Essen-Rellinghausen. Die Stadt hat der Firma eine Baugenehmigung für eine weitere Zufahrt erteilt. Das sorgt für Kritik, weil der Abriss eines Haus droht.

Seit Monaten halten sich Gerüchte in Essen-Rellinghausen, dass die Firma Lidl eine zweite Zufahrt zu ihrem Markt an der Eisenbahnstraße plant und dafür ein Wohngebäude an der Frankenstraße abreißen lassen will. Das sorgt für Unmut und Sorgen im Stadtteil. Immerhin trifft es auch dringend benötigte Mietwohnungen.

Die Firma Lidl äußert sich auf Anfrage dieser Redaktion nur wie folgt: „Wir bitten Sie um Ihr Verständnis, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt keine Auskunft zu dem Standort in Essen-Rellinghausen und der Planung geben können.“ Der Discounter an der Eisenbahnstraße war nach längeren Planungen im April 2018 eröffnet worden.

Die Stadt bestätigt allerdings das Vorhaben von Lidl: Das Bauordnungsamt habe im April 2023 dem Eigentümer des Gebäudes eine Baugenehmigung für Herstellung einer weiteren Zufahrt zum Lidl-Markt über das Grundstück Frankenstraße 90 erteilt, so Burkhard Leise vom Presseamt.

Stadt Essen hat Baugenehmigung für eine weitere Zufahrt erteilt

Ein Antrag auf den Rückbau eines Gebäudes sei jedoch seit 2018 nicht mehr erforderlich, lediglich – unter bestimmten Voraussetzungen – die formale Anzeige bei der Bauordnung, so Leise weiter. Gemäß Gesetzgebung werde die Anzeige durch die Bauaufsichtsbehörde nicht mehr geprüft. Die Verantwortung sei komplett auf den ausführenden Bauherrn übertragen worden.

Ob das Gebäude an der Frankenstraße bereits leergezogen sei, entziehe sich der Kenntnis der Bauaufsicht. Zwei Bewohner beziehungsweise Bewohnerinnen des Gebäudes seien über die erteilte Baugenehmigung informiert worden. Die Bauaufsicht hat laut Leise zudem keine Handhabe hinsichtlich einer zwingenden Vermietung von Wohnungen, reagiert das Presseamt auf die Kritik, dass das Gebäude offenbar teilweise leerstehe.

Der Discounter Lidl an der Eisenbahnstraße hatte im April 2018 eröffnet.
Der Discounter Lidl an der Eisenbahnstraße hatte im April 2018 eröffnet. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Auch aus der Politik gibt es Reaktionen auf das Thema: Die Ratsfraktion der Partei Die Linke sieht das Vorhaben der Firma Lidl sehr kritisch. Man sei von einem Bürger auf den Sachverhalt aufmerksam gemacht worden.

„Angesichts der dramatischen Wohnungsknappheit auch in Essen halten wir es für absurd, einen so gut erhaltenen Altbau aus der Gründerzeit für eine schnöde Parkplatzzufahrt einfach abzureißen. Es ist ja nicht so, als wäre bisher keine ausreichende Zufahrt vorhanden. Diese liegt nur ein wenig abseits an der Eisenbahnstraße“, erklärt die Fraktionsvorsitzende der Linken, Heike Kretschmer.

Offenkundig verspreche sich Lidl mehr Kundinnen und Kunden und einen Vorteil gegenüber dem benachbarten Mitbewerber Aldi, wenn man direkt an die gut frequentierte Frankenstraße angebunden sei. „Das sollte aber im Interesse der Mieterinnen und Mieter kein Grund für die Vernichtung von Wohnraum sein“, so die Ratsfrau weiter.

Verlagerung des Kundenverkehrs könnte zur Belästung der Anwohner führen

Lidl habe sich damals im Wissen um die verkehrliche Situation für die Eröffnung eines Marktes an dem Standort entschieden. Aus Sicht der Ratsfraktion Die Linke kommt noch hinzu, dass eine Verlagerung des Kundenverkehrs auf die Frankenstraße dort den Verkehrsfluss beeinträchtige.

Abrisse von Häusern seien nicht genehmigungspflichtig und das Haus gehöre Lidl, sieht Kretschmer das Unternehmen zwar rechtlich auf der sicheren Seite. „Es kann trotzdem nicht sein, dass bauliche Substanz und Wohnraum wegen der Verwertungsinteressen Einzelner vernichtet werden. Leider bleibt uns nur der Appell an das Gemeinwohl und die Bitte an Lidl, das betreffende Haus nicht abzureißen und die Ausbaupläne für den Parkplatz nochmals zu überdenken. Sollte es bei der Beibehaltung der Pläne bleiben, erwarten wir von Lidl, dass es die dort lebenden Mieterinnen und Mieter bei der Wohnraumsuche und dem Umzug unterstützt“, so die Linken-Politikerin.

Kritik am Vorgehen der Firma Lidl kommt von mehreren Seiten

Auch Matthias Prager von der Firma Immobilien Geppert GmbH und Eigentümer des Nebenhauses an der Frankenstraße 88, kritisiert das Vorgehen der Firma Lidl. Er führt ebenfalls an, dass in Zeiten von Wohnungsnot intakter und bezahlbarer Wohnraum vernichtet werde für eine zweite Zufahrt zum Discounter und weitere Parkplätze.

Sein Mitarbeiter Markus Selbach befürchtet außerdem Nachteile für die Mieter des Nebenhauses, und zwar in Form von mehr Verkehr und den damit verbundenen Belastungen. Möglicherweise werde es auch zu Rückstaus auf der Frankenstraße kommen, so dass nicht nur die unmittelbaren Nachbarn betroffen wären.

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