Essen-Rellinghausen. Anwohner und Politiker in Essen-Rellinghausen kritisieren das Vorhaben der Firma. Nachbarn befürchten Wertminderung der Häuser.
Die von der Firma Lidl geplante neue Zufahrt zum Discounter an der Eisenbahnstraße in Essen-Rellinghausen sorgt weiter für Diskussionen. Für die Zufahrt müsste ein Wohnhaus abgerissen werden. Jetzt melden sich Anwohner und Politiker zu Wort.
Die Firma Lidl wollte sich auf Anfrage dieser Redaktion zum Thema nicht äußern. Die Stadt bestätigt hingegen, dass eine Baugenehmigung für eine Zufahrt über das Grundstück Frankenstraße 90 erteilt sei. Ob beziehungsweise wann eine solche Zufahrt gebaut wird, ist derzeit unklar. Für eine solche müsste aber das dort stehende Wohnhaus weichen, das dem Vernehmen nach an Lidl verkauft worden ist.
Das beunruhigt Nachbarn, die mit einer größeren Baustelle in unmittelbarer Nähe ihrer Häuser und später mit dem Zugangsverkehr zum Discounter leben müssten. Einer von ihnen ist Frank Sassenbach, er ist Miteigentümer des Nachbarhauses Frankenstraße 92, ihm gehört die Erdgeschoss-Wohnung.
Discounter Lidl will in Essen-Rellinghausen eine neue Zufahrt bauen
„Dort lebt meine 87-jährige Mutter, für die ein solches Projekt natürlich eine große Belastung wäre“, sagt er. Hinzu komme, dass das Haus, in dem sich seine Wohnung befindet, aus den 1930er Jahren stamme und die Bausubstanz entsprechend alt sei. Man habe dort schon jetzt Probleme mit Wasserschäden. „Wir machen uns Sorgen um unser Eigentum“, sagt Sassenbach. Er befürchtet Risse im Mauerwerk und andere Schäden durch den Bau der Zufahrt. Deshalb sei ihm die Einbeziehung eines Gutachters wichtig.
Mit seinen Fragen hat sich Frank Sassenbach an die Firma Lidl gewandt und entsprechende Auskünfte erhalten. Auch ein Treffen vor Ort mit der Projektleitung habe es gegeben. „Bei Lidl gibt man sich durchaus hilfsbereit“, sagt Sassenbach über die Kommunikation. Er befürchtet dennoch, dass die Firma ihr Vorhaben irgendwann ohne größeren Vorlauf umsetzen werde.
Nach Recherchen dieser Redaktion würde die Zufahrt, so sie denn gebaut wird, durch einen Gehweg mit dem bestehenden Lidl-Parkplatz verbunden. Entlang der Zufahrt sollen zehn neue Parkplätze entstehen, drei würden entfallen. Ein Umbau der Frankenstraße oder die Installation einer Ampelanlage soll nicht erforderlich sein.
Nachbarn fürchten Belästigung durch Bauarbeiten und Kundenverkehr
An den Grundstücksgrenzen zu den benachbarten Häusern an der Frankenstraße 92 und 88 soll dem Vernehmen nach ein zwei Meter hoher Schallschutzzaun errichtet werden, was Frank Sassenbach wie eine Einkasernierung empfinden würde. Die Zufahrt über die Frankenstraße werde nur in Fahrtrichtung Stadtwald/Bredeney möglich sein, nicht in Fahrtrichtung Ruhr, hat er erfahren.
Für Sassenbach ist klar, dass die Bewohner der angrenzenden Häuser unter einem solchen Bauprojekt leiden würden. Während der Bauzeit müssten Bagger und weitere Arbeitsgeräte irgendwo stehen, was auf der viel befahrenen Frankenstraße seiner Meinung nach zu erheblichen Problemen führen könnte. „Es ist außerdem ein Unding, ein so schönes Haus abzureißen“, findet der Wohnungseigentümer.
Bürgerschaftsvorsitzender kritisiert Fehler in der Vergangenheit
Sassenbach hält die Pläne für eine zusätzliche Zufahrt tatsächlich für überholt. Seiner Meinung nach stammten sie aus der Zeit, als die Firma Aldi, unmittelbarer Nachbar von Lidl, eine eigene Zufahrt geplant habe. Die sei aber nicht realisiert worden.
Laut Michael Delfs, Vorsitzender der Bürgerschaft Rellinghausen-Stadtwald, sind die Pläne für die Lidl-Zufahrt eine privatrechtliche Sache, bei der sich die Bürgerschaft zurückhalte. „Ich fände es aber grundsätzlich besser, wenn sich der Stadtteil nicht nur über Discounter entwickeln würde“, so Delfs. Er kritisiert dabei auch Fehlplanungen der Vergangenheit. So sei die umstrittene Fällung der alten Bäume für den Aldi-Neubau an der Eisenbahnstraße seiner Ansicht nach sinnlos gewesen, weil der Markt entgegen früherer Pläne doch nicht zur Straße hin gebaut worden sei.
Auch die neue Zufahrt für Lidl ist aus seiner Sicht eher nicht nötig. Der Abriss des Hauses an der Frankenstraße 90 wäre für das Bild des Stadtteils nicht vorteilhaft, findet er.
Unterstützung erhalten die Anwohner auch aus der Politik. Der örtliche CDU-Ratsherr Sven Köhler sieht das Vorhaben der Firma Lidl kritisch. Er spricht sich für den Erhalt des stadtteilprägenden Gebäudes an der Frankenstraße 90 aus. Sollte dies nicht möglich sein, plädiert er für Wohnbebauung über der Zufahrt. „Sonst würde durch den Abriss des Gebäudes eine unschöne Baulücke entstehen“, so Köhler.
CDU und SPD halten die zweite Zufahrt für überflüssig
Seiner Ansicht nach ist eine zweite Zufahrt nicht notwendig, da Aldi und Lidl über die bestehende gemeinsame Zufahrt gut zu erreichen seien. „Die Straße müsste allerdings ausgebessert werden, da es dort viele Schlaglöcher gibt.“ Köhler geht davon aus, dass sich Lidl durch eine zweite Zufahrt von der Frankenstraße aus einen Standortvorteil verschaffen wolle.
Die SPD-Fraktion in der Bezirksvertretung 2 erachtet den Abriss des Mehrfamilienhauses in Zeiten des Wohnraummangels „nicht nur als unnötig, sondern zudem als verantwortungslos“, so der SPD-Fraktionsvorsitzende in der BV 2, Andreas Gosdzick.
Hinter dem Haus gebe es eine größere Grünfläche, die der Baumaßnahme ebenfalls zum Opfer fallen würde. Zudem würde eine Zufahrt zu dem wesentlich tiefer gelegenen Lidl-Parkplatz ein erhebliches Gefälle aufweisen. „Wie problematisch das Einfahren in den fließenden Verkehr aus einer solchen Straße ist, kann man an der Kreuzung Am Frommen Joseph / Rellinghauser Straße / St. Annental oder auch auf der Frankenstraße um die Hausnummern 250 sehen“, so Gosdzick. Dort müsse ebenfalls der Fußgänger-/Radweg gekreuzt werden.
Politik sieht negative Auswirkungen auf den ÖPNV und den Individualverkehr
Die Fahrzeuge, die aus Richtung Ruhrallee / Wuppertaler Straße kämen und rechts auf das Lidl-Gelände abbiegen wollten, müssten ebenfalls sowohl den Fahrradstreifen als auch den Fußgängerweg kreuzen. Um niemanden zu gefährden, müsste das Fahrzeug komplett zum Stillstand gebracht werden, so Gosdzick. Da sicherlich viele Discounter-Kunden eine solche Zufahrt nutzen würden, seien an dieser Stelle erhebliche Behinderungen des ÖPNV und des Individualverkehrs zu befürchten.
Der SPD-Politiker kann die Sorgen der Anwohner nachvollziehen. Sie würden nicht nur durch an ihren Grundstücken vorbeifahrende Fahrzeuge erheblich beeinträchtigt, sondern müssten auch mit einer deutlichen Wertminderung der Grundstücke rechnen.
„Die Mitglieder der SPD-Fraktion in der Bezirksvertretung 2 appellieren an die Firma Lidl, zum Wohle der Anwohnerinnen und Anwohner – von denen einige auch deren Kunden sein dürften – von der geplanten Baumaßnahme Abstand zu nehmen“, so Andreas Gosdzick.
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