Essen. Die Stadt hat den Feuerwerksverkauf in Essen-West verboten. Der Oberbürgermeister fühlte sich zunehmend unwohl mit der Traditions-Veranstaltung.
Für alle, die es gern krachen lassen, war das drei Tage im Jahr eine Art pyrotechnisches Schlaraffenland: mit Feuerlanzen und Handfontänen, Rauchgranaten und Pfeifraketen, mit Vulkanen, Bengalos und verschiedenen Batterie-Krachern, für die sich die hartgesottenen Silvesterfreaks auch schon mal um Mitternacht in die Schlange vor der Eishalle stellten. Aber jetzt ist die Lunte am Essener Westbahnhof gekappt, der Verkauf verboten. Und wenn es kracht, dann nur noch hinter den Kulissen.
Schiemann ist entsetzt: „Das ist Kult, das kann man doch nicht verbieten“
Dort steht Thomas Schiemann mit einem nach seinen Angaben noch mehrere Jahre gültigen Vertrag in der Tasche und kann es noch nicht recht fassen: Dass nach über 25 Jahren Schluss sein soll mit jenem Böller-Handel, den der Unternehmer und einstige Präsident des Eishockey-Clubs Moskitos Essen mit einer Belegschaft von zwei Dutzend Leuten zum größten Lagerverkauf von Feuerwerk in ganz Nordrhein-Westfalen gemacht hat. „Hier kommen Väter mit ihren Kindern her, die waren vor 20 Jahren zum ersten Mal mit ihrem Papa da“, sagt Schiemann. Auch er selbst sei mit seinem Vater schon Ende der 1970er Jahre über Paletten von Raketen-Kartons gestiefelt. Will sagen: Hier gehe es um eine „Kult“-Veranstaltung, „die kann man doch nicht sterben lassen“.
Der Oberbürgermeister kann. Thomas Kufen ließ Schiemann bereits im Frühsommer vergangenen Jahres wissen, dass er den Silvester-Run auf Raketen und sonstiges Pyro-Werk zum Jahresende 2023 untersagen wolle. Da war die Ware aus dem Reich der Mitte aber schon bestellt, es drohten hohe finanzielle Verluste, und so einigte man sich darauf, dem Verkauf dieses eine Mal noch nicht dazwischenzufunken. Weitere Knalleffekte an der Kasse sollte es aber fortan nicht geben.
Der Verkauf in der Eishalle galt der Bezirksregierung als Vorzeige-Betrieb
Grund dafür ist nicht etwa der allzu fahrlässige Umgang von Schiemanns Truppe mit der explosiven Ware, im Gegenteil: Der Unternehmer schildert nicht ohne Stolz, dass die Genehmigungsbehörden stets bei ihm vorsprachen, wenn es darum ging, Medien aller Art einen mit höchsten Sicherheits-Standards bestens präparierten Vorzeige-Betrieb für den Pyro-Verkauf zu präsentieren.
Eher sorgten schon verschiedentliche Böller-Attacken in der Silvesternacht 2022/2023 für das Gefühl im Essener Rathaus, die Stadt solle beim Feuerwerks-Verkauf nicht die NRW-weit erste Adresse bieten, sondern eher auf Distanz gehen. Ihm sei „durchaus bewusst, dass durch ein Verkaufsverbot von Feuerwerkskörpern in unseren städtischen Gebäuden das kriminelle Tun und Handeln von Chaoten nicht gestoppt werden kann“, begründete Oberbürgermeister Thomas Kufen damals den drastischen Schritt. „Wir können damit aber ein Zeichen setzen – und einen Beitrag für die Sicherheit unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger und unserer Einsatzkräfte von Polizei, Ambulanz und Feuerwehr beisteuern.“
Die Gewinne kamen zum nennenswerten Teil gemeinnützigen Projekten zugute
Schiemann hält dagegen, verweist darauf, dass es stadtweit 300 Verkaufsstellen für Böller aller Art gibt – von den großen Discountern über Drogerien bis zu Baumärkten und Tankstellen; dass die Gewinne aus dem Verkauf in einer mittleren fünfstelligen Größenordnung zu einem nennenswerten Teil gemeinnützigen Zwecken zugute kommen – zuletzt etwa der Schul- und Sportförderung, dem Politische Forum Ruhr, aber auch der Ukraine-Hilfe verschiedener Vereine. Und dass das Verbot des Böller-Verkaufs in der Eishalle an der Curtiusstraße ja mitnichten die Böllerei an sich ausbremse. „Wo bleibt da die Logik?“
„Die Logik ist: Ich fühle mich nicht wohl damit, dass wir den größten Feuerwerksverkauf in Nordrhein-Westfalen in einer städtischen Immobilie abwickeln“, kontert Kufen. Es gehe ihm nicht um ein Verbot der Knallerei am letzten Tag eines Kalender-Jahres, „ich bin gegen Böllerverbots-Zonen“. Weit über 99 Prozent der Bürgerschaft feierten schließlich stets friedlich Silvester. Aber durch den Massen-Verkauf auf städtischem Grund werde „vielleicht ja eine Spirale in Gang gesetzt, die am Ende bei sogenannten „Polen-Böllern“ lande, sagt das Stadtoberhaupt: „Die Frage lautet: Muss ich das als Stadt mit meiner Immobilie unterstützen? Und da sage ich: Nein!“
Ein Versuch, Thomas Kufen mit einer höheren Pacht umzustimmen, mit einer Kampagne gegen illegale Knallerei und für die Umwelt schonendes und weniger lautes Feuerwerk, zündete noch nicht. Doch Schiemann mag nicht aufgeben, bei ihm glimmt ein letztes Fünkchen Hoffnung, dass die Politik ein Einsehen haben könnte. Bis dahin aber gilt: Das pyrotechnische Schlaraffenland ist abgebrannt.
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