Essen. Die Stadt Essen wird die Mietobergrenzen für Bürgergeldbezieher anheben, allerdings nur marginal. Anwalt droht mit Klage.

Das Jobcenter Essen wird zum 1. April die Mietobergrenzen für die Bürgergeldhaushalte in der Stadt anheben. Anlass ist der neue Betriebskostenspiegel für NRW, den der Deutsche Mieterbund vor einigen Tagen veröffentlicht hat. Er ist neben dem örtlichen Mietspiegel die Grundlage, auf der die Stadt die Mietobergrenzen festsetzt. Die Grenzen sind für die betroffenen Haushalte nicht unwichtig. Denn sie legen fest, bis zu welcher Höhe eine Miete angemessen ist und sie vom Jobcenter vollständig übernommen wird. Die letzte Änderung gab es im September 2022. In Essen leben rund 42.000 Haushalte vom Bürgergeld.

Die Stadt hat die neuen Zahlen noch nicht veröffentlicht. Aber Carsten Dams, Anwalt für Sozialrecht in Essen, hat schonmal gerechnet und dabei eher Ernüchterndes festgestellt: Die Mietobergrenze für einen Ein-Personen-Haushalt steigt gerade einmal um einen Euro: von 435 auf 436 Euro. Basis dafür ist eine 50 Quadratmeter große Wohnung, die vom Jobcenter als angemessen angesehen wird. Dams Kommentar: Geradezu albern sei diese geringe Erhöhung angesichts allgemein steigender Wohnkosten. Bei einem Haushalt, in dem fünf Personen leben, klettert die Mietobergrenze um 2,20 Euro im Monat. Auf Nachfrage sagt das Jobcenter zur errechneten Größenordnung für einen Ein-Personen-Haushalt: „Das wird sich wahrscheinlich bestätigen.“

ANGEMESSENE KOSTEN DER UNTERKUNFT (KDU)
Bruttokaltmiete*ab dem 01.09.2022ab dem 01.04.2024
Personen in Bedarfsgemeinschaft
1 Person435 Euro436 Euro
2 Personen547,95 Euro549,25 Euro
3 Personen680 Euro681,60 Euro
4 Personen819,85 Euro821,75 Euro
5 Personen971,30 Euro973,50 Euro
6 Personen1066,80 Euro1069,20 Euro
7 Personen1155,70 Euro1158,30 Euro

*Berechnungen von Rechtsanwalt Carsten Dams

Grund für die kaum spürbare Anhebung ist die Systematik der Berechnung: Die relevanten Posten im Betriebskostenspiegel NRW sind im landesweiten Durchschnitt zuletzt von 2,05 auf 2,07 Euro pro Quadratmeter gestiegen. Dazu zählen unter anderem Müllabfuhr, Wasser und Abwasser, Grundsteuer aber auch Versicherungen, Hausmeisterkosten oder Gartenpflege. Die Kosten fürs Heizen und Warmwasser fallen bei Bürgergeld-Beziehern nicht mit in die Betrachtung, weil das Jobcenter diese gesondert erstattet. In den vergangenen Jahren kam es sogar vor, dass die Mietobergrenzen in Essen zeitweilig gesunken sind.

Anwalt übt Kritik: Kalte Betriebskosten in Essen höher als NRW-Schnitt

Linkenpolitiker aber auch Anwälte wie Dams aus dem Linkenspektrum halten die Mietobergrenzen der Stadt Essen schon seit längerem für zu gering. Ihre Vermutung: Die kalten Betriebskosten dürften in Essen höher liegen als im NRW-Schnitt. „Es ist ja nachweislich, dass die Gebühren für Abwasser, die Grundsteuer B aber auch die Müllabfuhr in Essen überdurchschnittlich teuer sind“, sagt Dams.

In der Tat: Der Bund der Steuerzahler NRW rügt in seinen Vergleichen regelmäßig beispielsweise die Abfallgebühren in Essen, die nicht zuletzt wegen der wöchentlichen Leerung vergleichsweise hoch sind. Auch beim Abwasser sind die Haushalte in Essen stärker belastet als der Durchschnitt im Land.

Anwalt droht Stadt Essen mit Klage

Dams fordert deshalb die Stadt Essen auf, die Betriebskosten, wie bereits vor Jahren angekündigt, lokal zu ermitteln und auf die Mietobergrenzen anzuwenden. Ein Urteil des Landessozialgerichtes, das vor über zehn Jahren notfalls auch den NRW-Betriebskostenspiegel zuließ, „habe ich nicht so empfunden, dass das für immer gelten sollte“, meint Dams. Er kündigte an: „Wenn es bei dieser Erhöhung von nur einem Euro bleibt, werde ich das große Ganze gerichtlich angreifen.“ Dann würde es eine erneute juristische Überprüfung der Berechnungspraxis geben.

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Für die Stadt könnte das zur Folge haben, dass die Sozialausgaben weiter steigen. Im vergangenen Jahr gab sie aus dem eigenen Haushalt 80,6 Millionen Euro für die Kosten der Unterkunft aus - heißt für Mieten und Heizen von Bürgergeldhaushalten. Einen großen Teil der anfallenden Kosten übernimmt der Bund.

Würden die Mietobergrenzen deutlicher steigen, könnte das allerdings hunderten Bürgergeld-Haushalten in Essen helfen. Sie zahlen aus ihrem Bürgergeld für die Miete drauf, weil sie aus Sicht der Stadt in zu teuren Wohnungen leben. Im Jahr 2022 betraf das in Essen 2335 Haushalte. Das zeigt eine Studie des Sozialverbandes Deutschland, der dafür Zahlen der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet hat. Im Schnitt tragen die Betroffenen eine Kostenlücke von fast 80 Euro im Monat. Vor allem Singlehaushalte trifft dies. Das dürfte daran liegen, dass gerade kleine, günstige Wohnungen in Essen knapp sind.

Neuer Mietspiegel in Essen kommt

Im September 2024 dürfte eine größere Korrektur ins Haus stehen. Dann erscheint der neue Mietspiegel. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieser deutlich gestiegene Mieten in Essen ausweist. Damit wäre auch die Stadt angehalten, die Mietobergrenzen entsprechend anzupassen.

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