Jeanette Gudd. „Wenn es dann nicht klappt, nehmen sie die Tiere nicht zurück, und die landen bei uns.“

Einzelkatzen werden nicht in Wohnungshaltung vermittelt

Das Tierheim vermittelt Katzen, die in eine Wohnungshaltung kommen, in der Regel nicht einzeln.
Das Tierheim vermittelt Katzen, die in eine Wohnungshaltung kommen, in der Regel nicht einzeln.

Sie achtet daher lieber gleich darauf, dass der Tierfreund sich nicht überfordert und das passende Umfeld bietet, nicht nur für Hunde. „Wir vermitteln Katzen in der Regel nicht einzeln in eine Wohnungshaltung.“ Es sei denn, die betreffende Katze möge keine Gesellschaft. Kleintiere seien übrigens nicht gern allein, auch das sei vielen Menschen nicht klar. „Meerschweinchen oder Kaninchen brauchen Artgenossen, damit sie nicht einsam sind. Auch Vögel sollten mindestens zu zweit gehalten werden.“ Wellensittich und Co. brauchten zudem den Freiflug im Zimmer, Meerschweinchen den Auslauf; der Käfig dürfe nur Rückzugsort sein. Da sei sie strikt: „Wir vermitteln auch kein Kaninchen in reine Käfighaltung.“

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